Tanz
Performance "nicht mehr, als alles" von Sarah Sterna
Sternat

Es ist entweder eine Befreiung oder echt niederschmetternd. Gerade war man noch zu zweit, aber jetzt existiert das Gemeinsame nur noch als Erinnerung. In solche Situationen geraten wir alle früher oder später – Grund genug für die Performerin und Künstlerin Sarah Sternat, das Thema des Verlassenseins in ihrem Solo "nicht mehr, als alles" noch einmal anzuheizen.

Die Uraufführung dieses Stücks ist gerade zusammen mit einer weiteren, "∞laniakea∞" der Physikerin und Tänzerin Carla Schuler, beim Artist-At-Resort-Residenzprogramm von Bert Gstettners Tanz*Hotel in der Wiener Zirkusgasse zu sehen. Sowohl die Performerin als auch die Tänzerin gehören zu jenen Wiener "emerging artists", die nicht so ganz in den durchideologisierten Narzissmus-Moralismus-Mainstream passen, der den Tanz immer weiter ins Kleinkarierte manövriert. Inmitten dieses Safe-Space-Biedermeier wirkt die emanzipierte Zeitgenossenschaft der beiden wie Musik aus einer besseren Zukunft.

Geometrische Körper

Carla Schuler lässt das rational Geordnete der Wissenschaft in eine der Entropie zustrebende Emotionalität treiben. Zur Musik von Moritz Cizek bewegt sie sich konzentriert in einer Raumstruktur, als deren Nukleus ein Miniaturmodell (Alina Huber) von Rudolf von Labans berühmtem Ikosaeder dient, in das die Tänzerin nur in geduckter Haltung passt. Labans geometrischer Körper sollte in der Frühzeit des modernen Tanzes den weiten Bewegungsraum des menschlichen Körpers definieren. Carla Schuler schrumpft diese "Kinesphäre" zu einem Käfig und bläst sie anschließend zu einem überdimensionalen Raumfahrerhelm auf.

Auch Sarah Sternats Bühnenfigur tanzt – im Sound von Markus Benjamin Riedler – am Rand des Chaos. Geblieben sind ihr ein zurückgelassenes Hemd und zwei volle Gläser Wein. Sobald sie letztere auf Ex getrunken hat, verwandelt sie sich in ein exzentrisches Wesen, das seine Vergangenheit hinter sich aufhäuft wie einen Wäscheberg. (Helmut Ploebst, 8.12.2023)