Der zuvor stetige Rückgang der Teuerung ist in Österreich im November fast zum Erliegen gekommen. Die Inflation betrug weiterhin 5,3 Prozent, das sind um 0,1 Prozentpunkte weniger als im Oktober. "Aktuell beobachten wir sehr gegensätzliche Preisbewegungen: Einerseits verringerte sich der Preisauftrieb in vielen Bereichen, insbesondere bei Restaurants, und Treibstoffe waren weiterhin deutlich günstiger als im Vorjahresmonat", sagt Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas. "Andererseits wirkte die Haushaltsenergie weniger preisdämpfend als in den vergangenen Monaten, und Pauschalreisen verteuerten sich stark."

Ein Mitarbeiter transportiert mit einem Gabelstapler Bierkisten durch eine Brauerei.
In der Brauindustrie wurde eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 9,2 Prozent vereinbart. Wie viel davon wird nächstes Jahr in den Konsum fließen und dadurch die Inflation speisen?
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Damit liegt der Preisauftrieb in Österreich weiterhin meilenweit über jenem in der Eurozone, wo Waren und Dienstleistungen nur um vergleichsweise moderate 2,4 Prozent teurer wurden. Warum das voraussichtlich weiterhin so bleiben wird? Die Beschäftigten wollen hierzulande die höhere Teuerung auch in Form von Einkommenszuwächsen abgegolten haben – also Geld, das nächstes Jahr für mehr Konsum zur Verfügung steht. Die Folge: Die Lohn-Preis-Spirale dreht sich in Österreich entsprechend schneller als in anderen Ländern der Eurozone.

Hohe Lohnzuwächse

Wie stark wird dieser Effekt die Teuerung im Jahr 2024 erhöhen? Inflationsexperte Sebastian Koch vom Institut für Höhere Studien (IHS) sieht in der Lohn-Preis-Spirale zwar keinen Mechanismus, der sich gegenseitig aufschaukelt, aber sehr wohl beeinflusst. Ihm zufolge gilt als Daumenregel: Ein durchschnittliches Lohnplus der Beschäftigten um einen Prozentpunkt erhöht den Preisauftrieb im Folgejahr zusätzlich um etwa einen halben Prozentpunkt.

Wobei sich die Lohnabschlüsse zuletzt in deutlich höheren Regionen als die aktuelle Inflation abspielten. Die Metaller einigten sich nach zähem Ringen auf ein durchschnittlich 8,6-prozentiges Lohnplus. In etlichen Branchen wie der Sozialwirtschaft bis zur Brauindustrie lagen die Abschlüsse mit 9,2 Prozent knapp, bei anderen wie Fleischhauern mit 9,92 Prozent sogar merklich darüber. Noch nicht zu einer Einigung gekommen ist der Handel, mit insgesamt 430.000 Arbeitnehmenden eine für die Inflationsentwicklung durchaus maßgebliche Branche.

Wobei die Situation im Handel gut die heurige Reallohnentwicklung widerspiegelt. Der Branche geht es nicht gut, weil die Lohnabschlüsse im vergangenen Herbst durchwegs unter der jeweiligen Inflationsrate lagen. Warum? Dieser Effekt tritt auf bei steigenden Raten wie im Vorjahr, da die Inflation zwar jährlich, aber stark zeitversetzt abgegolten wird. Als Folge haben die Menschen inflationsbereinigt heuer meist weniger Geld in der Brieftasche, nämlich laut Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) um 2,8 Prozent. Das bekommt der Handel auch durch Konsumzurückhaltung zu spüren.

Steigende Reallöhne

Nächstes Jahr wird sich der Effekt allerdings umkehren und entsprechend mehr Geld für Waren und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Die OeNB erwartet einen Anstieg der frei verfügbaren Haushaltseinkommen um 3,8 Prozent, was das starke Minus des Vorjahres sogar leicht überkompensieren würde. Das soll auch entscheidend dazu beitragen, dass Österreich die heurige Rezession abschütteln und wieder leicht wachsen wird.

Denn die heurigen Lohnabschlüsse sind durchaus üppig ausgefallen, um etwas mehr als einen Dreiviertelprozentpunkt mehr, als IHS-Ökonom Koch im Vorfeld erwartet hat. Deshalb setzt er den Zuwachs bei den Bruttolöhnen um einen Dreiviertelprozentpunkt nach oben, statt weniger als sieben Prozent sollen es nun mehr werden – was die Gesamtinflation im nächsten Jahr laut Daumenregel um etwa die Hälfte des Werts nach oben treiben wird.

Teure Bewirtung

Wobei dieser Effekt unterschiedlich stark ausfällt und in personalintensiven Branchen, meist Dienstleistungen wie dem Tourismus und der Gastronomie, besonders stark zu spüren sein wird – und bereits ist. Zuletzt stiegen laut Angaben der OeNB die Kosten für Bewirtung hierzulande um 10,9 Prozent, in der Eurozone aber nur um 6,2 Prozent. Das wird auf Dauer zum Problem, besonders wenn man wie der Tourismus in Standortwettbewerb mit anderen Ländern mit geringeren Lohn- und Preiszuwächsen steht.

Die Lohn-Preis-Spirale wird sich auch 2025 noch bemerkbar machen, wenngleich in abgeschwächter Form, betont IHS-Experte Koch. Dennoch, durch diesen Effekt wird die Inflation hierzulande länger für ein Auspendeln benötigen als in anderen Ländern, in denen die Teuerung weniger stark hochgeschossen ist als in Österreich. Denn die Regierung hat zunächst mehr auf Transferleistungen und erst später auf Preiseingriffe wie die Strompreisbremse gesetzt als andere Staaten.

Anstieg in Deutschland

Allerdings werden hierzulande auch im nächsten Jahr Eingriffe bei der Haushaltsenergie den Preisauftrieb drosseln, während im von Budgetnöten geplagten Deutschland vergleichbare Maßnahmen auslaufen, ebenso die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf sieben Prozent in der Gastronomie. "Ich sehe durchaus, dass im Jänner die Inflation in Deutschland hinaufgehen wird und in der Eurozone gleich mit", sagt Koch mit Blick auf die mit fast 19 Prozent hohe Gewichtung des Landes in der Inflationsberechnung des Währungsraums.

Dennoch, auch nächstes Jahr soll Österreichs Teuerung um etwa einen Prozentpunkt höher ausfallen als in der Eurozone. Diese soll laut Europäischer Zentralbank im Jahresdurchschnitt 2,7 Prozent betragen, wobei Notenbankchefin Christine Lagarde zufolge der Preisdruck in der Währungsunion hauptsächlich von hohen Lohnzuwächsen ausgeht. (Alexander Hahn, 19.12.2023)