Die Jungfrau Maria, das Jesu-Kind und Josef.
Die heilige Familie. Aber halt: Das war ja nur eine Geburt.
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Kürzlich kam es im Nationalrat zu einem seltsamen Wettstreit. Bei einer Debatte am 13. Dezember rechneten sich dort tatsächlich Politiker:innen gegenseitig vor, wie hoch die Geburtenraten in ihren und anderen Parteien seien. Jene, die sich an diesem Vergleich beteiligten, waren sich einig: Je höher, umso besser.

Den Anstoß zu diesem absurden Wortwechsel gab die passionierte Abtreibungsgegnerin Gudrun Kugler von der ÖVP, die sich etwa regelmäßig den katholischen "Lebensschützern" beim jährlichen Anti-Abtreibungs-Event "Marsch des Lebens" anschließt.

Nun drückt sie ihre Sorge, dass Frauen zu wenig Kinder bekommen, auf einem anderen Weg aus und rechnete für jede Partei im Parlament die Geburtenrate aus. Bettina Zopf (ÖVP) präsentierte Kuglers kleine Erhebung schließlich im Parlament: Die ÖVP habe eine Geburtenrate von 2,05. "Tendenz steigend", schiebt Zopf stolz hinterher und wünscht "auf diesem Weg" zwei schwangeren Kolleginnen im Parlament auch gleich alles Gute. Die Grünen hätten eine Geburtenrate von 1,15, und Zopf hält auch noch den Österreichschnitt zum Vergleich parat: 1,41.

Doch "eindeutiger Sieger" in Sachen "Familienpartei" ist die FPÖ, stellt der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Peter Wurm klar. Eine Geburtenrate von 2,4 habe die FPÖ, sagt Wurm stolz. Und: "Wir arbeiten wöchentlich daran, das zu verbessern." Wie witzig.

Worüber einige Nationalratsabgeordnete herzlich lachen, ist allerdings ein diskursiver Tiefpunkt. Was wollen die Beteiligten des Geburtenrate-Rankings damit aussagen? Dass "ihre" Frauen brav Kinder kriegen? Dass ÖVP- und FPÖ-Frauen ihrer natürlichen Bestimmung nachkommen? Dass keine Kinder zu bekommen verdächtig ist? Dass die Grünen familienfeindlich oder so etwas in der Art wären?

Jedenfalls zeugt das Zählen von Geburten von einem verqueren Denken darüber, was eine "Familienpartei" ist. Denn gerade der "Sieger" hält an althergebrachten Familienkonstellationen und an konservativen Bildern von Familie fest. Sie – und auch die ÖVP – will bloß keine Familienpolitik, die mit gesetzlichen Rahmenbedingungen eine fairere Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit bringen könnte. Mit der hohen Teilzeitrate von Frauen, dem Gender-Pension-Gap und dem größeren Anteil von unentgeltlicher Familienarbeit ist es keiner zu verübeln, keine Kinder haben zu wollen.

An den geschlechterspezifischen Schieflagen beim Kinderhaben hat sich noch viel zu wenig geändert. Männer sich noch immer stärker in der öffentlichen und Frauen in der privaten Sphäre anzutreffen. Die Politik ist hierfür das beste Beispiel.

Dieser Zusammenhang liegt gerade bei der FPÖ so offensichtlich auf der Hand: Angesichts ihres Frauenanteils im Nationalrat von mickrigen 13,33 Prozent müsste es ihr eigentlich peinlich sein, mit einer hohen Geburtenrate anzugeben. Denn offenbar haben diese Kinder vorwiegend die Frauen – während die FPÖ-Männer im Nationalrat mit ihrer Kinderquote angeben.

Und wer keine will?

Mit 38,03 Prozent braucht auch die ÖVP nicht besonders stolz auf ihren Frauenanteil im Nationalrat zu sein. Zeigen lässt sich hingegen der der Grünen mit 61,54 Prozent. Bei den Grünen sind bekanntlich auch deutlich mehr offen queere Menschen als bei der ÖVP oder der FPÖ. Auch deshalb ist das Aufzählen von Geburten schäbig. Schwule Männer können mit "Geburten" nicht dienen, für lesbische Frauen ist künstliche Befruchtung in Österreich erst seit 2015 erlaubt, für alleinstehende Frauen ist sie nach wie vor verboten. Und die so wichtige Pflegeelternschaft kommt wohl in Kuglers Geburtenrate auch nicht vor. Jene Menschen, die sich um ein Kind kümmern, das bei seinen biologischen Eltern nicht bleiben kann. Diese Eltern zählen offenbar nicht. Deshalb nein: Parteien, für die das nicht zählt, Parteien, die nicht an vorderster Front stehen, um den Väteranteil bei den Karenzen zu erhöhen oder die nicht für eine Umverteilung der Familienarbeit kämpfen – das sind keine Familienparteien.

Und abgesehen davon: Frauen, die keine Kinder wollen? Paare, die keine Kinder wollen? Die sollte es für Parteien, die sich mit ihrer Geburtenrate brüsten, wohl auch nicht geben. (Beate Hausbichler, 14.12.2023)