Ich kann mich an keine Euphorie erinnern. Vielmehr waren die polnischen Demokratinnen und Demokraten am Wahlabend im Oktober nicht in der Lage zu begreifen, was geschehen war. Ich erinnere mich an jene Redaktionskolleginnen und -kollegen, die mit echter Sorge die Ausgaben für den Wahlkampf der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zählten.

Die Partei von Jarosław Kaczyński wurde vom gesamten Staatsapparat unterstützt. Die öffentlichen Medien, die vollständig von der PiS-Partei kontrolliert wurden, überschritten die Grenzen der Propaganda, indem sie die Machthaber ständig lobten und die Opposition verleumdeten. Ministerien bezahlten für tausende Plakate, auf denen sie die Errungenschaften der PiS-Regierung anpriesen. Große staatliche Unternehmen versicherten den Polen in Werbespots, dass die PiS-Regierung für ihre Sicherheit sorge. Der Mineralölkonzern Orlen, der größte staatliche Konzern Polens, begann, die Benzinpreise künstlich zu senken.

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Radikale Wende: Der polnische Regierungschef Donald Tusk setzt auf einen proeuropäischen Kurs.
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Kaczyńskis Partei gewann die meisten Sitze im Parlament, verlor aber die Wahlen, da sie keine Koalition bilden könnte. Als klar wurde, dass sie die Macht doch abgeben müssen, begannen die PiS-Politiker verzweifelt, sich in ihren Positionen zu verschanzen. Die Unterstützung kam von Staatspräsident Andrzej Duda, einem treuen Soldaten der PiS-Partei, der Mateusz Morawiecki zum Ministerpräsidenten ernannte, obwohl dieser nicht die geringste Chance hatte, die ihm übertragene Aufgabe zu erfüllen. Trotz des Wahlergebnisses bekam die PiS einen Monat Zeit, um Millionen von Złoty an ihre Verbündeten zu verteilen und ihre Leute auf Posten zu setzen, von denen sie von der neuen Regierung nicht entlassen werden konnten.

Als der Sejm, die Abgeordnetenkammer, schließlich die Koalitionsregierung des liberalen Politikers Donald Tusk ernannte, gab es daher keine Euphorie, sondern nur Wut darüber, dass die PiS zu schmutzigen Tricks gegriffen hatte, um mehr Zeit für den Missbrauch von Macht und Staatsgeldern zu bekommen. Die neue Regierung ist nun seit einer Woche im Amt. Es ist offensichtlich, dass sich in Polen langsam etwas zu ändern beginnt. Justizminister Adam Bodnar hat eine Überprüfung von Richterinnen und Richtern eingeleitet, die von der Vorgängerregierung unrechtmäßig in ihr Amt eingesetzt wurden. Bildungsministerin Barbara Nowacka hat regionale Bildungsbeauftragte entlassen, die fanatischen Katholizismus und Hass gegen Minderheiten in Schulen propagiert hatten. Innenminister Marcin Kierwiński begann mit der Ablösung der Geheimdienstchefs, die während der PiS-Regierung die Opposition mit dem Spionageprogramm Pegasus überwacht hatten. In den kommenden Tagen wird diese Liste bestimmt länger.

Großer Verfechter

Die wichtigste Veränderung gab es jedoch in Brüssel. Zum Gipfel des Europäischen Rates ist Tusk, der mit einer noch nie dagewesenen Herzlichkeit empfangen wurde, mit dem Slogan "Polen ist wieder da" geflogen. Das bedeutet, dass Polen seinen rechtmäßigen Platz am Tisch wieder einnimmt. Die Zeit der internationalen Selbstisolierung, seines schädlichen Paktes mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, seiner Gleichgültigkeit gegenüber dem, was in der Welt geschieht, ist vorbei. Polen wird auch wieder ein großer Verfechter einer freien und europäischen Ukraine sein.

Das Ausmaß des Schadens, den die PiS dem polnischen demokratischen System zugefügt hat, ist jedoch enorm. Genauso groß sind die Herausforderungen, vor denen die neue Regierung steht. Da ist zum Beispiel das Verfassungsgericht, das vollständig dem Willen der PiS-Partei untergeordnet ist. Es ist so weit gekommen, dass die PiS-Politiker den Richtern per E-Mail Anweisungen für die zu treffenden Entscheidungen gegeben haben. Jetzt will das Gericht jeden Schritt der Regierung Tusk annullieren. Wie lässt sich dieses Problem lösen? Reicht ein Parlamentsbeschluss aus, der das Tribunal für illegal erklärt? Wird die neue Regierung gezwungen, um die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, das Gesetz zu beugen?

Ein weiteres Problem sind die öffentlich-rechtlichen Medien. Soll die neue Regierung das PiS-Fernsehen liquidieren und dann unter einem anderen Namen wieder aufbauen lassen? Oder reicht es vielleicht aus, das Personal zu ersetzen und die mehreren Hundert Journalisten, die 2016 von der PiS entlassen wurden, wieder einzustellen?

Vernunft und Ruhe nötig

Es sind Fragestellungen, die sich für eine Reihe von Institutionen, die die PiS übernommen hat, stellen. Der von Kaczyńskis Leuten kontrollierte Nationale Rat des Gerichtswesens, das Gremium, das die Laufbahn der Richter überwacht, ist gemäß den Urteilen des EuGH illegal. Um das zu ändern, ist jedoch ein eigenes Gesetz erforderlich. Und gegen ein solches Gesetz wird Präsident Duda sein Veto einlegen, sobald es vom Parlament verabschiedet ist.

Beim Wiederaufbau Polens werden Donald Tusk und sein Team Vernunft und Ruhe beweisen müssen. Er hat aber keine schlechten Karten in der Hand, auch wenn sich die Gegner eingegraben haben. Erstens war die PiS noch nie in der Lage, gute Gesetze zu erlassen. Die Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass die PiS-Leute noch Jahre im Amt bleiben, sind sicherlich voller Schlupflöcher. Außerdem ist Tusk ein viel geschickterer Politiker als die führenden Köpfe der Partei Recht und Gerechtigkeit, der Ausgang direkter Auseinandersetzungen ist leicht vorhersehbar. Und schließlich ist zu bezweifeln, dass die PiS so entschlossene Leute im Amt gelassen hat, dass sie bereit wären, bis zum Ende für ihre Partei zu kämpfen. Viele von ihnen werden sich schnell mit der neuen Regierung arrangieren. (Bartosz T. Wieliński, 20.12.2023)