Eine Bestandsaufnahme unter Österreichs Unternehmen im Herbst 2023 zeigt: Die Stimmung hat sich der vielfach trüben Wetterlage angepasst. Zwar stuft eine knappe Mehrheit gemäß einer Studie der Beratungsfirma EY ihre derzeitige Lage noch positiv ein, allerdings blicken die Firmenlenker so sorgenvoll in die Zukunft wie seit der Finanzkrise des Jahres 2008 nicht mehr. Zunächst habe die gute Stimmung des Vorjahres noch angehalten, sagt Erich Lehner, Partner und Mittelstandsexperte bei EY Österreich. "Erst im Herbst hat sich die Situation stark eingetrübt."

Ein Bauarbeiter auf einem Gerüst.
Besonders schwer gebeutelt ist die Baubranche nach dem Platzen einer "Riesenblase" bei Immobilien.
FrankHoermann/SVEN SIMON, via ww

Wobei der Blick auf die Entwicklung der Binnenkonjunktur Österreichs – im dritten Quartal ist die Wirtschaftsleistung um einen halben Prozentpunkt geschrumpft – pessimistischer ausfällt als der auf die eigene Lage: Nur neun Prozent erwarten eine Verbesserung in den nächsten sechs Monaten, während 55 Prozent davon ausgehen, dass das Tief noch nicht erreicht ist. "Dieser Wert sollte ein Alarmsignal sein", kommentiert Lehner.

Kein Aufwind spürbar

Auch die Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht in ihrem Konjunkturradar für Dezember wenig Grund zur Zuversicht: "Noch ist hierzulande kein Aufwind spürbar, die Auftragslage der heimischen Industrie liegt weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau." Die Industrierezession sei nicht zu Ende, Österreich leide mit anderen Ländern der Eurozone wegen hoher Exporte besonders unter der Auftragsschwäche. "Europa fällt als Weltregion zurück", urteilt die WKÖ. Exporteure sollten stärker auf Wachstumsmärkte wie Indien oder Indonesien blicken.

Auch EY-Experte Lehner äußert Besorgnis darüber, dass Österreich im Speziellen und Europa im Allgemeinen den Anschluss an Nordamerika und Asien verlieren könnten. Mit Blick auf die Lohnstückkosten seien auch die hohen Abschlüsse bei den Lohnverhandlungen "eine große Herausforderung" für die Unternehmen. Man müsse die richtigen Rahmenbedingungen setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand halten zu können.

Zukunftsorientierte Projekte

Ein Schlüssel dazu sind grundsätzlich Investitionen. Doch gerade dabei stehen die Unternehmen derzeit stark auf der Bremse. "Gerade in Zeiten der Rezession sind Investitionen von entscheidender Bedeutung, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder sogar zu stärken", sagt Lehner. Unternehmen sollten in zukunftsorientierte Projekte investieren, um sich den Herausforderungen zu stellen und sich für kommende Marktsituationen zu positionieren.

Als Beispiel greift Lehner den Klimawandel auf – für ihn "ein Topthema, das in die Geschäftsmodelle eingebaut werden muss", um dauerhaft am Markt bestehen zu können. Aber gerade darin sieht der EY-Experte auch eine "Riesenchance für österreichische Lieferanten", um mittelfristig wieder aus dem derzeitigen Stimmungstief herauszufinden.

Weniger Investitionen

Besonders schlecht ist das Sentiment in der Industrie sowie, regional aufgeschlüsselt, in deren Hochburgen Oberösterreich und Steiermark. Die Folge: In beiden Bundesländern sind noch weniger Investitionen geplant als im Durchschnitt Österreichs. "Das wird Auswirkungen haben", befürchtet Lehner.

Auf längere Sicht sieht er aber auch die Chance auf eine Trendwende, selbst in der derzeit besonders schwer gebeutelten Immobilien- und Bauwirtschaft. "Das war eine Riesenblase", erklärt Lehner, "der Markt war völlig überhitzt." Derzeit schlage das Pendel in die andere Richtung aus, was sich aber binnen 24 Monaten wieder legen werde. Lehner ergänzt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass dann keine Häuser mehr gebaut werden."

Aber es gilt auch Herausforderungen zu stemmen. Neben dem Dauerbrenner Fachkräftemangel weist er etwa auf das geplante EU-Lieferkettengesetz hin, das strenger ausfallen soll als das deutsche Pendant: "Das wird große bürokratische Hürden bedeuten." (Alexander Hahn, 12.12.2023)