Ministerin Klaudia Tanner begrüßt Soldaten vor der Unterzeichnung des Vertrags mit Rheinmetall.
HBF/ Carina Karlovits

Österreichs Flugabwehr ist, um es vorsichtig zu formulieren, nicht auf dem letzten technischen Stand und besteht zum großen Teil aus tragbaren Mistral-Raketen. Herzstück der Luftverteidigung ist aber die 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanone 85 (oder ZFlAK). Dabei handelt es sich im Prinzip um dieselben Kanonen, die auch im Gepard verbaut sind, der aktuell von der Ukraine erfolgreich gegen russische Drohnen und Marschflugkörper eingesetzt wird.

Die doppelrohrige Kanone wirkt dennoch fast schon anachronistisch: Sie wird von einem Lkw gezogen und muss von Soldatinnen und Soldaten des Bundesheers direkt bedient werden. Als Leitsystem dienst das Feuerleitgerät 98, auch Skyguard genannt. Dieses stammt aus den 90er-Jahren und entspricht nicht mehr den modernen Anforderungen. Unter anderem tut sich das System schwer, Drohnen oder sehr kleine Flugobjekte zu erfassen. Aus diesem Grund bekommen die Fliegerabwehrkanonen jetzt ein High-Tech-Upgrade um 532 Millionen Euro.

Unter dem Titel Skyguard Next Generation wurde am Dienstag in Wien ein Vertrag zwischen dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall und dem Verteidigungsministerium geschlossen. In den kommenden vier Jahren soll die österreichische Fliegerabwehr modernisiert werden. Das Unternehmen spricht gar von einem der "ambitioniertesten Vorhaben in der europäischen Flugabwehr".

Das Auftrags­paket umfasst insgesamt sieben taktische Einheiten, die jeweils aus vier 35-mm-Zwillingsgeschützen bestehen, einer Multisensoreinheit zur Luftraumüberwachung, Zielerfassung, -identifikation und -verfolgung sowie dem Kommandoposten. Dabei werden 28 Geschütze des Bundesheeres aufgerüstet. Der Vertrag umfasst auch Ersatzteil­pakete, Ausbildungsleistungen und die dazugehörige 35-mm-Munition. Auch die Option zur Bestellung einer weiteren taktischen Einheit, also vier weiteren Geschützen, ist vertraglich vereinbart.

Die Oerlikon 35mm wird von 37 Nationen eingesetzt. Hier im Bild: Streitkräfte in Taiwan.
AP, Johnson Lai

Flak hat im Nahbereich der Flugabwehr einen Vorteil gegenüber Lenkwaffen: Letztere brauchen einen Mindestabstand um wirken zu können. Deshalb werden kanonenbasierte Geschütze heute noch eingesetzt. Vor allem im Ukrainekrieg haben sie sich als sehr wirkungsvoll gegen Drohnen erwiesen. Mit dem Skynex-Upgrade soll die Abwehr von Drohnen effektiver werden. "Bereits die Erfolge des heute technisch veralteten 35mm-Flakpanzers Gepard in der Ukraine unterstreichen, mit welcher Effizienz eine kanonenbasierte Flugabwehr Luftziele – besonders Marschflugkörper und Drohnen – abwehren kann und welche Bedeutung die Fähigkeit zur Nahbereichsflugabwehr heute noch hat", heißt es von Rheinmetall.

Neuer Munitionstyp

Es ist dies bereits das zweite Upgrade der Oerlikon-35-mm-Kanonen, oder besser, deren Feuerleitgeräte. Aktuell setzt Österreich die Variante GDF 005 ein, das Upgrade wird sie auf die Version GDF 009 bringen. Dieses ist mit einem deutlich moderneren Skyguard-3-Radar ausgestattet, verfügt über ein Waffeneinsatzzentrum und eben zwei Schnellfeuergeschütze. Jedes davon kann 1.000 Schuss pro Minute abfeuern. Die maximale Reichweite unter Idealbedingungen beträgt etwa 4.000 Meter. Verschossen werden künftig nicht nur panzerbrechende oder explosive Geschosse, sondern auch die noch relativ junge AHEAD-Munition.

Diese Geschoss wird mit 152 Subprojektilen geladen. Verlässt das Geschoss das Rohr, wird es durch Induktion programmiert. Und zwar wird die Mündungsgeschwindigkeit gemessen, die Entfernung zum Ziel berechnet und damit der Zünder der Munition eingestellt. Hat das Geschoss das Ziel fast erreicht, wird es durch eine sogenannte Zerlegerladung gezündet und die Subprojektile werden ausgestoßen. Diese breiten sich, ähnlich wie bei einer Schrotflinte, kegelförmig aus. Durch die hohe Schussfolge entsteht im Zielbereich eine Art Wolke aus Wolframgeschoßen. Damit soll das Ziel an möglichst vielen Punkten durchschlagen und so zerstört werden.

Die Bedienmannschaften werden noch einmal extra geschützt, sie müssen die Geschütze nun nicht mehr direkt am Gerät selbst bedienen, die neue Version der 35-mm-Flak ist durch das Upgrade nämlich fernsteuerbar. (pez, 12.12.2023)