Papst Franziskus
Papst Franziskus hat eine neue Erklärung der vatikanischen Glaubensbehörde vorangetrieben. Darin wird die Segnung homosexueller und unverheirateter Paare erlaubt – mit vielen Beschränkungen.
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Pfarrer Gerald Gump hat schwule Paare schon vor 20 Jahren gesegnet, damals noch in der Gemeinde Schwechat. "Wir haben das aber nicht an die große Glocke gehängt, um ein gutes Projekt nicht durch unnötige Streitereien zu gefährden", erzählt er. "Das hat Zeit gebraucht, sich zu entwickeln." Dass der Papst jetzt ganz offiziell die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren gutheißt und in den Kirchen zulässt, freut Gump, derzeit Pfarrer in Wien-Margareten, besonders. "Ich habe schon sehr gestaunt, das ist ein starker Schritt. Hut ab, das hätte ich so nicht erwartet." Er selbst und viele andere Priester würden seit geraumer Zeit Segnungen homosexueller Paare vornehmen, mitten in der Gemeinde und ohne große Aufregung.

Gump ist nicht der Einzige, für den die neue Haltung aus Rom unerwartet kommt. Auch viele Vatikan-Kenner waren überrascht, als die oberste Glaubensbehörde der katholischen Kirche am Montag die Erklärung "Fiducia supplicans" (zu Deutsch: "Flehendes Vertrauen") veröffentlichte. Mit dem Dokument, das von Papst Franziskus vorangetrieben wurde, ändert die Kirche ihre noch vor kurzem bekräftigte Linie zu unverheirateten und homosexuellen Paaren: Während deren Segnung durch katholische Geistliche bisher offiziell verboten war, soll es fortan ausdrücklich erlaubt sein.

Video: Katholische Kirche erlaubt Segnung homosexueller Paare.
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Hat nichts mit Ehe zu tun 

Die österreichischen Bischöfe zeigen sich über diese Wende erfreut. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Franz Lackner sagte: "Die Kirche erkennt, dass eine Beziehung zwischen zwei des gleichen Geschlechtes nicht ganz ohne Wahrheit ist: Da wird Liebe, da wird Treue, da wird auch Not miteinander geteilt und in Treue gelebt. Das soll man auch anerkennen."

Von einer Gleichberechtigung homosexueller Menschen ist die Kirche allerdings immer noch weit entfernt, das geht aus den zahlreichen Einschränkungen im päpstlichen Schreiben hervor. So wird festgehalten, dass die Segnung nicht im Rahmen von Gottesdiensten stattfinden darf und auch sonst der Anschein einer Verwechslung mit dem – für Homosexuelle weiterhin verbotenen – Sakrament der Ehe strikt vermieden werden müsse. Zudem bezeichnet der vatikanische Schrieb schwule und lesbische Beziehungen als "irregulär" und rückt auch nicht davon ab, homosexuelle Handlungen als sündhaft einzustufen.

Autos, Tiere und Queer-Feindlichkeit

Für reformerische Kräfte in der Kirche fällt die Bewertung des neuen Papiers daher ambivalent aus. Marika Schneider, die Chefin der Katholischen Jugend Österreichs, sieht darin vor allem "eine Annäherung an die gelebte Realität", zumal hierzulande schon zahlreiche Priester einen liberalen Umgang mit der Segnung pflegten. Diesen Geistlichen werde nun vom Papst erfreulicherweise der Rücken gestärkt und Schutz gegen innerkirchliche Anfeindungen aus konservativen Kreisen geboten, sagt Schneider zum STANDARD. Inhaltlich sei der bisherige Ausschluss von Homosexuellen allerdings ohnedies höchst seltsam gewesen, wie die Jugendvertreterin anmerkt: "Autos und Tiere werden von der Kirche ja auch ständig gesegnet."

Insgesamt geht der Katholischen Jugend die neue Auslegung zu den Segnungen nicht weit genug. Die grundlegende Lehre, wonach homosexuelle Paare auf einer niedrigeren Stufe stehen als heterosexuelle Ehepaare, werde nämlich nicht angetastet, moniert Schneider. Das Dokument strotze ungebrochen vor "queer-feindlichen" Passagen.

Halbherziger Schritt

Auch Johannes Wahala erkennt in der aktuellen Entscheidung Licht und Schatten. Er wurde in den 1990er-Jahren als Priester bekannt, der sich für die kirchliche Anerkennung homosexueller Lebensweisen einsetze und Gottesdienste mit gleichgeschlechtlichen Paaren feierte – bis ihn Kardinal Schönborn deshalb von der Leitung seiner Gemeinde entfernte. Heute arbeitet Wahala als Psycho- und Sexualtherapeut, die kirchlichen Entwicklungen bewegen ihn nach wie vor: "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil auch die Bedeutung der Seelsorge aufgewertet wird."

Allerdings sei der Schritt nur halbherzig, weil die Segnung explizit nicht im liturgischen Rahmen stattfinden darf: "Da geht es offensichtlich um die Abgrenzung von der Ehe, und das finde ich sehr bedenklich." Wenn sie konsequent sein wolle, müsse die Kirche auch homosexuelle Partnerschaften akzeptieren – alles andere bleibe eine "nicht begründbare Diskriminierung", die vom Papst wohl aus Angst vor konservativen Strömungen aufrechterhalten werde.

Rechte Kreise beunruhigt

Tatsächlich rufen die neuen Töne des Papstes schon jetzt in reaktionären Kreisen heftige Kritik hervor. Das österreichische Onlinemagazin kath.net, das als Plattform für Katholiken mit rechter und traditioneller Orientierung dient, verbreitet etwa eine Stellungnahme, in der die neue Linie als "theologisch unpräzise" und naiv bezeichnet wird. Da homosexuelle Beziehungen "inhärent sündig" seien und "einen schweren Verstoß gegen das Naturrecht darstellen", könnten sie auch weiterhin keinen Segen empfangen, heißt es da etwa. Zudem schlägt das Magazin Alarm, weil einzelnen Priestern ein "Zwang" zu "Homo-Segnungen" auferlegt werden könnte.

Einen "Zwang" will der Chef der Bischofskonferenz Franz Lackner zwar nicht vorgeben, allerdings betonte er am Montag im ORF-Interview, dass sich die Priester nicht justament gegen die neue Offenheit sperren dürfen. Wenn Homosexuelle gesegnet werden wollen, gelte für Geistliche künftig: "Man kann nicht grundsätzlich 'Nein' sagen." (Theo Anders, Michael Völker, 19.12.2023)