Vergrößerung von schwarzen Steinchen
Bei näherer Betrachtung sind weiße Teile im schwarzen Asteroidenstaub erkennbar, wie diese stereoskopischen Bilder zeigen.
Erika Blumenfeld, Joseph Abersold / Brian May, Claudia Manzoni

Im Spätsommer 2023 landete eine ungewöhnliche Asteroidenprobe auf der Erde. Üblicherweise kommt ein Asteroid – oder ein kleinerer Meteoroid – auf der Erde als "Meteorit" an, wenn er die heiße Reise durch die Erdatmosphäre überstanden hat und danach noch etwas von ihm übrig ist. Diesmal handelte es sich jedoch um einen der seltenen Fälle, bei denen ein Weltraumgefährt weit entfernt von der Erde eine Probe eines Asteroiden entnommen hatte, um sie möglichst unbeschadet zur Erde zu schicken. Die Rede ist von schwarzem Staub und anderen kleinen Fragmenten des Asteroiden Bennu, der in einer Art silberner Salatschüssel per Fallschirm in der Wüste von Utah aufsetzte.

Schwarzer Behälter in Landschaft
Die "Salatschüssel" mit der Asteroidenprobe in der Wüste Utahs.
NASA/Keegan Barber

Ohne die massiven Beeinträchtigungen der Probe durch den Absturz auf die Erde sieht das Gesteinsmaterial freilich anders aus. Vor allem organisches Material wird dadurch stark beeinträchtigt. Fachleute können aus der direkten Probe neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung der riesigen Felsbrocken im All gewinnen und darüber, wie sie und das Sonnensystem entstanden sind. Mit der "Osiris Rex"-Mission der US-Weltraumorganisation Nasa gelang erst zum dritten Mal überhaupt die Bergung einer solchen Probe. Erste Ergebnisse wurden im Oktober präsentiert: Mit Wassermolekülen, Schwefel und Kohlenstoff wurden potenzielle "Bausteine des Lebens" aufgespürt. Weitere Ergebnisse wurden in dieser Woche bei einem Treffen der Amerikanischen Gemeinschaft für Geophysik (AGU) vorgestellt.

Wie am Tatort eines Mordes

Bei den 70 Gramm Schotter und Steinchen handle es sich um die größte unberührte Probe eines solchen Asteroidenmaterials, die es auf der Erde gibt, sagte der leitende Planetenwissenschafter der Mission, Dante Lauretta von der Universität Arizona. Die Reinheit hebt auch Ludovic Ferrière hervor, Kurator der Meteoritensammlung des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien, der nicht an der Analyse beteiligt war: Bei solchen Unterfangen sei es besonders wichtig und herausfordernd, das Material vor jeder Verunreinigung zu schützen.

"Wenn man sich solche Proben ansieht, ist das so, als ob man am Tatort ankommt, kurz nachdem das Opfer ermordet wurde: Das Blut ist noch warm, alle Elemente des Tatorts sind vorhanden", sagt Ferrière. Im Gegensatz zu den von Asteroiden eingesammelten Proben sei es beim Fund von Meteoriten hingegen, als ob man erst Tage später auf die Leiche stößt und sich bereits Würmer über sie hergemacht haben.

Vier Forschende in weißen Anzügen stehen in einem Reinraum um den Behälter mit Asteroidenstaub herum
Fachleute im Reinraum mit dem Behälter, den die Sonde bei der Osiris-Rex-Mission zur Erde schickte.
NASA/Keegan Barber

Was die Analysen zeigten: Die Fachleute wiesen einfache ringförmige Kohlenwasserstoffe wie Benzol nach. Nicht entdeckt wurden bisher Aminosäuren oder andere komplexe organische Moleküle. Astrobiologisch lässt sich vermuten, dass die Entwicklung von Leben auf der Erde durch Einschläge von Asteroiden (beziehungsweise Meteoriten) auf die junge Erde begünstigt wurde. Dabei könnten auch kleine Mengen geholfen haben, die den Sturzflug durch die Atmosphäre unbeschadet überstanden. Immerhin müssten die Verbindungen ebenfalls mittels natürlicher Einschläge auf dem Planeten gelandet sein.

Elementare Erkenntnisse

Zu den wichtigsten Ergebnissen der vorläufigen Analysen zählt die chemische Zusammensetzung der Körner. Diese sei dem Verhältnis der Elemente in der Sonne sehr ähnlich. So könnte es generell zu Beginn unseres Sonnensystems in der Planetenscheibe ausgesehen haben, vermuten die Fachleute.

