Das neue Rinkhy ist ein prächtiger Saal mit einer Tankladung voll Austern, netten Menschen und reichlich Fisch aus der Dose.
Das neue Rinkhy ist ein prächtiger Saal mit einer Tankladung voll Austern, netten Menschen und reichlich Fisch aus der Dose.
Gerhard Wasserbauer

Das mit der Tankladung stimmt wirklich: Andrew Rinkhy, der freundliche, Wirt gewordene Fotograf aus Kanada, hat für sein neues Lokal in der Zieglergasse (nur wenige Meter von seiner Ersthütte gleichen Namens, also Achtung auf die Hausnummer!) ein Austernbecken angeschafft, in dem sich die Muscheln zu Hundertschaften stapeln. Sieht toll aus und gibt ein gutes Gefühl, wenn die der Gischt entrissenen Tierchen auch hier, fern der flüssigen Heimat, alle paar Minuten mit einem Sprühregen meersalzigen Wiener Wassers benetzt werden. Sollen es ja nett haben – bis sie dann drankommen!

Okay, man kann diskutieren, ob unsereins zum Binnendasein Verdammte den Schluck wahrhaftigen Meerwassers, den die Austern vor ihrer Reise in die Tiefe des europäischen Ostens noch schnell in sich verschlossen haben – ob wir diesen Gruß des Ozeans nicht pur und wahrhaftig (statt buchstäblich verwässert) empfangen wollen. Noch dazu, wo sich Austern, gut gestapelt und gekühlt, ohne Sorge zwei Wochen und mehr frisch und vital halten. Aber das ist eine Geschmacksfrage, nichts, worüber man streiten wollte.

Dreierlei Austern warten im Becken, mit Preisen zwischen 18 und 21 Euro für das halbe Dutzend sind sie mehr als zivil kalkuliert. Die drei Euro mehr für die flachen Belons Nr. 3 aus der Bretagne und die tiefen, geradezu fleischig knackigen Pléiades Nr. 2 vom Qualitätshersteller Poget aus den endlosen Weiten der Austernbänke an der Seudre-Mündung südlich von Marennes-Oléron sind gut investiertes Kleingeld: Der Unterschied in Biss, geschmacklichem Nachhall und schierem Glücksschauder ist eindeutig.

Man kann je nach Geschmack aus dreierlei Austern wählen.
Man kann je nach Geschmack aus dreierlei Austern wählen.
Gerhard Wasserbauer

Mindestens so erfreulich ist, offenbar vom selben franko-iberischen Geist getragen, die Hinwendung zu den Leguminosen: Linsen, Kichererbsen, weiße Bohnen auf ein und derselben Speisekarte – vielleicht wird es, nach den gottvollen Riesenbohnen im Centrala vor ein paar Wochen und, gleich darauf, dem ganz wunderbaren Fisch mit Bohnen im Azzurro, ja doch noch was mit der Renaissance der Hülsenfrüchte in unseren Breiten? Weiße Bohnen in Safran-Krustentier-Sud, mit untergehobenen spanischen Dosenmuscheln, weisen ganz köstlich in diese Richtung: heiß, sanft und zart, umspielt von küstennahen Aromen, sehr gut. Auch die Kichererbsen in durchaus fettem Chorizofond sind geschmacklich ganz da, nur halt deutlich untergart – und das ist bei Leguminosen sogar noch ärger als bei Erdäpfeln oder Wadelgulasch. Linsen mit Orangenzeste sind dafür die perfekt mollige Unterlage für knusprig gebratene, confierte Entenkeule. Die wird im Haus ins Fett gemacht, was ein bisserl erstaunt, Entenconfit füllen unsere französischen Freunde sehr gut und viel in Dosen ab – und die sind doch ein Leitmotiv im Rinkhy.

Kopfsaftl bitte!

Wildgarnelen werden ohne Haut und Kopf aufgetragen, dafür mit süßer, mit Kren aufgemotzter Cocktailsalsa – eh gut, aber ein bissl vom selbst darübergepressten Kopfsaftl (und, vielleicht, ein Tropfen besten Olivenöls) wäre an einem atlantischen Ort wie diesem die nachhaltig feinere Würze gewesen.

Richtig gute Qualität gibt’s auch beim Paprikás vom Hendl, nach dem Rezept des aus Ungarn gebürtigen Vaters von Andrew Rinkhy: Haxl und Brust vom Biohuhn, saftig in fruchtig würziger Sauce badend und um 13,90 Euro mehr als fair kalkuliert. Eine Sättigungsbeilage gibt es dazu nach atlantischer Façon nicht – dafür ein wirklich gutes, hausgebackenes Ciabatta zum Auftunken.

Die Küche hat seit kurzem Sebastian Slavicek über, der zuvor im (nunmehr verblichenen) Poldie und im Lokal im Hof war – er bleibt aber nur für drei Monate. Danach wartet die Tochter auf den Jungvater – Karenz! Und das ist gut so. (RONDO, Severin Corti, 15.12.2023)