Angewandte
Am Donnerstag wurde an der Universität für angewandte Kunst in Wien eine Free-Palestine-Kundgebung abgehalten, die nicht von der Uni genehmigt worden war, heißt es auf Anfrage.
IMAGO/Volker Preußer

Ein von der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innenschaft auf X (vormals Twitter) veröffentlichtes Video sorgt für Kritik. Der etwa einminütige Handymitschnitt zeigt eine Free-Palestine-Kundgebung, die am Donnerstag im Foyer der Universität für angewandte Kunst in Wien abgehalten und bei der der Angriff der Hamas auf Israel dem Vernehmen nach geleugnet wurde. Die Rednerin fordert dazu auf, das Massaker des 7. Oktober nicht mehr zu erwähnen. "Es gab keine Gewalt!", ruft sie in dem Video ins Mikrofon.

Nach nur wenigen Sekunden wird die Person, die das filmt, allerdings von Teilnehmenden aufgefordert, das Filmen zu stoppen, und an weiteren Aufnahmen gehindert. Es sei eine öffentliche Veranstaltung an einem öffentlichen Ort, rechtfertigt die Person die Aufnahme mit dem Handy. Es handle sich um einen "politisch sensiblen Event", entgegnet einer der Teilnehmer. Mehrere Stimmen skandieren, die filmende Person solle die Kundgebung sofort verlassen. Dann kommt es zu einer Diskussion und mutmaßlich kurzen Handgreiflichkeiten – bis das Video endet.

Israelitische Kultusgemeinde entsetzt

Auf X wurde das Video mehrmals geteilt, darunter auch vom ÖRR-Antisemitismus-Watch-Blog. Dieser schreibt, dass Österreich Deutschland in nichts nachstehe, wenn es um Antisemitismus gehe, und nimmt damit Bezug auf ähnliche Veranstaltungen an deutschen Universitäten. Die Jüdische österreichische Hochschüler:innenschaft schrieb: "Universitäten sind für jüdische Studierende momentan kein sicherer Ort." Der ORF-Journalist Armin Wolf postete ein Statement der Angewandten von Mitte Oktober, in dem diese den Angriff der Hamas scharf verurteilte – und forderte, wie viele andere, eine baldige Reaktion des Rektorats.

Wie die "Krone" berichtet, zeigt sich die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) entsetzt. "In der Angewandten wurde offen antisemitischer Terror und Massenmord glorifiziert. Das Resultat dieser Hetze ist, dass jüdische Studierende, die diesen Skandal dokumentieren, angegriffen werden. Universitäten dürfen dieser Hetze keine Bühne bieten. Die Dynamik ist brandgefährlich, und alle, insbesondere die Uni-Leitungen, sind aufgerufen, wirksame Maßnahmen zu setzen", sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch der "Krone".

Auch Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) äußerte sich zu dem Thema: "Extremismus und Antisemitismus haben in unseren Schulen und Universitäten keinen Platz! Es gilt in Österreich die Freiheit der Wissenschaft, aber null Toleranz für Extremismus und Israel-Hass. Ich verurteile daher jegliche Aktivitäten und Kundgebungen, die Terror verharmlosen, Hass schüren und Menschen verunglimpfen aufs Schärfste. Als österreichische Bundesregierung gilt unsere volle Solidarität Israel. Selbstverständlich bin ich diesbezüglich im Kontakt mit den Rektorinnen und Rektoren der Universitäten und entsprechenden Leitungsgremien der Fachhochschulen. Für uns alle ist klar, dass wir jeden Einzelfall von Antisemitismus und Extremismus nicht akzeptieren und mit voller Konsequenz verfolgen."

"Völlig inakzeptabel"

Auf STANDARD-Anfrage gibt man seitens der Universität für angewandte Kunst an, dass es sich bei der Kundgebung um keine Veranstaltung der Uni gehandelt habe. Diese sei weder von der Angewandten genehmigt noch von ihr unterstützt worden. "Laut Auskunft des Versammlungsreferats der LPD Wien war eine Demonstration mit dem Titel 'Protest von Studierenden gegen die Universitätspolitik' vor der Universität angemeldet worden, deren Veranstalter:innen sich im Vorfeld der Demonstration den Eingangsbereich der Universität zu eigen gemacht haben", heißt es. Die im Video getätigten Aussagen seien "völlig inakzeptabel". Die Verurteilung des Angriffs der Hamas auf Israel vonseiten des Rektorats gelte unverändert. Öffentlich hat die Kunstuniversität allerdings noch nicht auf das Video reagiert.

Zuletzt kam es an mehreren Hochschulen in Europa und den USA zu antisemitischen Vorfällen, bei denen jüdische Studierende mit judenfeindlichen Aussagen konfrontiert wurden. In den vergangenen Monaten häuften sich auch in Österreich Angriffe an öffentlichen Orten. In Wien sperrten Unbekannte am Donnerstag die Shoah-Namensgedenkmauer vor der Oesterreichischen Nationalbank. Auf einem dort angebrachten Schild wurden die Opfer der Shoah mit jenen des Nahostkonflikts gleichgesetzt. Die Sperre wurde von der Polizei entfernt, man erstattete Anzeige. (red, 15.12.2023)