Wenn Sabine Meurer daran denkt, Weihnachten mit ihren Familien zu verbringen, dann fällt ihr nur ein Wort ein: "Scheiße". Damit ist sie wohl nicht allein. Dieses S-Wort zieht seine dunklen Spuren durch vier Folgen von "Das Fest der Liebe". Der neue TV-Streich des deutschen Improvisationsmeisters Jan Georg Schütte ist in der ARD-Mediathek und am 23. Dezember ab 17.15 Uhr in der ARD zu sehen.

Darin lassen die Mitglieder der Familie Meurer (Charly Hübner, Devid Striesow, Luise von Finckh und eben Claudia Michelsen als Sabine) und der Streubles (Lena Klenke, Oliver Wnuk, Andrea Sawatzki, Nicole Heesters und Wolf-Dietrich Sprenger) ihren Gefühlen freien Lauf. Und wie! Denn ohne ausformuliertes Drehbuch lässt es sich ganz famos feiern. Oder philosophieren. Oder streiten. Vorgegeben sind nur Rollenprofile. Wie die Figuren miteinander agieren, aufeinander reagieren und die Geschichte somit weitertreiben, entsteht dann improvisiert am Set. Zum Einsatz kamen 40 Kameras, der Dreh dauerte drei Tage.

Thorsten (Devid Striesow), Jäcki (Luise von Finckh, Mitte) und Mario (Charly Hübner, freuen sich auf besinnliche Weihnachten mit der ganzen Familie. Noch.
Thorsten (Devid Striesow, links), Jäcki (Luise von Finckh) und Mario (Charly Hübner) freuen sich auf besinnliche Weihnachten mit der ganzen Familie. Noch.
ARD Degeto/Gulliver Theis

Konflikte ohne Ende

Dass diese Schauspielerinnen und Schauspieler auch ohne fixe Vorgaben und Dialoge ihr Handwerk meisterlich beherrschen, bewiesen viele von ihnen schon bei Schüttes Vorgängerprojekten wie "Das Begräbnis", "Wellness für Paare", "Kranitz" und "Klassentreffen". Konfliktpotenzial, Reibung, unterschiedliche Lebens- und Sichtweisen helfen da freilich. Und die sind in "Das Fest der Liebe" reichlich vorhanden: Ost gegen West, Intellektuelle gegen Arbeiter, Global Player gegen kleinen Familienbetrieb, prollige Landtochter mit Wunsch nach Insta-Ruhm und Butt-Lift gegen weltgewandte, aber einsame PR-Agentin mit vermeintlichem Promi-Anschluss in L.A., Esoterik gegen Prinzipienreiter (Andrea Sawatzki als verschwurbelte und doch sehr direkte "Bumst du noch?"-Eso-Tante Dorothee: eine Wucht!).

Keine Bescherung ohne Enttäuschung: Bei Simone (Anna-Lena Klenke), Dorothee (Andrea Sawatzki) und Mario (Charly Hübner).
Keine Bescherung ohne Enttäuschung bei Simone (Anna-Lena Klenke), Dorothee (Andrea Sawatzki) und Mario (Charly Hübner).
Foto: ARD Degeto/Gulliver Theis

Kohle mit Scheiße

Schütte und Co-Regisseur Sebastian Schultz lassen all das und alle aufeinander los, Tatort des Impro-Spektakels ist das Anwesen der Schnösel-Streubles, die zum gemeinsamen Fest laden. Verbindungsglied dieser beiden Familien ist nicht nur Sabine Meurer (Claudia Michelsen), die mit Alexander (Oliver Wnuk) in den Streuble-Clan eingeheiratet hat. Sondern auch eine Muffe – das ist ein ganz spezielles Stück eines Rohrs. Denn mit menschlichen Fäkalien und deren Beseitigung ("Die Scheiße muss überall weg") lässt sich die große Kohle machen.

Besonders dann, wenn es eine Super-mega-Muffe gibt, die technisch verschiedene Rohrsysteme verbindet, was bisher nicht möglich war. Ost- verbindet damit Westdeutschland, einer echten Wiedervereinigung steht nichts mehr im Wege. Aber es geht noch größer, die Muffe soll es auch ins potente China schaffen, ein Millionendeal für die Scheubles. Erfinder dieser bahnbrechenden Idee ist Landei Mario Meurer (Charly Hübner). Dessen Schwester Sabine war es, die diese Muffe dann nicht ganz fair in den geldgierigen Scheuble-Clan eingebracht hat. Dieser Betrug fliegt beim gemeinsamen Weihnachtsfest auf. Und logisch, das war es dann mit besinnlicher Ruhe, Freude, Eierkuchen.

Mario (Charly Hübner) stellt Alexander (Oliver Wnuk) zur Rede: Thorsten (Devid Striesow), Dorothee (Andrea Sawatzki) und Elisabeth (Nicole Heesters) schauen zu.
Mario (Charly Hübner) stellt Alexander (Oliver Wnuk) zur Rede. Thorsten (Devid Striesow), Dorothee (Andrea Sawatzki) und Elisabeth (Nicole Heesters) schauen zu.
Foto: ARD Degeto/Gulliver Theis

Grüner Tee gegen schlechtes Gewissen

Während beim Fest die Fetzen und die Fäuste fliegen, zögert Sabine die Fahrt ins nicht mehr ganz so traute Heim immer weiter hinaus. Man könnte auch sagen, ihr geht ein wenig die Muffe. Völlig zu Recht. In einem einsamen Landgasthaus findet sie Zuflucht bei grünem Tee und Ben (Jan Georg Schütte). "Es scheint bei dir gerade ein bisschen zu Hause zu krachen. Meistens kommt da ja dann was Gutes dabei raus", sagt er einmal. Er untertreibt. Herausgekommen ist nicht nur gutes, sondern außergewöhnlich gutes Fernsehen. (Astrid Ebenführer, 22.12.2023)

Mario (Charly Hübner), Karl-Eduard (Wolf-Dietrich Sprenger), Thorsten (Devid Striesow) und Dorothee (Andrea Sawatzki)  
Die Stimmung ist nicht so toll: Mario (Charly Hübner), Karl-Eduard (Wolf-Dietrich Sprenger), Thorsten (Devid Striesow) und Dorothee (Andrea Sawatzki)-
Foto: ARD Degeto/Gulliver Theis