Die dem Prozess gegen Sebastian Kurz zugrunde liegende Thematik sollte in diesem ganzen glamourösen Getöse um den Ex-Kanzler nicht ganz untergehen.

Gegenstand der Verhandlung ist dessen Aussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss, er habe sich in die Besetzung der Spitzenpositionen der Staatsholding Öbag nicht eingemischt. Die Anklage wirft Kurz aber vor, seine Rolle bei der Bestellung des späteren Öbag-Chefs Thomas Schmid zu verharmlosen und damit unter Wahrheitspflicht falsch ausgesagt zu haben.

Sebastian Kurz
Setzt auf eine Defensivverteidigung: Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
REUTERS/ELISABETH MANDL

Warum Kurz mit enormem Aufwand samt Litigation-PR versucht, seine Verantwortung für die Besetzung des Topjobs dermaßen herunterzuspielen, ist eigentlich schwer nachzuvollziehen. Denn seine Defensivverteidigung, er sei über die Personalentscheidungen nur informiert worden und habe nichts entschieden, widerspricht fundamental den politischen Realitäten im Land.

Selbstverständlich reden Spitzenpolitiker – von den Bürgermeistern bis zu den Landeshauptleuten und hinauf in die Bundesebene – bei Besetzungen der Topjobs in Unternehmen mit, die in öffentlichem Einfluss stehen. Es gibt zwar mittlerweile Objektivierungsverfahren und Hearings. Das funktioniert im Großen und Ganzen. Aber zum Schluss fällt in der Regel die Politik die Entscheidung.

Es wäre völlig realitätsfremd, zu glauben, dass etwa die Besetzungen von Chefetagen in Landesunternehmen, in Tourismusgesellschaften oder Landesenergiekonzernen ohne Zutun der Ersten im Lande über die Bühne gehen.

In unteren Jobetagen werden bisweilen enge Büromitglieder für Topjobs weitergereicht. Trotz Objektivierung läuft noch vieles "entre nous". Es gibt nichts Schriftliches, keine Aktenvermerke. Es reicht, dass alle Beteiligten wissen, was das Büro des Landeshauptmannes, der Landeshauptfrau, des Bürgermeisters, des Bundeskanzlers oder der Ministerin wünscht ...

Natürlich ist die Einflussnahme auch nachvollziehbar. Politiker und Politikerinnen, die in ihren Sachbereichen Verantwortung tragen, wollen sich mit Fachleuten ihres Vertrauens umgeben. Aber: Der Besetzungsprozess müsste in Hinkunft optimal nachvollziehbar und völlig transparent ablaufen. Damit die Tür für Günstlingswirtschaft endlich geschlossen wird.

Die Besten für die besten Jobs: ein für den Standort Österreich immens wichtiges Thema, dem sich die neue Regierung im Abspann des Kurz-Prozesses unbedingt widmen sollte. (Walter Müller, 19.12.2023)