Das Bild zeigt ein Smartphone unter einer Lupe
Der Eingriff in den Datenschutz und das Privatleben sei bei der Sicherstellung von Handys besonders intensiv - für den VfGH sind die aktuellen Bestimmungen nicht ausreichend.
KIRILL KUDRYAVTSEV / AFP

Die Sicherstellung von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern ohne davor erfolgte richterliche Genehmigung ist laut einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) verfassungswidrig. Damit wurde dem Antrag eines Kärntner Unternehmers stattgegeben, gegen den wegen des Verdachts der Untreue ermittelt wird. Das Gericht hat bis Ende 2024 eine Frist zur Reparatur der Regelung gesetzt, die Politik kündigte eine rasche Umsetzung an.

Im konkreten Fall ist eine solche auch jedenfalls nötig: Der VfGH hat nämlich im Erkenntnis die gesamte Sicherstellung aus Beweisgründen aufgehoben - also unabhängig davon, ob Handys oder etwa z.B. eine Mordwaffe betroffen sind. Bis zur Reparatur bzw. bis Ende 2024 kann aber wie bisher ermittelt werden, auch frühere Verfahren (abgesehen von jenem des Antragstellers) sind nicht betroffen.

Die derzeitige Regelung verstößt nach Ansicht des VfGH gegen das Recht auf Privatleben und das Datenschutzgesetz. Es sei zwar ein legitimes Ziel, Datenträger (diese umfassen neben Smartphones etwa auch Laptops oder PCs) sicherzustellen und auszuwerten, um Straftaten zu verfolgen. Auch stelle die rasche Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien die Kriminalitätsbekämpfung vor besondere Herausforderungen, doch entsprächen die angefochtenen Bestimmungen der Strafprozessordnung nicht den Anforderungen von Datenschutzgesetz und Europäischer Menschenrechtskonvention. Im Unterschied zu anderen Gegenständen ermögliche der Zugriff auf einen Datenträger nicht nur ein punktuelles Bild über das Verhalten von Betroffenen, sondern einen umfassenden Einblick in wesentliche Teile des bisherigen und aktuellen Lebens.

Der Eingriff in den Datenschutz und das Privatleben sei besonders intensiv, weil eine Sicherstellung bereits bei einem Anfangsverdacht auf eine leichte Straftat möglich sei, betont der VfGH. Sie könnte auch gegenüber einem nicht verdächtigen Dritten erfolgen und betrifft auch Personen, deren Daten auf dem sichergestellten Datenträger gespeichert sind.

In seinem Erkenntnis stellte der VfGH für den Gesetzgeber auch gleich einige Leitplanken für eine künftige Neuregelung auf: Neben dem Richtervorbehalt hat er auch festgehalten, dass der Richter im Fall einer Bewilligung auch festzulegen hat, welche Datenkategorien und -inhalte aus welchem Zeitraum und zu welchen Ermittlungszwecken ausgewertet werden dürfen.

Außerdem müssten öffentliches Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abgewogen werden. Die konkreten Anforderungen könnten dabei von der Intensität des Eingriffs abhängen. So könne es etwa einen Unterschied machen, ob eine Sicherstellung von Datenträgern bei allen oder z.B. nur bei schweren Straftaten oder etwa nur bei Cyberkriminalität vorgesehen wird. Eine Rolle spielen kann auch, ob der Gesetzgeber Vorkehrungen trifft, dass die Auswertung nachvollziehbar sowie überprüfbar ist und im erforderlichen Ausmaß erfolgt. Außerdem müsse gewährleistet werden, dass Betroffene trotz Sicherstellung jene Informationen erhalten, die zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte nötig sind. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, ob es eine unabhängige Aufsicht gibt.

Die aktuelle Regelung tritt spätestens am 1. Jänner 2025 außer Kraft - diese Frist hat der VfGH gesetzt. Erfolgt eine Reparatur des Gesetzes früher, könnte es auch schneller gehen.

"Zeitnahe" Reparatur angekündigt

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kündigte jedenfalls eine "zeitnahe" Umsetzung an. Wichtig sei, dass eine neue Regelung die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wahre und staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungen nicht gefährde. Man habe daher schon im Vorfeld intensive Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden geführt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) drückte aufs Tempo: "Es ist unser gesetzlicher Auftrag dies umgehend zu korrigieren."

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim begrüßte in einer Aussendung die Entscheidung des VfGH, ihr NEOS-Pendant Johannes Margreiter verlangte eine Reparatur bereits im ersten Halbjahr 2024 und zwar .gemeinsam mit dem Verteidigerkostenersatz. FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst und FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan nannten die Entscheidung "absolut nachvollziehbar".

Der Präsident der Richtervereinigung, Gernot Kanduth, sprach gegenüber der APA von einer "aus grundrechtlicher Sicht sehr wichtigen Entscheidung". Handys hätten seit der Schaffung des entsprechenden Paragraphen eine deutliche Entwicklung durchgemacht. Dafür müsse man auch in Kauf nehmen, dass die vom VfGH gemachten Vorgaben für die Richterinnen und Richter mit Mehrarbeit verbunden sind.

In ihrer Einschätzung bestätigt fühlen sich die Rechtsanwälte. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, Armenak Utudjian, verwies gegenüber der APA auf einen im Vorjahr vorgestellten Reformvorschlag. "Ich halte es für bedauerlich, dass der Zeitraum seit der Präsentation unseres konkreten Reformvorschlags vor einem Jahr nicht genutzt wurde, um eine Neuregelung in die Wege zu leiten." Umso rascher müssten Regierung und Gesetzgeber jetzt aktiv werden. (APA, 19.12.2023)