Alle drei Jahre wieder kommt … genau, eine neue Pisa-Studie. Und alle drei Jahre sticht ein Befund der internationalen Studie besonders heraus: Die Chancengleichheit ist laut der Erhebung in Österreich besonders gering ausgeprägt. Wer in der Schule wie gut abschneidet, hängt bei uns besonders stark von der Herkunft ab. Einerseits ist damit die soziale Herkunft gemeint, also das Bildungsniveau und damit das Einkommen der Eltern, andererseits der Migrationshintergrund. Wenn beide Eltern im Ausland geboren sind, hat man in Österreich besonders schlechte Chancen, schlechtere als in anderen OECD-Staaten.

Laut Pisa-Studie der OECD hängt der Schulerfolg immer noch stark von der Herkunft ab
Laut Pisa-Studie der OECD hängt der Schulerfolg immer noch stark von der Herkunft ab.
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Integrationsprobleme?

Während über die Ungerechtigkeit aufgrund der sozialen Herkunft selten diskutiert wird, ist der Befund, dass Kinder mit Migrationshintergrund besonders schlecht abschneiden, ein großer Aufreger. Endlich wieder mal eine Gelegenheit, über "Integrationsprobleme" zu reden. Und so, wie das Integrationskonzept in Österreich nur allzu oft verstanden wird, nämlich als Einbahnstraße, so schaut man bei der Analyse des Problems auch nur in eine Richtung. Der Diskurs sieht dann, verkürzt, immer gleich aus: Mangelnde Sprachkenntnisse der Kinder seien schuld an ihrem schlechten Abschneiden, kein Wunder, sie sprechen ja in den Familien vor allem ihre Herkunftssprache. Die Migranteneltern haben kein Interesse am schulischen Erfolg der Kinder, es ist also klar, dass sie sich nicht einbringen und ihren Nachwuchs nicht motivieren. Es sei alles ein Integrationsproblem, also ein Problem der anderen.

Schlechte Migranten

Auch den Umstand, dass in vergleichbaren OECD-Staaten Migrantenkinder nicht abgehängt werden, lassen wir uns natürlich umhängen: Kanada und andere Länder haben eben andere Migranten, offensichtlich die "besseren".

Diese Art der Analyse bringt uns keinen Schritt weiter. Wenn wir größere Chancengleichheit herstellen wollen, und das ist es, was man einer demokratischen Gesellschaft unterstellen darf, dann muss eine mutige Reform und ein Umdenken her. Wir wissen längst, dass unser Bildungssystem den Klassismus, also die Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft, befeuert. Davon sind alle Kinder aus Arbeiterfamilien betroffen, ungeachtet ihres Migrationshintergrunds. Kinder, deren Eltern nicht bei Hausaufgaben helfen und teure Nachhilfestunden zahlen können, werden abgehängt. Unsere Lehrer und Lehrerinnen werden noch immer lediglich für das Unterrichten der sprichwörtlichen Musterschüler ausgebildet: Kinder mit perfekten Deutschkenntnissen, Kinder aus Familien mit reichlich vorhanden sozialen Ressourcen, Kinder, die funktionieren.

Untertanenmentalität

Im Vergleich zum Pisa-Test 2018 ist die soziale Schere vor allem in Naturwissenschaft und Lesen weiter aufgegangen, sagt die neueste Pisa-Studie. Für mich heißt das vor allem, dass Österreich als Wirtschafts- und Forschungsstandort bald ein großes Problem hat. Wir lassen viele Talente brachliegen. Sie werden in einem diskriminierenden, überforderten und veralteten Bildungssystem unsichtbar gemacht.

Die schlechten Pisa-Ergebnisse sind nicht das Problem der Arbeiter- und Migrantenkinder, sie sind unser großes Zukunftsproblem. Anstatt uns in populistischen Schuldzuweisungen zu verlieren, könnten wir auch darüber nachdenken, wieso ausgerechnet Österreich so schlecht abschneidet, wenn es um soziale Mobilität geht. Kriegen wir tatsächlich im Unterschied zu den anderen OECD-Ländern nur die "schlechteren" Migranten, oder versäumen wir seit Jahrzehnten die notwendigen Bildungsreformen? Sind Kinder aus Arbeiterfamilien faul und haben Eltern, die sie ungeachtet des Talents nicht an die Universitäten schicken wollen, oder herrscht in Österreich unterschwellig noch immer diese Untertanenmentalität, die einen jeden und einen jede dort hält, wo er oder sie vermeintlich hingehört? (Olivera Stajić, 14.12.2023)