Vulkanausbruch Island
Höllenschlund: Der Riss im Südwesten Islands ist mehr als drei Kilometer lang.
AFP/HANDOUT/ICELANDIC DEPARTMENT

Der seit Wochen erwartete Vulkanausbruch in Island, der sich durch hunderte Erdbeben angekündigt hat, ist eingetreten: Montagnacht um 22.17 Uhr Ortszeit kam Magma auf der Reykjanes-Halbinsel in spektakulären Fontänen an die Oberfläche, vier Kilometer nördlich des Küstendorfs Grindavík. Von der Hauptstadt Reykjavík ist der Ausbruchsort ungefähr 40 Kilometer entfernt, die Lava kann auch von dort aus gesehen werden. Es handelt sich nicht um einen Vulkankegel, sondern einen mehr als drei Kilometer langen Spalt, aus dem Magma hinaufdringt und auf Fotos an brennende Gischt erinnert.

Luftaufnahmen des Vulkanausbruchs im Südwesten Islands
AFP

Der Regierung zufolge stellt der Ausbruch aktuell keine Lebensgefahr dar, Schaulustige sollen sich dem Vulkan dennoch nicht nähern. Der Riss vergrößerte sich mit der Zeit, eine Webcam zeichnete den Beginn des Ausbruchs zufällig auf.

Frage: Wie ist der neueste Stand?

Antwort: Verletzte dürfte es bisher nicht geben. Der Spalt wurde am Sundhnjúka-Krater lokalisiert, der Livestream vom Fagradalsfjall zeigt, wie es vor Ort aussieht. Bisher fließt die Lava nach Norden, also in die entgegengesetzte Richtung zu besiedelten Gebieten. "Die Eruption stellt keine Lebensgefahr dar", hieß es von der Regierung in Reykjavík. Das isländische Wetterbüro IMO informiert über neue Entwicklungen. Am Dienstagvormittag sagte Geowissenschafter Magnús Tumi Gudmundsson dem Rundfunksender RÚV, dass die Eruption etwas an Heftigkeit abgenommen habe. Schon wenige Stunden nach Beginn der Eruption sei etwa doppelt so viel Lava ausgetreten wie beim vorangegangenen isländischen Vulkanausbruch im Sommer.

Auch in der Hauptstadtregion könnte die Luftqualität durch die freiwerdenden Gase beeinträchtigt werden, wie die IMO mitteilte. Im Laufe der Nacht sei es möglich, dass die Gase gen Reykjavík geweht werden. Am Mittwoch soll eine neue Evaluation der Lage stattfinden. Dann wird womöglich darüber entschieden, ob das nahegelegene Fischereidorf Grindavík weiterhin geräumt bleibt. Die Straßen zur Ortschaft sind aktuell gesperrt, das wird der örtlichen Polizei zufolge auch die kommenden Tage so sein.

Wenige Kilometer von Grindavík entfernt kam es zum Vulkanausbruch.

Frage: Wie gefährlich ist der Vulkanausbruch?

Antwort: Isländerinnen und Isländer sind bekannt für ihre Gelassenheit angesichts neuer Vulkanausbrüche, was aufgrund der relativ großen Anzahl nicht verwunderlich ist. Auch Touristinnen und Touristen suchen gern aktive Vulkane auf und begeistern sich für den Anblick fließender Lava. Behörden warnen allerdings, dass die derzeitige Eruption nicht "touristenfreundlich" sei, schreibt Wissenschaftsjournalistin und Geologin Maya Wei-Haas auf der Plattform X, vormals Twitter. Der Ausbruch dürfte wesentlich größer sein als die beachtliche Eruption des Fagradalsfjall 2021 in der gleichen Region. Das Risiko bestehe vor allem aus der fließenden Lava, weniger aus Explosionen, schreibt Wei-Haas: "Die Chemie der Lava macht sie sehr flüssig (das kann man auf Videos des Ausbruchs sehen), und diese Art von Lava baut normalerweise nicht genug Druck auf, um große Explosionen auszulösen."

