Junge Frau mit weihnachtlichem Kopfschmuck
Obwohl es sich um kein traditionelles Fest handelt, hat Weihnachten auch in China Einzug gehalten. Besonders die junge Generation findet Freude an den Feierlichkeiten.
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Während in Island im Advent 13 Trolle die Häuser der Menschen besuchen, gehört in Finnland am 24. Dezember ein gemeinsamer Saunagang zum Programm. In Mexiko hängt man Piñatas auf, während im venezolanischen Caracas mit Rollschuhen in die Kirche gefahren wird. An ukrainischen Christbäumen finden sich künstliche Spinnennetze als Glücksbringer, und in den USA wird das Weihnachtsgurkerl gesucht. Der grüne Schmuck wird am Baum versteckt, die Finderin oder der Finder bekommt ein zusätzliches Geschenk.

"Ich finde es lustig, dass in Italien die Hexe Befana die Geschenke bringt, weil es so anders ist als unser Christkind", sagt Johann Pock. Seit 30 Jahren ist der Professor für Pastoraltheologie der Universität Wien auch als Priester tätig. Die Kombination seiner Tätigkeiten gibt ihm ein breites Wissen über Weihnachtsbräuche und deren Gemeinsamkeiten. Denn trotz aller Kontraste, die weihnachtliches Brauchtum von Land zu Land aufweist, gibt es bedeutende Parallelen. Die Botschaft ist im Grunde immer die gleiche, erklärt Pock. "In der dunklen Zeit kommt jemand, der Hoffnung und Licht bringt." Mit vielen Bräuchen ist daher Freudiges verbunden - seien es Geschenke unter dem Baum oder eine Piñata im Wohnzimmer.

Stundenlange Krippenspiele

Ein weiteres Merkmal ist das Element der Gemeinschaft: Bräuche sind nicht für Einzelpersonen gedacht, sondern stärken die Gruppenidentität. "Egal ob man an christliche Inhalte denkt oder nicht, Bräuche geben einer Gemeinschaft Stabilität und Identität", sagt Pock. Dabei kann es sich um den kollektiven Saunagang ebenso handeln wie um das gemeinsame Schmücken des Weihnachtsbaums. Auch sein liebster Weihnachtsbrauch - das gemeinsame Feiern der Kinder- und der Christmette - baut auf diese Komponente. Eine Weltregion, in der das Kollektive besonders hochgehalten wird, ist Afrika.

Markt mit Weihnachtsartikeln in Nigeria
Auf einem Markt in Nigeria werden allerlei weihnachtliche Dekorationen angeboten. Christbäume aus Plastik dürfen da nicht fehlen.
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Das Fest wird in vielen Ländern mit Begeisterung gefeiert. Zu den wichtigsten Traditionen zählt der gemeinsame Gottesdienst, zu dem Krippenspiele, Tänze und teilweise mehr als fünf verschiedene Chöre gehören. In einigen Ländern bringen die Einheimischen zudem ein Geschenk für den Abendmahlstisch in ihrer Kirche mit. Genügend Zeit für die Messe sollte man dabei in der Demokratischen Republik Kongo einplanen: Die stattfindenden Krippenspiele beginnen bei der Schöpfungsgeschichte und können Stunden in Anspruch nehmen.

Während weltweit in vielen Ländern die Christmette um Mitternacht das Ende des Festtages bedeutet und es Zeit wird, ins Bett zu gehen - auch damit etwa Santa Claus die Päckchen bringen kann -, geht die Feier nach dem Kirchengang vielerorts erst richtig los. In Gambia finden nach dem Gottesdienst Paraden statt, bei denen die Menschen tanzend mit Fanals durch die Straßen ziehen. Diese großen Laternen aus Bambus und Papier werden von Haus zu Haus getragen, um Spenden zu sammeln. In Sierra Leone begeht man die Feierlichkeiten mit farbenfrohen Maskenpartys.

Riesenparty mit Grillerei

Kirsten Rüther leitet das Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien und hat während ihrer Forschungsaufenthalte in Südafrika dort auch Weihnachten erlebt. "Viele Traditionen sind unseren sehr ähnlich, das liegt daran, dass das Christentum in der Zeit der Kolonialisierung nach Afrika kam und dadurch europäische Bräuche teils auch übernommen wurden", erzählt sie. Auch in der südlichsten Nation des Kontinents schmücken die Menschen gerne Weihnachtsbäume - die künstlichen Tannen werden mit diverser Dekoration wie Kugeln und Lametta behängt.

Weihnachtlich gekleideter Sänger
Ein junger Mann im südafrikanischen Cape Town hat sich weihnachtlich in Schale geworfen, um im Kirstenbosch National Botanical Garden Weihnachtslieder zum Besten zu geben.
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Ein bedeutender Unterschied fiel der Forscherin sofort auf: "Weihnachten ist viel mehr mit Party verbunden, es wird unter freiem Himmel gegrillt und ein großes geselliges Fest gefeiert." Anders als in vielen anderen Ländern wird der Festtag nicht im kleinen privaten Kreis begangen. Die Menschen laden gerne Kolleginnen, Freunde und Nachbarn zum kollektiven Feiern ein. Gemeinschaft und Öffentlichkeit spielen eine wesentlich größere Rolle. All jene, die Weihnachten zum Anlass nehmen, ihre Familien auf dem Land zu besuchen, unternehmen oft lange und beschwerliche Reisen mit dem Minibus, um zu ihren Angehörigen zu gelangen. Meist bleiben sie dann länger und kehren erst im Lauf des Jänners in die Städte zurück. "Ich habe mit Kolleginnen und Mitbewohnern gefeiert und das als sehr schönes Erlebnis empfunden", erinnert sich Rüther.

