Das Anti-Corona-Medikament Paxlovid sei in vielen österreichischen Apotheken nicht mehr erhältlich. Diese Meldung schreckte vergangene Woche inmitten der aktuellen Covid-19-Welle viele Menschen auf. Am Samstag bemühte sich Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) daher zu kalmieren: "Paxlovid wird spätestens ab Montag wieder flächendeckend in den Apotheken verfügbar sein", verkündete er auf X, vormals Twitter.

Paxlovid
Wird innerhalb Österreichs umverteilt: das Anti-Covid-Medikament Paxlovid.
REUTERS/WOLFGANG RATTAY

Dieses Versprechen konnte er übers Wochenende jedoch nicht halten. Ein Rundruf des STANDARD am Montagvormittag in zehn Apotheken in ganz Österreich ergab: In acht von ihnen war das antivirale Mittel nicht vorhanden, in zwei gab es jeweils eine einzige Packung: "Die kann ich Ihnen reservieren, wenn Sie in den kommenden paar Stunden vorbeikommen", bot eine Apothekerin im 21. Bezirk in Wien an.

Sie habe bereits mehrfach nachgefragt, wann sie eine neue Lieferung erwarten könne, schilderte eine weitere Apothekerin in Salzburg-Stadt: "Auskunft habe ich aber keine bekommen."

Ministerium arbeitet "mit Hochdruck"

Was ist geschehen? Im Gesundheitsministerium gab man sich am Montagvormittag zuversichtlich. "Der Pharma-Großhandel arbeitet mit Hochdruck daran, Paxlovid im Laufe des Tages wieder flächendeckend in den österreichischen Apotheken verfügbar zu machen", heißt es in einer schriftlichen Reaktion. Die Apothekerkammer habe ihre Mitgliedsbetriebe am Freitag "dringlich aufgefordert, überzählige Packungen an den Großhandel zu retournieren". Parallel würden Vorräte aus Spitälern für die Apotheken verfügbar gemacht.

Besagte "dringliche Aufforderung" liegt dem STANDARD vor; sie wurde von einem Beobachter der Situation über X öffentlich gemacht. "Im Auftrag des Bundesministeriums durchgeführte Erhebungen" hätten ergeben, dass die regionalen Bestände von Paxlovid in den Apotheken sehr unterschiedlich verteilt seien, heißt es in dem Schreiben. "Zur unmittelbaren Überbrückung der aktuellen Situation" sammle der Großhandel vorhandene Bestände ein und lagere sie zentral.

Jede Apotheke solle bis auf weiteres immer nur eine Packung Paxlovid bekommen. Sobald diese abgegeben wurde, könne eine weitere Packung bestellt werden. Im Gesundheitsministerium bestätigt man dieses organisatorische Vorgehen. In den nächsten ein bis zwei Wochen werde außerdem eine neue Lieferung in Österreich eintreffen. Damit könne die Verfügbarkeit von Paxlovid dann durchgängig sichergestellt werden.

Großhandel sammelt ein, Apotheken bestellen

Wie aber konnte es zu dem Mangel an dem derzeit einzigen Medikament, das bei vulnerablen Personen schwere Covid-19-Verläufe verhindert, in weiten Teilen Österreichs überhaupt kommen? Beim Verband österreichischer Arzneimittelvollgroßhändler (Phago), in dessen Lager die jetzt eingesammelten Paxlovid-Packungen kommen, erklärt eine Sprecherin das Bestell- und Auslieferungssystem des Medikaments, das nur auf ärztliche Verschreibung hin ausgegeben wird.

Das vom Bund bei der Pharmafirma Pfizer gekaufte Paxlovid werde über die Großhandelslager verteilt: per Direktbestellung der Apotheken. Wie viel Paxlovid in den Lagern sei, wisse der Großhandel – aber nicht, wie viel Paxlovid jede Apotheke vorrätig habe. Die aktuelle Umverteilungsaktion laufe bereits seit Freitag, bestätigte die Sprecherin.

Die Wiener Ärztekammer kann diesem Vorgehen nichts abgewinnen: "Um die Schuld von sich zu weisen, hat der Minister hastig angeordnet, dass ab sofort jede Apotheke nur noch eine Packung Paxlovid vorrätig haben darf", sagt Vizepräsidentin und Kurienobfrau Naghme Kamaleyan-Schmied laut einer Aussendung.

In Wien gebe es rund 300 Apotheken. Das bedeute, "dass in der Millionenstadt Wien aktuell nur 300 Packungen Paxlovid vorrätig sind. Und das in der aktuell größten Corona-Welle, die das Land jemals gesehen hat. Das ist eine Täuschung der Patientinnen und Patienten und völlig verantwortungslos", so Kamaleyan-Schmied.

Fast 42.000 wegen Covid im Krankenstand

Aktuelle Daten aus dem Corona-Abwassermonitoring zeigen weiterhin Rekordwerte bei der Sars-CoV-2 Konzentration im Abwasser. Ein nachhaltiges Abflauen zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil: Im Großteil der Bundesländer stiegen die Werte zuletzt weiter an. Einzig in Vorarlberg zeigte die Entwicklung zuletzt leicht nach unten. Das bei weitem ausgeprägteste Signal mit den höchsten Werten stammt aus Wien.

Die Zahl der Personen, die an Covid erkranken, steigt jedenfalls weiter. In der Vorwoche gab es in Österreich fast 42.000 Krankenstände wegen Corona, zeigt eine neue Auswertung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Das waren fast doppelt so viele Covid-Krankenstände wie im Vorjahr um diese Zeit. Dazu kamen in der Vorwoche weitere rund 90.000 Personen, die wegen grippaler Infekte ausfielen. Bei rund 570 Personen war eine echte Grippe für die Krankenstandsmeldung verantwortlich: Laut dem Zentrum für Virologie der Med-Uni Wien gab es zuletzt zwar eine Zunahme der Influenza-Nachweise, aber noch keine Epidemie.

Insgesamt meldete die ÖGK für vergangene Woche rund 303.000 Krankenstände. Das ist ein ähnlicher Wert wie in der Vergleichswoche des Vorjahrs: Damals fielen rund 316.000 Personen krankheitsbedingt aus. Die von der ÖGK veröffentlichten Zahlen umfassen nur ÖGK-Versicherte sowie Arbeitslosengeldbezieher. Krankschreibungen bei anderen Krankenkassen sind hier nicht berücksichtigt.

Covid komme in der feucht-kalten Jahreszeit nun als "konstanter viraler Erreger" zu grippalen Infekten und Influenza hinzu, sagt ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter. Er verweist auf "sinnvolle Maßnahmen" wie das Tragen von Masken bei Menschenansammlungen, Hände waschen, Abstand halten oder das Lüften von Räumen. "Und natürlich das Impfen gegen Influenza und Covid, das zumindest schwere Verläufe und Folgeerkrankungen verhindert." (Irene Brickner, David Krutzler, 11.12.2023)