Es war eine dreifache Premiere, als sich im Frühling 2022 drei Männerhände auf Angelikas Kopf senkten. Die Hände eines Bischofs und zweier weiterer Geistlicher, die ihre Einsetzung als neue evangelische Pfarrerin in Malmkrog und für zehn weitere Gemeinden bestätigten.

Malmkrog, das auf Rumänisch Mălâncrav heißt, liegt in einem Seitenarm des Lassler Tals (Laslea), mitten in Rumänien, mitten in Siebenbürgen, und doch irgendwie am Ende einer Welt. Hier gibt es eine steinalte deutsche Kirchenburg und ein ungarisches Herrenhaus, das mit dem Spielfilm "Malmkrog" des rumänischen Regisseurs Cristi Puiu international bekannt wurde. (Aber sonst nicht viel mit Malmkrog zu tun hat.) Die evangelische Gemeinde hier gilt mit über hundert Mitgliedern noch als eine der größten.

Innen- und Außenansichten des Apafi-Schlosses im Trailer zum Film "Malmkrog" von Cristi Puiu.

Die erste Premiere bestand darin, dass es die erste Ordination war, die jemals in Malmkrog stattgefunden hat. Denn früher, als die Evangelische Kirche hier noch viele Tausende Mitglieder hatte, erfolgte die Aufnahme in den geistlichen Dienst in der Regel am Bischofssitz in Hermannstadt (Sibiu).

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als die Gemeinden wegen der Auswanderung der Rumäniendeutschen noch radikaler schrumpften als zuvor, entschloss man sich, die Ordinationen nach Möglichkeit vor Ort durchzuführen. Gesten des Zusammenrückens waren in jener Zeit, als sich eine ganze Lebenswelt aufzulösen schien, besonders wichtig.

Zeichen der Öffnung

Die zweite Premiere bestand in dem Umstand, dass mit Angelika auch zum ersten Mal eine Frau in Malmkrog ordiniert wurde. Keine Premiere für die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien, aber auch noch nichts völlig Gewöhnliches. Erst kurz vor der (letzten) Jahrtausendwende war erstmals eine Frau in den geistlichen Dienst aufgenommen worden. Damals ein Zeichen der Öffnung, gewiss aber auch eine Maßnahme, um mit der radikalen Schrumpfung der Kirche zurechtzukommen, als innerhalb weniger Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs viele Tausende Kirchenmitglieder Richtung Westen auswanderten.

Drei Männer halten in Kirche ihre Hände über den Kopf einer Pfarrerin
Ordination der neuen Pfarrerin in Malmkrog im April 2022 (von links: Pfarrer Dietrich Galter (Neppendorf/Turnișor), Bischof Reinhart Guib, Pfarrer Joachim Lorenz (Kronstadt/Brașov), vorne Neo-Pfarrerin Angelika Beer).
Stefan Bichler

Es war kein Zufall, dass diese Kirche nach dem Ende des autoritären, atheistischen Ceaușescu-Regimes einen Weg der Öffnung beschritt, anstatt sich in einer Art Notwehrreaktion völlig abzukapseln. Der ab 1990 amtierende Bischof Christoph Klein war zum einen gut vernetzt in der internationalen evangelischen Kirchengemeinschaft, kannte die Diskurse und Entwicklungen auf der ganzen Welt, wusste aber auch, was er seinen Leuten in Rumänien zumuten konnte.

Zudem spielte die Ökumene, trotz aller Hindernisse, auch schon in der kommunistischen Zeit eine wichtige Rolle. Insbesondere für eine Minderheitenkirche. So konnte beispielsweise 1970 die Präsidiumssitzung der Konferenz Europäischer Kirchen in Siebenbürgen stattfinden.

Frauen am Theologischen Institut

Zum anderen hatte Christoph Klein noch die Zeit erlebt, als am Hermannstädter "Vereinigten Theologischen Institut mit Universitätsrang der protestantischen Kirchen in Rumänien" auch Frauen studieren konnten, die später ein Pfarramt übernehmen wollten. Bis die Frauenordination 1959 von den staatlichen Behörden untersagt wurde.

Unter Christoph Kleins Studienkollegen und Studienkolleginnen an der Theologie war damals auch seine spätere Ehefrau Marlene. Das Vikariat, den kirchlichen Vorbereitungsdienst, hatte sie bereits absolviert, als die Hiobsbotschaft aus dem Kultusdepartment des Kulturministeriums einlangte, dass ihr und ihren Kommilitoninnen die Teilnahme an der entscheidenden Pfarramtsprüfung verwehrt bleiben sollte.