Vulkanausbruch Island
Große Mengen an Lava treten in Fontänen aus dem Spalt.
AFP/KRISTINN MAGNUSSON

Tatsächlich traten immense Mengen an Lava aus, Fachleute sprechen von 100 bis 200 Kubikmetern pro Sekunde. Der Seismologin Kristin Jonsdottir zufolge ist dies ein Vielfaches mehr als bei früheren Eruptionen in der Gegend. Seit Wochen werden aktuelle geologische Ereignisse dort besonders genau untersucht. Der BBC sagte Vulkanologin Evgenia Ilyinskaya von der Universität Leeds, dass die Lavaflüsse "im Moment anscheinend nicht bedrohlich sind, aber das bleibt abzuwarten". Der Schaden, der entstehen dürfte, lässt sich ebenfalls noch kaum abschätzen. Die isländische Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir erklärte aber, dass kürzlich errichtete Schutzanlagen bereits eine positive Wirkung zeigen.

Bisher dürfte es abgesehen von der evakuierten Ortschaft nur eingeschränkte Sicherheitsmaßnahmen geben. Die berühmte Blaue Lagune, eine geothermale Quelle, die viele Gäste anzieht und sich ganz in der Nähe des Ausbruchsorts befindet, war aufgrund der Erdbeben seit dem 9. November geschlossen worden. Doch sie öffnete am vergangenen Sonntag und soll vorerst trotz des Vulkanausbruchs offen bleiben.

Hjördís Gudmundsdóttir von der isländischen Zivilschutzbehörde rief Isländer und Touristen dazu auf, sich bei der aktuellen Eruption vom Vulkangebiet fernzuhalten. Im isländischen Fernsehen sagte sie, sie könne gut verstehen, dass die Leute das Naturspektakel sehen wollten. Der Vulkan sei aber groß und im Vergleich zum letzten Ausbruch sehr aktiv. Die Polizei warnte auf Facebook vor giftigen Gasen, die im Vulkangebiet austreten könnten.

Frage: Wie steht es um die evakuierte Gemeinde Grindavík?

Antwort: Im November wurde die Evakuierung der Bürgerinnen und Bürger von Grindavík angeordnet, das sich nur etwa vier Kilometer vom Ausbruchsort entfernt befindet. Etwa 4.000 Menschen mussten eilig ihr Zuhause verlassen. Es handelt sich zwar nicht um eine komplette Sperrzone, täglich dürfen Menschen zwischen 7 und 21 Uhr in ihre Häuser zurückkehren. Manche Geschäfte sind sogar geöffnet. Doch über Nacht dürfen sie nicht bleiben, zu groß ist offenbar die Gefahr, dass die Einwohnerinnen und Einwohner im Schlaf von einer Katastrophe überrascht werden. Nicht alle halten sich an diese Regelung, einer Person wurde wegen mehrmaligen Übernachtens daheim die Inhaftierung angedroht. Einige Menschen, die nicht bei Familie oder im Freundeskreis unterkommen können, sind obdachlos. Auch jene, die zum Schlafen längerfristig ein Dach über dem Kopf haben, kämpfen mit der ungewissen Lage.

Vulkanausbruch Island
Bisher bedrohen die Lavaströme keine menschlichen Siedlungen.
via REUTERS/CIVIL PROTECTION OF

Ob die Bevölkerung für Weihnachten nach Hause zurückkehren kann, ist fraglich. Viele dürften bereits andere Pläne haben. Grindavík-Bürgerin Sólný Pálsdóttir wird die Feiertage mit ihrer Familie in ihrem Sommerhaus verbringen und vermutet, dass sie noch mindestens drei Monate nicht in ihr Heim zurückkehren kann: Infolge der Erdbeben befindet es sich in Schieflage. "Das Leben in Island besteht hauptsächlich aus vielen Fragen", wird sie im "Guardian" zitiert. "Das Schwierigste daran ist das Nichtwissen."

