Für das Neujahrskonzertballett des ORF hat die Designerin Susanne Bisovsky zwei Tanzeinlagen ausgestattet – eine in Bad Ischl, die andere auf der Rosenburg.
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Am 1. Jänner ist es wieder so weit. Das Neujahrskonzert wird übertragen – und mit ihm zwei vorab produzierte Tanzeinlagen. Diesmal wurden sie von der in Wien lebenden Modedesignerin Susanne Bisovsky ausgestattet. Für die Dreharbeiten an den beiden Standorten Bad Ischl und auf der Rosenburg hat Bisovsky zwei Frauen und einen Mann bzw. fünf Paare eingekleidet.

STANDARD: Welche Erinnerungen haben Sie ans Neujahrskonzert?

Bisovsky: Ich habe die Fernsehübertragung schon als Kind als Großereignis verstanden. Man ist in der Früh zusammengesessen, mein Vater hat das Konzert jedes Jahr aufgezeichnet. Ich habe mich damals aber schon gefragt, wer sich das jemals rückwirkend ansehen wird. Mit den Kostümen wird für mich jedenfalls eine Art Jungmädchentraum wahr.

STANDARD: Was sind die Herausforderungen bei Kostümen fürs Ballett?

Bisovsky: Tänzerinnen und Tänzer auszustatten ist eine viel größere textile Herausforderung als eine Opernproduktion. Man muss sich immer vor Augen führen, was die Protagonisten in den Kostümen leisten. Die Tänzerinnen und Tänzer landen mit dem Bein neben dem Ohrwaschel, der Tüllrock soll sich in graziöser Art zum Boden zurückentwickeln. Die Schwerkraft hilft mir, aber die Bewegungen sind oft herausfordernd. Gleichzeitig macht es mir auch Spaß, mich modisch einzuschränken – ich komme besser auf den Punkt.

STANDARD: Sie machen vorab einen Praxistest?

Bisovsky: Der Praxistest ist die Anprobe. Dann wird gesagt, wo es am Hintern zwickt oder ob der Body zu kurz ist. Weil das Fernsehereignis weltweit übertragen wird, muss alles Mögliche beachtet werden. Die Höschen sollten alles abdecken. Jede Aufregung um die Kostüme wird vermieden.

Das Sisi-Kostüm, versehen mit tausenden Swarovskisteinen.
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STANDARD: Welches Kleidungsstück hat die größten Probleme bereitet?

Bisovsky: Das Kostüm der älteren Sisi, die sich in ein Korsett eingezwängt von der Kaiservilla in das Marmorschlössl in ein junges, freies Wesen hinüberträumt. Erst war geplant, dass sie in dem Korsett nur sitzt. Dann sollte sie auch tanzen – darauf mit dem Kostüm einzugehen, war dann nicht so leicht.

STANDARD: Was ist Ihr liebstes Ballett-Accessoire?

Bisovsky: Das anrüchigste und g'schamigste natürlich (lacht), das Suspensorium, liebevoll auch "Susi" genannt. Dabei handelt es sich um eine Art Schale, eine Schamkapsel, die wie ein Tanga angezogen wird, damit unter der Strumpfhose alles richtig sitzt. Man könnte auch sagen, "Susi" egalisiert diese heikle Zone. Und während der Anproben war es ein Running Gag, ob Mann "Susi" schon anhat oder nicht. Aber die Tänzer sind Profis und extrem nette Haudegen.

Brendan Saye, Zsolt Török und Masayu Kimoto in Kostümen von Susanne Bisovsky für das ORF-Neujahrskonzertballett 2024.
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STANDARD: Wie schafft man den Spagat zwischen eigener Design-Handschrift und balletttauglichem Kostüm?

Bisovsky: In den Vorbesprechungen wurde erst einmal geklärt, was an Mustern und Materialien geht und was nicht. Der Kameramann beispielsweise hat mir vorgeführt, dass die Kamera Glitzer und dreidimensionale Stickereien liebt. Auch wenn das sehr klischeehaft klingt, alles andere stinkt dagegen ab. Der Choreograf wiederum wollte Fesseln, Hälse, Handgelenke, dafür keine Häubchen sehen. Ich hab beschlossen, mich dem zu ergeben.

Letzte Vorbereitungen hinter den Kulissen: Michael Beyer inszenierte die Choreografie von Davide Bombana in Kostümen von Susanne Bisovsky (rechts).
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STANDARD: Von welchen Dingen mussten Sie sich trennen?

Bisovsky: Die Häubchen wären mir wichtig gewesen. Bei ihnen musste ich einen Abstrich machen. Offensichtlich wirkte bei den Kollegen noch ein Badehaubentrauma aus einer Inszenierung der Siebzigerjahre nach. Bei einem solchen Großprojekt muss man Kompromisse machen.

STANDARD: Sie haben in der Vergangenheit bereits für das Staatsballett entworfen. Haben Ihnen Ihre Erfahrungen geholfen?

Bisovsky: Sicher. Während meiner ersten Zusammenarbeit mit dem Ballett musste ich mich an die Vielfalt der Körper gewöhnen. Anfangs dachte ich, die Tänzerinnen und Tänzer hätten wie Stewardessen ähnliche Körpermaße. Aber jeder und jede ist ein Individuum. Da gilt es, unterschiedliche Proportionen auszugleichen.

STANDARD: Sind Frauen oder Männer die größere Herausforderung?

Bisovsky: Das hält sich die Waage. Die Frauen haben optisch das Sagen. Die Männer dürfen in Pailletten und Plastrons glänzen und glitzern, müssen aber in Schwarz einen Schritt zurücktreten. Wenn die Männer auch wie Pfauen herumhüpfen, wird's zu viel. Die einfachen, körpernahen Kostüme sind fast die größere Herausforderung. Da darf keine Falte entstehen, auch wenn sich die Tänzer auf dem Boden wälzen.

Die Frauen haben optisch das Sagen, erklärt Susanne Bisovsky.
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STANDARD: Haben die Tänzerinnen und Tänzer Wünsche geäußert?

Bisovsky: Sie waren recht begeistert. Den Männern ist am wichtigsten, dass sie ihre Muckis zeigen können. Sie trainieren sich vorher noch im Fitnessstudio auf. Solange sie stretchüberzogene Muskeln zeigen dürfen, sind sie zufrieden. Mit einem Tutu hätten sie sich wahrscheinlich schwerer getan.

STANDARD: Ihr Lieblingsoutfit?

Bisovsky: Da mag ich mich nicht festlegen. Das Sisi-Kostüm hat mich allerdings stark beschäftigt mit seinen tausenden Swarovski-Steinchen. Man hätte die Kostüme natürlich ganz modern denken und den Tänzerinnen eine Schärpe umwickeln können. Auch das hätte an den perfekten Körpern der Tänzerinnen gut ausgesehen. Aber dann plagt man sich mit den Unpässlichkeiten der Involvierten. Ich habe die Kostüme wie ein tschechisches Märchen der Siebzigerjahre kreiert. In Zeiten wie diesen wollte ich Schönes erschaffen und mich nicht von der momentanen Tristesse beeindrucken lassen.

(Anne Feldkamp, 31.12.2023)