So wurde sie Pfarrfrau – eine Aufgabe, die in ihrer Vielfalt und Tragweite keinesfalls zu unterschätzen ist. Später sollte Marlene Klein auch wieder seelsorglich aktiv werden. Ihr Wirken unterschied sich dabei in vielen Aspekten kaum von dem eines ordinierten Pfarrers. Die Chance auf ein offizielles Pfarramt blieb ihr jedoch verwehrt. Denn als Bischof Christoph Klein in den Neunzigerjahren die Frauenordination einführte, war Marlene bereits verstorben.

Die Landlerinnen-Premiere

Heute gibt es in der Evangelischen Kirche in Rumänien nur mehr wenige Kritiker am weiblichen Pfarramt, auch wenn sich ab und zu der Stein eines Kollegen im Weg findet. Aber dass man deswegen – teils ordinär – beschimpft wird, wie es in Deutschland vorkommt, ist hier kaum vorstellbar, erzählt Angelika. Schon aus pragmatischen Gründen: die Kirche zählt heute etwas mehr als zehntausend Mitglieder. Man muss zusammenhalten, trotz aller Konflikte.

So wird früher Undenkbares möglich, darunter auch die dritte Premiere an jenem Tag: Mit Angelika wurde erstmals in der Geschichte der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien eine Landlerin ordiniert. Das scheint auf den ersten Blick keine große Sache zu sein. Wirft man jedoch einen Blick in die Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, wird verständlich, warum dieser Umstand bei ihrer Amtseinführung ganz besonders betont wurde.

Mittelalterliche Ansiedlung von "Deutschen"

Die Siebenbürger Sachsen sind neben den Banatern die größte Gruppe von Deutschen auf dem Gebiet des heutigen Rumänien. Die Geschichte ihrer Ansiedlung in Siebenbürgen reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Damals wurden sie von den ungarischen Königen angeworben, denn die brauchten Siedler und Kämpfer im Osten des Landes. Wer sich entschloss, sich im Karpatenbogen niederzulassen, wurde mit einer Reihe von Privilegien ausgestattet. Freiheit im Tausch gegen Dienstpflichten.

Von den ungarländischen Behörden wurden diese Menschen aus dem Heiligen Römischen Reich pauschal als "Saxones" ("Sachsen") bezeichnet, auch wenn sie aus völlig unterschiedlichen Regionen stammten. So wuchsen diese "Sachsen" oder "Teutschen" in Siebenbürgen zu einer Gemeinschaft zusammen. Voraussetzung dafür war die Rechtsprechung im Fürstentum Siebenbürgen, die die "Saxones" als einen von drei Ständen im Landtag anerkannte.

Die Sachsen werden Lutheraner

Im 16. Jahrhundert wandten sich die Siebenbürger Sachsen sehr rasch den Lehren Martin Luthers zu. Paul Wiener, im Herzogtum Krain, auf dem Gebiet des heutigen Slowenien, geboren, wurde 1553 als erster evangelischer Bischof Siebenbürgens eingesetzt. Die bis dahin katholischen, teils mit prächtigen Altären ausgestatteten Kirchenburgen wurden protestantisch. Zum Glück verzichteten die Lutheraner in Siebenbürgen auf einen Bildersturm, sodass die Altäre und Fresken bis heute erhalten blieben. Das Luthertum aber wurde zum genuinen Bestandteil ihrer Identität in dieser pluri- und transkulturellen siebenbürgischen Gesellschaft.

Wenn die juristischen Privilegien die Bausteine des siebenbürgisch-sächsischen Selbstverständnisses sind und der lutherische Glaube der Mörtel, dann stellt die Sprache die Fassade dar: die Siebenbürger Sachsen sprechen bis heute einen facettenreichen, lokal stark variierenden "Ausgleichsdialekt", eben das Siebenbürgisch-Sächsische, das dem Luxemburgischen ähnlicher ist als dem Hochdeutschen.

Und dann kommen die Landler

Und dann kamen im 18. Jahrhundert die Landler und störten diese Dreieinigkeit aus Privilegien, Konfession und Sprache. Weder Kaiser Karl VI. noch seine Tochter Maria Theresia wollten die vielen Kryptoprotestanten im "Landl", dem Gebiet westlich der Traun und östlich des Innviertels, sowie in Innerösterreich (Steiermark, Kärnten) dulden. Andererseits wollte man nicht auf ihre Steuern verzichten und sie im schlimmsten Fall dem preußischen Erzfeind in die Arme treiben, wie das in Salzburg geschehen ist.