Tanz mit dem alten Bettler

Während man auf dem Kontinent immer wieder auch dem Weihnachtsmann begegnet, reist er anders. In Kenia wird der alte Mann mit Rauschebart häufig auf einem Kamel reitend oder auf einem Fahrrad fahrend dargestellt. Der krasseste Gegensatz zu diesem Überbringer der Geschenke findet sich wohl in Liberia. In dem westafrikanischen Land ist die wichtigste Weihnachtsfigur der alte Bettler, auch bekannt als Bayka. Er trägt eine Maske, ist in alte Kleider oder Lumpen gehüllt und stapft teils auf Stelzen durch die Straßen. Anstatt Präsente auszuteilen, bittet er selbst darum, von den Menschen beschenkt zu werden. Obwohl er als eine Art Geist gilt, ist er dennoch kein böser Charakter. Vielmehr löst sein Zug durch die Stadt Freude aus, es spielt Musik, etliche Menschen kommen, um mit Bayka zu tanzen.

Obwohl Weihnachten in Japan kein gesetzlicher Feiertag ist, wird es als großes Fest betrachtet - besonders von Familien mit Kindern und Paaren. Kinder finden am Weihnachtsmorgen Geschenke neben dem Bett, Paare verbringen das Fest ähnlich wie den Valentinstag, gehen essen und beschenken einander. Ganz speziell gestaltet sich in Japan das Weihnachtsessen: Dieses wird in der Regel bei der Fastfoodkette Kentucky Fried Chicken verspeist. Woher der in den 1970er-Jahren entstandene Brauch stammt, ist unklar. Nichtsdestotrotz bietet der Konzern spezielle Weihnachtsmenüs an, die viele Menschen Monate im Voraus bestellen.

Fastfood
Zu Weihnachten lässt man sich in Japan traditionell ein Menü der Fastfood-Kette Kentucky Fried Chicken schmecken. Am 25. Dezember sind lange Schlangen vor den Filialen kein seltener Anblick.
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Santa Haraboji in Blau

Weiter Richtung Westen ist Weihnachten ein eher kommerzielles Fest. In China werden Städte und Kaufhäuser mit Weihnachtsbäumen, Lichterketten und Ornamenten geschmückt. In jenen Haushalten, in denen der Geist der Weihnacht Einzug gehalten hat, verbreiten Plastikchristbäume, die mit Papierketten und Papierblumen geschmückt sind, festliche Stimmung. Etwas reduzierter wird in Südkorea gefeiert - zumindest was die Geschenke betrifft. In der Regel werden nur enge Freunde und Familienmitglieder beschenkt.

Geschäft für Weihnachtsdekoration
Ein Geschäft in einem Einkaufszentrum in Peking bietet eine Fülle festlicher Dekoration an. Zur Weihnachtszeit sind in chinesischen Großstädten funkelnde Lichterketten, Christbäume und Ornamente allgegenwärtig.
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Davon abgesehen ist Weihnachten mit Christbäumen, Lichterketten und opulenten Dekorationen in Schaufenstern allgegenwärtig. Der Tag ist ein gesetzlicher Feiertag, und obwohl der Großteil der Bevölkerung nicht dem christlichen Glauben angehört, hat das Fest viele Fans. Auch Andersgläubige kommen zum Gottesdienst oder ziehen umher und singen Weihnachtslieder. Mit Santa Kullusu oder Santa Haraboji - was so viel bedeutet wie Großvater - ist auch der Weihnachtsmann vertreten. Im 19. Jahrhundert war es noch üblich, die Figur in blauem Gewand darzustellen, bis sich Rot als beliebtere Farbe durchsetzte.

Indonesisches Miteinander

Martin Slama forscht am Institut für Sozialanthropologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften insbesondere zu Indonesien. Der Inselstaat ist das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. "Obwohl man es hier vielleicht nicht erwarten würde, ist Weihnachten ein absolut etabliertes Fest", erklärt er. An dem offiziellen Feiertag organisiert das Religionsministerium alljährlich die Nationale Weihnachtsfeier der Republik Indonesien. In der Regel handelt es sich um Empfänge, es gibt auch kirchliche Messen, zu denen hochrangige Polit-Persönlichkeiten geladen werden, die keineswegs alle dem Christentum angehören. Heuer findet die offizielle Feier in Surabaya in einer der größten Kirchen des Landes statt. Das Gotteshaus fasst 30.000 Menschen und auch Präsident Joko Widodo wird erwartet.

Weihnachtsbaum aus Kokosnüssen und Mais
Im indonesischen Bali errichtet ein Mann einen Weihnachtsbaum, der aus getrockneten Kokosnüssen und Mais zusammengesetzt ist.
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Daneben sind auch Kommerz und Kitsch verbreitet. Besonders in Großstädten werden Einkaufszentren mit festlichen Figuren und Weihnachtsbäumen aus Plastik dekoriert. "In Supermärkten tragen die Angestellten manchmal auch Weihnachtsmannmützen, was teilweise polemische Diskussionen auslöst", weiß Slama. Manche Strömungen des Islam sehen dieses Verkleiden kritisch, andere stoßen sich nicht daran. Zu Weihnachten setzen auch viele islamische Organisationen ein Zeichen gegenseitiger Wertschätzung. "Musliminnen und Muslime übernehmen Aufgaben im öffentlichen Bereich, etwas das Regeln des Verkehrs vor den Kirchen, die zu dieser Zeit hochfrequentiert sind", erzählt der Forscher. Damit ermöglichen sie vielerorts ein reibungsloses Fest für ihre christlichen Mitbürgerinnen und Mitbürger. (Marlene Erhart, 24.12.2023)