Die geplanten Veränderungen im Gesundheitsbereich bedeuten einen Machtverlust der Ärztekammer. Darüber scheinen sich viele hämisch zu freuen. Es stimmt, die Funktionäre geben in der Tat ein schlechtes Bild in der Debatte ab. Man könnte sich schämen. Ob allerdings die Pläne zur Veränderung im Gesundheitsbereich tatsächlich zur Verbesserung beitragen, wird in der öffentlichen Diskussion kaum behandelt.

Sinkende Honorare

In den kassenärztlichen Ordinationen wird noch immer die Hauptlast der ambulanten Versorgung gestemmt. An keinem anderen Punkt des Gesundheitswesens werden so viele Patientinnen und Patienten zu diesem konkurrenzlosen Preis behandelt. Keine institutionelle Einrichtung kann eine vergleichbare Effizienz vorweisen. Warum das so ist, ist ganz leicht zu verstehen. Wir sind Einnahmen-Ausgaben-Rechner und vermeiden, wo immer möglich, Leerläufe. Jeder, der bei uns arbeitet, trägt aktiv zur Behandlung bei und steht in direktem Kontakt zu den Patientinnen und Patienten. Dabei nehmen wir die seit Jahren zunehmenden administrativen Mehraufwände und seit Jahrzehnten sinkende Honorare auf uns.

Es ist bisher noch keiner Standesvertretung gelungen, Honorarabschlüsse zu verhandeln, die wenigstens die Inflation abgleichen. Das ist das eigentliche Armutszeugnis der Ärztekammer. Wir installieren Elga, die E-Medikation, stellen die Abrechnung auf digital um, lassen in regelmäßigen Abständen den x-ten Roll-out der neuen E-Card-Software über uns ergehen. Dabei haben wir einen Versorgungsauftrag und müssen für akute Erkrankungen verfügbar sein. Die Diskussion über die Wartezeiten sollte bei diesem Aspekt etwas präziser geführt werden. Niemand darf abgelehnt werden, das regelt der Kassenvertrag. Wenn das passiert, soll man sich bei der Krankenkasse melden.

Ich halte somit die kassenärztliche Ordination für eine der letzten Bastionen effizienter Gesundheitsversorgung und krisenresilient. In der Pandemiezeit waren wir die einzigen durchgängig frei zugänglichen Gesundheitsdienstleister. Die institutionellen Versorger waren lange Zeit mit dem Erarbeiten von Verhaltensleitlinien beschäftigt.

Gleich privat?

Die geplante Reform wird dieses System auf mehreren Ebenen schwächen. Obwohl wir wissen, dass in allen institutionell geführten Einrichtungen ein veritabler Abrieb im System entsteht. Verwaltung, Controlling und Organisation wollen gefüttert werden. Meine Kolleginnen und Kollegen, die in Krankenanstalten arbeiten, klagen darüber, und der Ärztemangel in den Krankenhäusern ist Teil der Geschichte. Die aufgeblasene Betriebsamkeit der Verwaltungsebene und der Drang zu ständig neuen "Verbesserungen" werden zur Belastung. Dann lieber Wahlarzt.

Spital Ärzte Gehalt Gesundheit
Die Personalsituation etwa in den Wiener Spitälern ist angespannt.
Foto: Michael Gruber / EXPA / pictured

Das Wahlarztsystem ist eine Besonderheit, die es nur in Österreich gibt. Warum nicht gleich privat? Es wird verschwiegen, dass sich die Krankenkassen durch das Wahlarztsystem eklatante Honorarsummen ersparen. 80 Prozent des Kassentarifs ist nicht viel, da werden viele Rechnungen, die ein Vielfaches kosten, nicht einmal eingereicht. Die tatsächlichen Patientenfrequenzen stehen in keiner Relation zur Wahlärzteanzahl.

Leider gelingt es meiner Standesvertretung offensichtlich nicht, sich konstruktiv in die Diskussion einzubringen. Ich befürchte den üblichen Verlauf. Nach der Reform ist die Anzahl der Menschen, die schalten und verwalten, größer und die Anzahl der Menschen, die Leistung am Patienten oder an der Patientin erbringen, kleiner. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Geniestreich der Kassenreform, die neben einer neuen Superleitung alle anderen Bürosessel unberührt gelassen hat. Vielleicht sollten wir hier auch mal über Machterhalt diskutieren.

"Wer wird für mich da sein, wenn ich einmal krank bin?"

Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen um meine berufliche Zukunft. Als freiberuflich tätiger Arzt kann man nach einer Gesundheitsreform als Lückenstopfer gut verdienen. Mit ein paar Diensten lässt sich ein Monatsgehalt erreichen. Ich mache mir aber Sorgen um meine Gesundheit. Wer wird für mich da sein, wenn ich einmal krank bin? Eine Reform, die handelnde Personen auf der Straße stehen lässt, wird das Gesundheitssystem weiter aushöhlen. Auch wenn sich jetzt schon Investoren und Gesundheitsmanager die Hände reiben, am Ende wird es eines brauchen: ein Gesundheitspersonal, das motiviert ist, in den Einrichtungen und Ambulatorien zu arbeiten. (Jens Mersch, 5.12.2023)