Der Bürgermeister von Grindavík, Fannar Jónasson, sagte, den evakuierten Einwohnerinnen und Einwohnern gehe es den Umständen entsprechend gut. Glücklicherweise seien die Krater, die der Gemeinde am nächsten gelegen sind, erloschen. Es bestehe im Moment also keine große Gefahr für den Ort, meinte Jónasson. Dennoch seien viele Menschen enttäuscht, dass sie Weihnachten nicht zu Hause feiern könnten. Außerdem hätten einige Familien aus Grindavík Schwierigkeiten, Unterkünfte zu finden, sagte der Bürgermeister. Islands Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir sagte in einem RÚV-Interview, die zuständigen Ministerien arbeiteten daran, die Wohnungsprobleme der Einwohner zu lösen.

Frage: Ist ein Flugchaos wie 2010 zu erwarten?

Antwort: Nach aktuellem Stand sieht es nicht nach gröberen Störungen des Flugverkehrs aus. Im Augenblick gibt es der isländischen Regierung zufolge keine Unterbrechungen oder Behinderungen, der Flughafen Keflavík sei gut erreichbar. Die Behörden sind weiterhin wachsam, ob es hier zu Veränderungen kommt. 2010 brach ebenfalls im Südwesten Islands, 140 Kilometer von der aktuellen Eruption entfernt, der Vulkan Eyjafjallajökull aus und sorgte in weiten Teilen Europas für einen Flugverbot – die stärkste Störung des Flugverkehrs seit dem 11. September 2001. Zu hoch sei das Risiko, die Asche könne die Sicht von Pilotinnen und Piloten beziehungsweise die Flugzeuge selbst beeinträchtigen. Im Nachhinein wurde der folgenreiche Flugstopp massiv kritisiert, weil die Aschekonzentrationen letztlich als zu gering erachtet wurden, um zum Störfaktor zu werden.

Vulkanausbruch Island
Der vom Ausbruch gerötete Nachthimmel, von der Ortschaft Hafnarfjordur aus betrachtet.
AFP/OSKAR GRIMUR KRISTJANSSON

Frage: Warum kommt es in Island zu so vielen Vulkanausbrüchen?

Antwort: Island ist die aktivste und größte Vulkanregion Europas. Der Inselstaat befindet sich auf dem Mittelatlantischen Rücken, an der Grenze zwischen der Eurasischen und der Nordamerikanischen Kontinentalplatte. Sie driften voneinander weg, daher treten oftmals Erdbeben und auch Vulkanausbrüche auf. Die Region, in der nun wieder Substanz aus dem Erdinneren an die Oberfläche dringt, war in den vergangenen Jahren besonders häufig betroffen. Zu weiteren wichtigen Vulkanregionen Europas gehört Italien: Die Phlegräischen Felder bei Neapel verzeichnen verstärkte Bebenaktivität und sorgen seit Monaten für Unruhe.

Frage: Setzen Vulkanausbrüche mehr CO2-Emissionen frei als der Mensch?

Antwort: Bei Eruptionen werden auch Treibhausgase freigesetzt, sie sind Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs. Während es in jüngerer Vergangenheit im Vergleich zur Erdgeschichte nicht zu vermehrten Vulkanausbrüchen kam, stieg die CO2-Konzentration in der Luft aber rasant mit der Industrialisierung an. Menschen sorgen vor allem durch das Verbrennen fossiler Energieträger für etwa 37 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr, der vulkanische CO2-Ausstoß insgesamt kommt jährlich auf weniger als zwei Prozent dieses Werts.

Die stärkste Wirkung auf das Klima haben allerdings explosive Vulkanausbrüche, die Partikel bis in hohe Atmosphärenschichten befördern. Dies kann die Durchschnittstemperatur auf der Erde beeinflussen. Der Effekt kann aufgrund komplexer Dynamiken in der Stratosphäre sowohl kühlend als auch erwärmend sein, wie ein Forschungsteam zuletzt für den Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai konstatierte. (sic, red, APA, 19.12.2023)