Es ist gar nicht so einfach, den Überblick über alle derzeit gegen Google laufenden Verfahren zu behalten. Nachdem das Unternehmen gerade ein Verfahren gegen Spielehersteller Epic mit noch unbekannten Konsequenzen verloren hat, lässt man nun eine weitere Bedrohung für das eigene Geschäft hinter sich. Bereits vor einigen Wochen hat sich Google auf einen Vergleich mit den Generalstaatsanwälten von 50 US-Bundesstaaten geeinigt, und nun wird öffentlich, welche Zugeständnisse das Unternehmen dafür machen musste.

Eine Strafe

Die große Zahl gleich am Anfang: Insgesamt 700 Millionen Dollar Strafe muss das Unternehmen zahlen, wovon immerhin 629 Millionen an Nutzer gehen sollen, die für Apps oder bei In-App-Käufen zu viel bezahlt haben. Davon profitieren freilich nur in den USA ansässige Personen. Wie das genau abgewickelt werden soll, ist zudem noch nicht bekannt.

Google-Chef Sundar Pichai
Klingt nach einer schweren Strafe, in Wirklichkeit dürfte Google-Chef Sundar Pichai mit dem Vergleich mit US-Bundesstaaten sehr zufrieden sein.
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Klingt rein vom Betrag her trotzdem nach einer großen Nummer. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass solche Strafen für Unternehmen der Größe von Google relativ irrelevant sind – stellen diese doch nur einen Bruchteil des laufenden Umsatzes dar, vor allem aber hat die Strafe keine Auswirkung auf das laufende Geschäft und dessen Ausblick.

Regularien

Wichtiger sind da üblicherweise neue Vorschriften für das weitere Geschäft. Tatsächlich sieht der Vergleich eine ganze Reihe davon vor, die an der Oberfläche durchaus signifikant klingen, in der Realität aber wohl wenige Auswirkungen haben dürften.

Eines der Highlights ist dabei, dass Google künftig alternative Bezahlmethoden für In-App-Käufe ermöglichen muss. Wer davon eine komplette Unabhängigkeit von Google-Gebühren erwartet, wird aber enttäuscht werden – kommt dieses User Choice Billing genannte System doch bereits in einigen Ländern zum Einsatz und wird dort aus guten Gründen kaum genutzt.

Google lässt über User Choice Billing zwar tatsächlich andere Bezahldienste zu, hebt im Gegenzug aber eine Art Plattformsteuer ein, die kaum niedriger als die sonst üblichen bis zu 30 Prozent Beteiligung im Play Store sind. Das bestätigt das Unternehmen auch gegenüber "The Verge", um vier Prozentpunkte weniger werden beim User Choice Billing von Google mitgeschnitten. Für die meisten dürfte sich die Nutzung eigener Bezahldienste insofern schlicht nicht rentieren.

Sideloading wird einfacher

Doch im Rahmen des Vergleichs verspricht Google noch andere Änderungen am Play Store. Allen voran: Das Sideloading, also die manuelle Installation von Apps aus Drittquellen, soll vereinfacht werden. Die Kläger hatten sich darüber beschwert, dass dieser Prozess zu umständlich ist und Interessierte abschreckt. Google hatte die zahlreichen Hürden immer mit dem Hinweis auf das Thema Sicherheit argumentiert, da das Gros der Schadsoftware auf diesem Weg auf Android-Geräte kommt.

Ansonsten gibt es noch ein Sammelsurium an kleineren Maßnahmen: So darf Google Hersteller nicht davon abhalten, alternative App-Stores auf dem Homescreen zu platzieren oder vorinstallierten Apps Installer-Rechte zu geben. Ein paar der weiteren Regeln schreiben zudem Vereinfachungen für alternative App-Stores vor. Interessant ist all das auch deswegen, weil das zum Teil Dinge sind, die Google derzeit gar nicht tut oder bereits umgesetzt hat.

Was ebenfalls ungewöhnlich ist: All diese Abmachungen sind mit einem Ablaufdatum versehen, Google verpflichtet sich je nach Punkt nur für vier bis sieben Jahre zu diesen Regeln. In Summe dürfte man bei dem Unternehmen mit dem Vergleich jedenfalls sehr zufrieden sein.

Der große Blick

Der Deal ist aber auch mit dem Blick auf das Verfahren gegen Epic von Interesse. Immerhin geht es dort um das gleiche Thema, also die Regeln rund um den Play Store. Zwar wurde Google dort unlängst in allen Punkten verurteilt, über die daraus resultierenden, konkreten Maßnahmen muss der vorsitzende Richter aber erst entscheiden.

Nun, wo eine Einigung mit den US-Bundesstaaten vorliegt, könnte das also auch Auswirkungen auf die im Epic-Verfahren getroffenen Maßnahmen haben. Tatsächlich soll der Richter aus dem Epic-Verfahren nun bis 8. Februar noch um eine Zustimmung zu den Abmachungen der US-Bundesstaaten gefragt werden. Doch selbst wenn dieser – gegen die Meinung der Generalstaatsanwälte – sich zu schärferen Maßnahmen entscheidet, erhöht der Deal mit den Bundesstaaten natürlich die Chancen für Google in einem Berufungsverfahren gegen Epic.

Erboste Reaktion

Entsprechend wenig erfreut ist Epic-Boss Tim Sweeney. Der Vergleich sei eine "Ungerechtigkeit gegenüber allen Android-Nutzern und -Entwicklern", tweetete er in Reaktion auf den Vergleich. Ein wettbewerbsfeindliches System durch ein zweites zu ersetzen sei keine Lösung. (Andreas Proschofsky, 19.12.2023)