Dies ist keine völlig neue Erkenntnis, wie auch Ferrière betont. Schon 2020 gelang es bei einer japanischen Mission zum Asteroiden Ryugu, Proben zur Erde zu schicken, die eine vergleichbare Signatur der Elemente zeigen. "Sehr ähnliches Material gibt es bereits in Meteoritensammlungen", sagt Ferrière, auch in der weltweit größten Meteoritenausstellung, dem Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums. Dazu gehören die Bruchstücke des Orgueil-Meteoriten, der 1864 im Süden Frankreichs mit einer Masse von 14 Kilogramm auf der Erde landete.

Rätselhafter weißer Stoff

Die Tatsache, dass eine ähnliche Zusammensetzung für die Bennu-Proben nachgewiesen wurde, ist dennoch wichtig: Mehrere Proben sorgen für eine große Sicherheit, wie die Elementsignatur aussah. Begeistert zeigte sich Dante Lauretta davon, wie dunkel der extraterrestrische Staub ist: "Es ist einfach schwarz, es scheint alle Photonen zu absorbieren", wird er im Magazin "Science" zitiert. Das mache bereits klar, dass er besonders viel Kohlenstoff enthält, etwa bis zu fünf Prozent der Probenmasse.

Vom schwarzen Material heben sich hingegen Spuren weißen, glitzernden Stoffs ab, die auf größeren Fragmenten auftauchen. Zwar handelt es sich dabei wohl nicht um Teile der meterlangen Adern aus weißen Mineralien, die sich offenbar auf dem Asteroiden Bennu befinden. Doch statt erwarteter Bestandteile wie Kalk stießen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf hohe Werte an Magnesium, Natrium und Phosphaten sowie Spuren von Kohlenstoff und organischen Molekülen. Die weiße Substanz bilde unter dem Elektronenmikroskop eine Art Kruste um andere Teile herum.

"Ich untersuche Meteoriten schon seit langem und bin noch nie auf so etwas gestoßen", sagt Lauretta. Auch Astrobiologin Barbara Sherwood-Lollar von der Universität Toronto ist von der weißen Kruste angetan: "Es ist sehr, sehr aufregend, dieses Material zu sehen." Bei einer Meteoritenprobe wäre sie auf dem Weg durch die Atmosphäre wohl zerstört worden, sagt sie.

Ausgekratzt

Ferrière ist vorsichtiger. "Das geborgene Material ist nicht so überraschend, wie diejenigen, die an der Mission beteiligt waren, behaupten", sagt der Geologe. Es sei freilich eine spezielle Probe, weil sie unkontaminiert ist, doch kohlenstoffhaltige Meteoriten wiesen ähnliche Analyseergebnisse auf wie der schwarze Staub. Hinsichtlich der "mysteriösen Kruste" müssten detaillierte Untersuchungen bestätigen, worum es sich dabei handeln könne.

Menschen in blau-weißen Anzügen stehen um einen Glaskasten herum
Die Entnahme der Proben aus dem Behältnis stellte sich als schwieriger heraus als gedacht.
Nasa/Robert Markowitz

Weitere Daten dürfte das Material liefern, das sich noch immer im Behälter befindet und das erst im kommenden Jahr herausgenommen wird. Dabei dürfte es sich um weitere 30 bis 70 Gramm Asteroidenstoff handeln, die Menge an schwarzem Gestein könnte sich also verdoppeln. Bereits bei der Entnahme der ersten Probe kamen Schwierigkeiten auf, denn zwei Schrauben hatten sich verklemmt. Weil im Reinraum nicht jedes Werkzeug benutzt werden darf, hätte eigens ein Schraubendreher gebaut werden müssen, der nicht aus Karbonstahl besteht – immerhin könnte der Kohlenstoff des Objekts die Probe verunreinigen. Doch es gelang den Technikern, eine Klappe mit einem Spatel offen zu halten und einen Großteil des Materials mit einer Pinzette herauszukratzen.

Neue Horizonte

Während dies geschehen ist, hat sich übrigens eine Raumsonde namens Psyche auf den Weg zu einem gleichnamigen Asteroiden gemacht. Sie startete im Oktober und soll den äußerst metallreichen Himmelskörper frühestens 2029 erreichen. Dann steuert auch die Sonde der Mission Osiris Rex ein neues Ziel an: Asteroid Apophis wird sich der Erde im April 2029 auf nur 32.000 Kilometer Entfernung nähern, also näher sein als manch ein Satellit. Die Sonde – nun auf Mission "Osiris Apex" – soll Apophis sehr nahe kommen, loses Gestein und Staub aufwirbeln und mehr über das Material des Asteroiden mit einem Durchmesser von 200 bis 250 Metern erfahren. Er soll auch 2036 und 2068 nah an der Erde vorbeifliegen. Doch bei all diesen Begegnungen mit Apophis wird eine Kollision aktuellen Berechnungen zufolge ausgeschlossen – zumindest für das 21. Jahrhundert. (Julia Sica, 15.12.2023)