Qualität, konzentriert: Lukas Kapeller (li.) und Michael Schlöglhofer (re.) machen die Küche, Sommelière Carina Kaiser (ganz links) den Service.
Qualität, konzentriert: Lukas Kapeller (li.) und Michael Schlöglhofer (re.) machen die Küche, Sommelière Carina Kaiser (ganz links) den Service.
Foto: Severin Corti

Die Direktorenvilla der Steyr-Werke mag man sich feudal vorstellen. Tatsächlich aber ist das behäbige Gebäude, auf einem Hügel über der Stadt gelegen, bloß ein komfortables Wohnhaus. Einst waren hier gleich mehrere Wichtige in Wohnungen untergebracht. Großmächtig ist hier nur die Aussicht, speziell vom Dachboden. Das fand auch Lukas Kapeller, Steyrer und einer der richtig guten Köche des Landes. Weshalb er sein neues Restaurant genau dort hineingebaut hat, und ein paar außerordentlich schöne Zimmer dazu. Ein sehr bemerkenswertes Team hat er sich mit Co-Küchenchef Michael Schlöglhofer (zuvor im Bootshaus Traunkirchen und im Rahofer in Kronstorf) und Sommelière Carina Kaiser (ebenso Ex-Rahofer, in mehreren Top-Bistronomie-Adressen von Paris geschult) auch sichern können.

Und genauso hochklassig geht es in dem intimen, gerade 20 Sitzplätze fassenden Restaurant zur Sache. Die Stimmung ist dank offener, mitten im Gastraum platzierter Küche beinahe privat, sehr entspannt, ohne jede Spur von gourmetösem Ehrfurchtsgehabe. Den wahlweise sechs oder acht Gängen wird eine Batterie präzise arrangierter Amuses-Bouches vorangestellt. Einstweilen entsprechen die Gerichte noch dem allseits beliebten Nationaldogma (merke: alles hinter der Grenze ist wäh!), das kann sich aber noch ändern: "Wir wollen uns bei der Qualität keine Zügel anlegen lassen, es wird definitiv nicht nur Teichfisch aus Österreich, sondern schon auch echten Wildfang und Meeresfrüchte geben dürfen", sagt Kapeller.

Bei den Happen zum Auftakt fällt die Topinambur mit schwarzem Knoblauch und Birne auf, knusprig und cremig, süß und sauer, fruchtig und pikant – bitte mehr in dieser Spielart! Folgt auf dem Fuß, als ausgelöst gegrillter, köstlich lackierter Hühnerflügel samt bittersüßer Karfiolcreme – die sichuanpfeffrige Hühnerbouillon, im steinernen Sockel der Preziose verborgen, sollte man nicht übersehen.

Es ist ein Zeichen zeitgemäßer Küchenkunst, wenn die fleischlosen Gänge mindestens so viel Freude machen wie die konventionell Luxuriösen. So wie die Urkarotte mit Buchweizen und Kren: geradlinig, pur, geschmacklich zur Skulptur herausgemeißelt, ein Kraftlackl von einer Karotte, fleischig, saftig, bissfest, smoky mit knusprig-nussigen Samen und ganz frisch gerissenem Kren auf einer sauersüßen Salsa, die ganz wunderschön fruchtig nachhallt – tolles Gericht. Der verblüffend würzige Muskat-Ottonel von Heinz Velich ist ein ebenso unerwarteter wie idealer Begleiter dazu.

Gegrillter Waller mit süßem Paprika und Ingwer.
Gegrillter Waller mit süßem Paprika und Ingwer.
Foto: Severin Corti

Manches, wie die mit rauchigem Sellerie gefüllte Galantine vom Hendlhaxl auf grandiosem Rollgerstl-Risotto, zeigt, wie gut Schlöglhofer und Kapeller mit der Klassik zu spielen verstehen. Anderes, wie die Kombination aus gegrilltem, fermentiertem und in Butter zur Süße gezogenem Kukuruz mit Salzzitrone und unverschämt dichter Béarnaise (richtig köstlicher Estragon!), unterstreicht ihre Lust am Experiment und durchaus fordernden (aber umso exakter gesetzten) Kontrasten – virtuoses Spiel zwischen vielschichtiger Säure und vollmundiger Buttrigkeit.

Fromage? Ah, oui!

Waller, den Schlöglhofer bei einem Freund bezieht und dabei auf Ike-Jime beim Abschlagen besteht, ist (siehe Bild) überhaupt eine Offenbarung. Der sonst zu Breite und schwammiger Fleischigkeit neigende Fisch wird hier zu zart blätternder Perfektion gegrillt, in süße Paprika geschlagen und mit Ingwer aus Kronstorf kombiniert – passt alles wie nach Maß, das können sie nur in der wirklich großen Küche. So geht es dahin, den Käse (ideal reif, aus Frankreich, weil es ja gut sein soll) darf man sich nicht entgehen lassen – und sei es wegen Carina Kaisers Begleitung in Form des Morillon Startin von Gross, der, ebenso unabsichtlich wie hinreißend, einen köstlich florhefig salzigen Nachhall zeigt. Danke fürs Zulassen solch gelungener Überraschungen! (RONDO, Severin Corti, 22.12.2023)