Julia Windischbauer hildensaga Burgtheater
Julia Windischbauer hat mit 26 Jahren bereits ihren ersten, allein verantworteten Langspielfilm abgedreht. Am Akademietheater gibt sie nun ihre erste große Rolle.
Christoph Liebentritt

Wenn jemand im Alter von 26 Jahren sagt: "Ich bin voll gescheitert", dann ist noch nicht alles verloren. Dann geht es nämlich erst richtig los. Denn Julia Windischbauer hat etwas gewagt. Die Schauspielerin, neu im Ensemble des Burgtheaters, realisierte im Sommer ihren ersten Film: als Regisseurin, Produzentin, Drehbuchautorin, Cutterin und auch noch als Hauptdarstellerin. Ein Regiedebüt in Albanien. Arbeitstitel Callas, darling. Was ist schiefgelaufen? "Ich hab mich voll überschätzt. Alle haben mich gewarnt: Echt, Windischbauer, du hast einen Pascher. Aber genau so etwas triggert mich, und ich sage mir dann immer: Jetzt erst recht!"

Julia Windischbauer ist sich im Umgang mit dem Team "nicht treu geblieben", wie sie im STANDARD-Gespräch sagt, und will die entstandenen Enttäuschungen aufarbeiten. Wenn alles gutgeht, kommt der Film 2024 oder 2025 in die Kinos; er erzählt von einem durch einen gescheiterten Suizidversuch ausgelösten Autotrip zweier Frauen nach Albanien. Windischbauer hat die ganze Gage von den Salzburger Festspielen in den Dreh investiert. Richtig, auch das hat sie im Sommer 23 gemacht: die Recha in Nathan der Weise auf der Perner-Insel gespielt.

Erste Titelrolle am Burgtheater

Am Freitag nun, am Tag ihres 27. Geburtstags, gibt die 1996 in Linz geborene und in Leonding aufgewachsene Darstellerin ihre erste Titelrolle am Burgtheater und ist als Brünhild in Ferdinand Schmalz’ Nibelungen-Stoff-Neudichtung hildensaga. ein königinnendrama im Akademietheater zu sehen – neben Katharina Lorenz als Kriemhild. Jan Bosse inszeniert.

Ob die junge Schauspielerin auch in der Ära Stefan Bachmann am Haus bleiben wird, ist noch offen. Geschwindigkeit rauszunehmen gehört jedenfalls nicht zu Windischbauers Prioritäten. Offen erzählt sie von Plänen und Ideen und könnte sich in viele Richtungen gleichzeitig orientieren. Theater und Film haben vorerst aber Priorität. Alle Türen stehen ihr offen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München hat Windischbauer eine steile Laufbahn von einer 1a-Bühne zur nächsten begonnen. Von den Kammerspielen München ging es 2020 an das Deutsche Theater Berlin und von dort nun direkt an das Burgtheater in Wien. Die von vielen beklagten Pandemieeinschränkungen konnten dieser Künstlerin offenkundig nichts anhaben.

Julia Windischbauer ist unprätentiös und wechselt abseits der Bühne gern ins Oberösterreichische ("mi hot's voi hingstraat"). Die Rolle, mit der sie 2019 ihren Durchbruch feierte, hatte allerdings kaum Text, war aber dennoch eine Titelrolle: The Vacuum Cleaner. Die Verkörperung eines Staubsaugers in Toshiki Okadas Regie in München hat Windischbauer fünf Nominierungen als Nachwuchsdarstellerin eingebracht. Eine Rolle, die in ihrer Verdinglichung den depravierten Zustand eines jungen Menschen in Hochleistungsgesellschaften zum Ausdruck brachte – und die wegen ihrer körperlichen Mechanik mit Blas- und Sauggeräuschen nicht niederschmetternd, sondern heiter wirkte. Das Schwere leicht zu machen – es gelingt Julia Windischbauer.

Rüstungen ablegen

Gesang ist eines der dafür probaten Mittel, auch wenn die Schauspielerin behauptet, nicht gut singen zu können. Rhythmus ja – sie beherrscht Hackbrett wie Schlagzeug –, Töne eher nein. Das sehen ihre Arbeitgeberinnen anders. Eine siebenjährige, parallel zur Schulzeit absolvierte Musicalausbildung kann ja wohl nicht für nix gewesen sein. Das Musicalfach liegt der Akteurin aber nicht. "Da fehlt der Dreck unter den Fingernägeln", sagt sie. "Ich suche schon nach dem Dreck."

Begonnen hat aber alles mit der Laientheatergruppe des Großvaters. Den Erwachsenen dabei zuzusehen, wie sie im Pfarrheim Dornach ihre "Erwachsenenrüstungen" ablegten, hat die junge Zuschauerin nachhaltig überzeugt. "Hier kam Leichtigkeit zum Ausdruck. Und ich überlegte mir: Echt, das kann man werden?" Sie wurde es. Und es ging schnell. Neben dem Max-Ophüls-Preis in der Kategorie "Bester Schauspielnachwuchs" für den Film Para:dies (Regie: Elena Wolff) wurde ihr auch der Diagonale-Schauspielpreis zugesprochen. Windischbauers Zutrauen ist gewachsen. Heute sagt sie: "Gehst halt auf die Bühne und sagst deine Sätze. Die Figur ist eh in dir!" (Margarete Affenzeller, 13.12.2023)