Der rund um die Uhr verfügbare Bergdoktor, der auch noch die Wehwehchen des Muatterls im dritten Graben links auswendig kennt: Wie sehr dieses Idyll Herzen erwärmt, lässt sich allein daran ablesen, dass die gleichnamige Fernsehserie in der 16. Staffel läuft.

Kein Wunder also, wenn jene Gesundheitsreform, die diese Woche den Nationalrat passieren soll, Ängste auslöst. Schließlich will die Regierung Primärversorgungseinheiten (PVE), Ambulatorien und all die anderen Alternativen zur klassischen Hausarztpraxis ausbauen. Droht die anonyme Fließbandmedizin, wo namenlose Dienstleister keine Ahnung mehr von ihren Patientinnen und Patienten haben?

Mit der Gesundheitsreform will die Regierung die Alternativen zum Hausarztpraxis ausbauen.
APA/dpa/Stephan Jansen

Das Schreckensszenario baut auf dem verklärten Bild der heimeligen Ordination auf, das zumindest in den städtischen Gebieten schon jetzt vielfach nicht der Realität entspricht. Auch klassische Hausärztinnen und -ärzte haben längst zu viele Patienten, um alle Krankengeschichten im Kopf zu haben. Abgesehen davon sollte die Anamnese in erster Linie ohnehin nicht vom Erinnerungsvermögen des behandelnden Mediziners abhängen. Dafür ist die elektronische Gesundheitsakte Elga da, die einen mit Befunden unterfütterten Gesamtüberblick bieten kann. Das System müsste nur endlich mit allen verfügbaren Daten vollständig gefüttert werden.

Geht es um geplante Termine, dann haben Patientinnen und Patienten durchaus auch in Primärversorgungszentren die Möglichkeit, sich gezielt für einen der dort beschäftigten Ärzte zu entscheiden. Sicher: Wer wegen einer akuten Grippe oder einer anderen Erkrankung kurzfristig kommt, wird sich mit jener Kraft bescheiden müssen, die gerade Dienst hat. Dafür können derartige Einrichtungen aber großzügigere Öffnungszeiten anbieten, die vor allem Berufstätigen entgegenkommen, und so manche mühsame Rennerei sollte überflüssig werden. Denn abgesehen von der Allgemeinmedizin beherbergen PVEs je nach Ausgestaltung noch andere Disziplinen – von der Psycho- und Physiotherapie über die Diätologie bis zum Wundmanagement.

Im Übrigen sind schon jetzt viele Menschen bereit, für derartige Vorteile eine gewisse Unpersönlichkeit in Kauf zu nehmen. Sonst wären die permanent zugänglichen, aber für die Allgemeinheit sehr kostspieligen Ambulanzen in den Spitälern nicht heillos überlaufen. (Gerald John, 12.12.2023)