Darum wurden die nicht zu bekehrenden Protestanten nicht vertrieben, sondern nach Siebenbürgen verfrachtet. Dort mussten die Habsburger die konfessionelle Vielfalt zwangsläufig tolerieren, sonst hätte sich die selbstbewusste Region mit ihren zahlreichen Konfessionen, Sprachen und Lebenswelten niemals beherrschen lassen.

Brutale Deportation in den Osten

Was mit dem zeitgenössischen Euphemismus "Transmigration" getarnt wurde, war nichts anderes als eine brutale Deportation. Der Superintendent von Oberösterreich Jakob Ernst Koch (1865 bis 1947) schildert in seinem 1931 erschienen Buch "Luther und das Landl", was sich "in der drangvollen Zeit der Gegenreformation" zugetragen hat:

"Im Sommer 1733 kam der Salzamtmann Graf von Seeau mit zwei Kapuzinern auf den Hallstätter Salzberg mit der Botschaft freier Abfahrt mit Weib und Kindern, denn niemand sollte zur Heuchelei gezwungen werden. Da bekannten sich mehr als 1200, müde der ewigen Quälereien, als evangelisch. Allein, man ließ sie nicht ziehen. Einer Abordnung gegenüber versprach der Kaiser, er werde zu ihnen auf die Gamsjagd kommen. Am 7. Juli 1734 um Mitternacht wurden 44 Hausväter mit ihren Frauen aus ihren Häusern getrieben und nach Abnahme ihres Vermögens und ihrer Kinder in Linz auf fünf Schiffe verladen, die sie nach Siebenbürgen brachten, wo sie in der Nähe von Hermannstadt in Grossau, Heltau und Neppendorf angesiedelt wurden."

Rund ein Viertel der "Transmigranten" starb innerhalb der ersten eineinhalb Jahre nach Ankunft in Siebenbürgen, wo sie von den Sachsen mit größter Skepsis empfangen wurden. Ob diese heimlichen Protestanten echte Lutheraner waren? Der Pfarrer von Heltau stellte den angeblichen Glaubensbrüdern zur Prüfung 74 Fragen – die diese souverän beantworten konnten. Wer so viel riskiert und opfert für den Glauben, beherrscht auch seine Lehren.

Schwarz-Weiß Foto, sieben Frauen
Jugendliche Landlerinnen um die Jahrhundertwende.
CC BY-SA Sammlung Maria Brândan, Europeana/Complexul Național Muzeal „ASTRA“, Sibiu

Getrennt unter einem Kirchendach

Wo die Landler sich in größeren Gruppen ansiedeln konnten und deswegen nicht assimiliert wurden, insbesondere in Neppendorf (Turnișor), Großau (Cristian) und Großpold (Apoldu de Sus), lebte man trotz gemeinsamer Konfession und Kirche weitgehend getrennte Leben. Selbst an den Sitzplätzen in der Kirche konnte man die Abgrenzung ablesen, auch wenn gelegentlich ein Landler eine Sächsin heiratete oder umgekehrt. Und natürlich verstand man die Sprache der Anderen: Die der alteingesessenen "Teutschen" aus dem Heiligen Römischen Reich nannte man Sächsisch, jene der österreichischen Landler hingegen Deutsch.

So wurden die "Transmigranten" aus Oberösterreich, Steiermark und Kärnten zu einem eigenständigen Teil der regionalen Kultur, auch wenn sich der Begriff der "Landler" – und damit eine gemeinsame Identität, nur allmählich durchgesetzt hat. Heute, nach den großen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts, ist eine scharfe Trennung zwischen Sachsen und Landlern kaum mehr zu bemerken. Nur wenn die wenigen Hundert verbliebenen Landler ihren bairisch-österreichisch klingenden Dialekt sprechen, dann unterscheidet sie das deutlich von den Sachsen. Die Tonaufnahme vom "Schweineschlachtfest in Großpold" 1970 vermittelt einen Eindruck davon.

Dokumentation über die Landler und die Evangelische Kirche in Rumänien – Originalaufnahmen aus dem Jahr 1984. Bischof Albert Klein, der Onkel seines Nachfolgers Christoph Klein, thematisiert darin unter anderem die Auswanderung in den Westen.

