Ein geöffnetes Fenster und Blick in den Himmel.
Die beste und wichtigste Quelle für Frischluft ist und bleibt das geöffnete Fenster. So oft wie möglich.
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War da was? Ach ja. Aha! AHA+L hieß die Losung, die uns möglichst sicher durch die Pandemie bringen sollte. Abstand halten, Hände waschen, Alltagsmaske plus Lüften. Von diesen Verhaltensweisen, die wir mit Corona gelernt (oder automatisiert) haben (sollten), sind die meisten bei den allermeisten wieder aus dem Alltag und Bewusstsein verschwunden. Nur das Virus nicht. Sars-CoV-2 ist geblieben. Und es ist nicht der einzige Krankheitserreger in der Luft. Covid und andere Infektionskrankheiten lichten nicht nur die Reihen der Arbeitskräfte, sondern auch in Kindergärten und Schulen.

Das verschafft dem L-Faktor neue Dringlichkeit. SPÖ-Chef Andreas Babler fordert flächendeckend Luftfilter und Belüftungsanlagen für die Bildungseinrichtungen. Er wirft der Regierung vor, seit Jahren säumig zu sein, "wenn es um Lufthygiene geht". Als Bürgermeister von Traiskirchen habe er in seiner Stadtgemeinde Raumluftsensoren und Luftreinigungsgeräte einbauen lassen. Das will der SPÖ-Vorsitzende nun für ganz Österreich.

Warum tun wir nichts?

Er bezog sich auch auf eine Studie des Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka. Im STANDARD-Gespräch erklärt der Leiter der Forschungsgruppe Health Economics and Health Policy am Institut für Höhere Studien (IHS), dass gemäß den Zahlen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) im Vorjahr 45 Prozent der Krankenstände und 23 Prozent der Krankenstandstage in Österreich durch Infektionskrankheiten verursacht wurden, und fragt: "Warum tun wir da nichts?" Zumal diese Ausfälle, wenn man sie umlegt auf die Kosten eines Arbeitstags, einen geschätzten Schaden von drei bis vier Milliarden Euro jährlich verursachen. Und da sind alle nicht in der ÖGK Versicherten sowie Pflegefreistellungen berufstätiger Eltern für erkrankte Kinder noch gar nicht inkludiert: "Es wird also relativ viel Geld verschwendet, weil man nicht auf Prävention setzt", kritisiert der IHS-Experte.

Ein Grund sei das hierzulande fehlende Bewusstsein für die generelle Bedeutung von sauberer Luft. Czypionka verweist auf internationale Studien, die zweierlei zeigen: Lufthygiene kann Infektionen in Schulen und am Arbeitsplatz verhindern, und gute Luft erhöht die Lern- und Leistungsfähigkeit.

Problematische Kohlendioxid-Konzentration

Laut einer laufenden Studie aus Finnland waren Kinder in Kindergärten mit mechanischen Lüftungsgeräten um circa 30 Prozent seltener krank als in solchen ohne derartige Geräte. Eine andere Erhebung zeigte, dass Kinder Aufgaben um zwölf Prozent schneller bearbeiten und um zwei Prozent weniger Fehler machen, wenn die Kohlendioxid-Konzentration im Klassenraum 900 ppm statt 2100 ppm beträgt. CO2 entsteht bei der Atmung und macht müde und unkonzentriert.

Der CO2-Gehalt in der Luft wird in parts per million (Anzahl der Teile pro Million Teile) angegeben. In Frankreich zum Beispiel hat man im Zuge der Pandemie reagiert und für Schulen einen Richtwert von 800 ppm festgelegt. Taiwan und Südkorea schreiben maximal 1000 ppm vor.

"Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Luftproblem zu lösen", sagt IHS-Forscher Czypionka. "Aber wir machen ja gar nix." In Ermangelung gesetzlicher Vorgaben rät er den Schulen zu den Empfehlungen der Unfallversicherung AUVA.

Sie nennt "Stoßlüften in Form von Querlüften" die "wirkungsvollste Maßnahme" und gibt die Anschaffung von CO2-Ampeln oder CO2-Messgeräten als "Tipp". 1000 ppm in der Luft dürften in geschlossenen Räumen nicht überschritten werden. Alle 20 Minuten, also dreimal pro Stunde, sollte die Raumluft komplett gegen Frischluft von außen ausgetauscht werden.

Am besten doppelt frisch

Als "Best Practice" für optimale Raumluftqualität wird das empfohlen, was der Arbeitskreis Innenraumluft im Klimaschutzministerium (geleitet von Umweltanalytiker Peter Tappler, die AUVA ist auch vertreten) in seinem neuen "Positionspapier zu Lüftungserfordernissen in Bildungseinrichtungen" als "Hybridlüftung" empfohlen hat: eine Kombination von natürlicher und mechanischer Lüftung. Fenster auf, wo und wann immer es geht, und bedarfsgerecht zusätzlich qualitätsgeprüfte Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung.

Von sogenannten Luftreinigern raten die Fachleute ab. "Die führen keine Frischluft zu. Das CO2 und diverse gasförmige Schadstoffe werden nicht entfernt", erklärt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien, der auch im Innenraumluft-Arbeitskreis sitzt. "Die Luft bleibt ,abgestanden‘."

Um jede Schule mit optimaler Innenraumluftqualität zu versorgen, müsse eine Bestandsaufnahme über die jeweiligen baulichen Voraussetzungen erfolgen und dann ein individuelles Luftqualitäts- und Lüftungskonzept umgesetzt werden. (Lisa Nimmervoll, 19.12.2023)