Die Erlaubnis des Vatikans für Priester, in Zukunft auch homosexuelle Menschen segnen zu dürfen, ist zwar einigermaßen überraschend gekommen. Aber insbesondere in europäischen Ländern war die Praxis längst stillschweigend geduldet worden – eine Duldung, die der Haltung des Papstes entspricht, der gegenüber "Sündern" gerne auch einmal ein Auge zudrückt. "Moralische Gesetze sind keine Felsblöcke, die man auf das Leben der Menschen wirft", hatte Franziskus bereits ganz zu Beginn seines Pontifikats in einem Interview betont.

Der Papst in einem Fiat.
Papst Franziskus gibt Gas – und lässt seinen Ankündigungen nun auch Taten folgen.
APA/AFP/ANDREAS SOLARO

Es hat freilich zehn Jahre gedauert, bis der Papst seiner toleranten Einstellung auch konkrete Erlasse folgen ließ. Vor allem in den deutschsprachigen Ländern, wo die offene Art des Argentiniers große Hoffnungen hatte keimen lassen, wurde Franziskus in letzter Zeit zunehmend als "Ankündigungsreformer" kritisiert, der seine Worte kaum mit Taten unterfüttere. Die Kritik und die Enttäuschung waren berechtigt. Aber nun gibt der Papst, der am Sonntag seinen 87. Geburtstag gefeiert hat, plötzlich Gas.

Konfliktfreudig im Alter

Es mag sein, dass ihm bewusst ist, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit bleibt. Und er ist offenbar nicht mehr gewillt, einem offenen Konflikt mit den Ultrakonservativen in seiner Kirche wie bisher aus dem Weg zu gehen. Einen texanischen Bischof, der ihn als Ketzer diffamiert und offen mit Donald Trump sympathisiert, hat er vor einigen Wochen kurzerhand entlassen; dem Anführer der US-Fundamentalisten, Kardinal Raymond Leo Burke, hat er seine Privilegien gestrichen. Und den italienischen Kurienkardinal Angelo Becciu, der mit waghalsigen Spekulationen dem Kirchenstaat dreistellige Millionenverluste bescherte, ließ er am Samstag zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilen.

Es ist klar, dass die Bäume der Reformer nicht gleich in den Himmel wachsen. Frauenordination und Abschaffung des Zölibats werden unter Franziskus nicht möglich sein. Aber auf die eine oder andere weitere Überraschung darf man sich gefasst machen. (Dominik Straub aus Rom, 19.12.2023)