Frau Pfarrer, nicht die Frau des Pfarrers

In Malmkrog benötigt Angelika ihr Landlerisch kaum. Sie spricht mit den Gemeindemitgliedern ein Hochdeutsch, das noch immer sehr Bundesdeutsch klingt, auch wenn sie in Hermannstadt geboren ist. Drei Jahrzehnte Deutschland prägen – und halfen ihr bei der Entscheidung, in ihre Heimat zurückzukehren. Denn in Berlin fehlt ihr Siebenbürgen. In Siebenbürgen hingegen fehlt ihr nichts.

Mit Deutsch allein kann man als evangelische Pfarrerin in Malmkrog aber nicht bestehen. Ein Glück, und eigentlich auch Bedingung für ihre Arbeit, dass Angelika Rumänisch spricht. Für die rumänische Mehrheit im Dorf ist es neu, dass die "Frau Pfarrer" nicht "nur" die Frau des Pfarrers ist. Trotzdem wird sie immer wieder auch zu den anderen Glaubensgemeinschaften gerufen. Neben der orthodoxen Kirche gibt es hier auch gleich mehrere neureligiöse Gemeinschaften, Pfingstler, Adventisten, Evangelikale.

Naheliegend, dass auch viele Ehen interkonfessionell sind. Aber auch die meisten Rumänen und Rumäninnen im Dorf möchten, dass ihre Kinder Deutsch lernen. Das ist hier in der Schule möglich. Und dann geht man eben zu Angelika in den Religionsunterricht, der wenig überraschend sehr ökumenisch geprägt ist.

Von der Volkskirche zur Diasporakirche

Vor allem bei Begräbnissen kommen die Menschen aus dem Dorf zusammen, alle Konfessionen und Sprachen. Insbesondere bei so tragischen Fällen wie dem Tod eines Fünfzehnjährigen, nur wenige Wochen nach der Ordination. Dass so eine Beerdigung dann zweisprachig gehalten werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Und die Sachsen weinen am meisten, wenn rumänische Lieder gesungen werden. Die deutschen Choräle berühren sie weniger.

Ein Kunststück, das die Evangelische Kirche in Rumänien seit drei Jahrzehnten immer besser beherrscht: Von der "Volkskirche" einer Minderheit zur "Diasporakirche" geworden, wie es Bischof Christoph Klein formuliert hat, sucht sie den intensiven Dialog mit den anderen Konfessionen, ohne die eigenen Glaubensinhalte zu verwässern.

Und während im Westen die Hörsäle der theologischen Hochschulen immer leerer werden, wird das Theologische Seminar in Hermannstadt verhältnismäßig gut frequentiert. Trotzdem sollte man sich nichts vormachen: Seelsorge in einer evangelischen Landgemeinde hier bedeutet auch immer, gegen Vereinzelung und Einsamkeit zu kämpfen.

Dokumentation "Dienen in Malmkrog" des deutschsprachigen Programms des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Rumänien (2022)

Weihnachten im Wolfsfell

Angelika wird wie ihre Vorgänger auch diesmal zu Weihnachten in ihrer Malmkroger Kirche stehen, die die "Sixtinische Kapelle Siebenbürgens" genannt wird. So beeindruckend sind die Fresken und der spätgotische Flügelalter, der mit seinen Darstellungen noch von der Marienwallfahrtskirche erzählt, die die Wehrkirche vor der Reformation einst war.

Um die Schultern wird sie das alte Winterornat tragen, innen mit Schaffell gefüttert und außen mit Wolfsfell bestückt. Ein Krippenspiel wird es geben, und Weihnachtspäckchen. Und dann wird sie aufbrechen und in den kommenden Tagen wie immer viele Kilometer machen, nach Rauthal, Lasseln, Kleinlasseln, Rode, Pruden, Sächsisch-Neudorf, Hohndorf-Maldorf, Kleinalisch und auch ins nordsiebenbürgische Tekendorf und Moritzdorf, um die Schäfchen ihrer zerstreuten Herde zu betreuen. Die werden dann aus ihren Dörfern in den einen oder anderen beheizbaren Gemeindesaal zusammengeholt, um die gemeinsame Feier auch logistisch zu bewältigen. Zehn, fünfzehn, manchmal auch fünfzig Seelen. Und nach dem Gottesdienst will dann niemand gleich nachhause.

Schwer beschäftigt zu sein und innere Ruhe zu finden schließt sich in Siebenbürgen, in der sich wandelnden Diasporakirche der evangelischen Minderheit, offensichtlich nicht aus. Es ist eine besondere Form der Freiheit. (Florian Kührer-Wielach, 25.12.2023)