Beim Bachata Congress im Palais Wertheim: Veranstalter Sergio Mendoza Matos und Zsuzsanna Böjte, die sich auch Beige nennt.
© Christian Fischer

In Budapest, wo sie herkommt, begeisterte sie sich für Ungarische Volkstänze, Ballett oder Hip-Hop, und mit 18 Jahren hörte sie dort zum ersten Mal Salsa. "Ricky Martin und Jeniffer Lopez markierten damals den Höhepunkt dieser Musik und des Miteinander-Tanzens", erzählt sie mit fröhlichem Lachen. "Danach tanzten die Mädels jahrelang in der einen Ecke und die Burschen in der anderen. Aber jetzt kommt man sich wieder näher!" Als Zsuzsanna Böjte, die sich Beige nennt, vor zwölf Jahren aus Budapest nach Wien kam, unterrichtete sie nebenher auch im Floridita. "Der Club war für die Tanzszene der Stadt extrem wichtig, es gab jeden Tag eine Party!", erzählt sie. Aber 2014 ging das Floridita in Konkurs, und alle Lehrer mussten sich eine neue Aufgaben suchen. Sie eröffnete 2016 ihr Mydance-Vienna-Studio und bot dort erste Bachata-Kurse in zentraler Lage hinter dem Karlsplatz an.

Unter Bachata versteht man einerseits die Musik, die sich Anfang der 1960er-Jahre als Form der romantischen lateinamerikanischen Trio-Gitarrenmusik zunächst in der Dominikanischen Republik etablierte und mitten in die Herzen Verliebter zielte. "Juan Luis Guerra", erzählt sie, "war einer der ersten dominikanischen Merengue-Musiker, der sehr poetisch im Rhythmus des Bachata über Liebe sang."

"Obsession"

2002 gab es dann die Band Aventura, ihr Song Obsession wurde ein Welthit. In der Folge entwickelte sich aus der Musik der Tanz gleichen Namens, den man, so sagt sie, seit nun bald 20 Jahren auf der ganzen Welt tanze. Und während die dominikanische Variante sehr viele Schritte kenne, werde die europäische Variante Bachata sensual weniger eng getanzt und arbeite mehr mit "smoothen" Körperwellen, Neigungen und Drehungen.

Aventura/ Obsesion
Einfach nur geile Beach-musik
GrazyGang

Dieser Tanz kam gleichzeitig mit ihrer späteren großen Liebe ins Studio, als sie 2017 mit Sergio Mendoza Matos einen ausgewiesenen Könner und auch Experten aus Spanien zu einem Workshop einlud, der nach zehn Tagen Aufenthalt in Wien auch gleich hierher übersiedelte. Seither sind sie privat und beruflich ein Paar, das, so sagt sie, die Bachata-Szene der Stadt wesentlich mitaufgebaut hätte.

Diese Szene regelmäßiger Bachata- und Salsatänzer schätzt sie auf mindestens 5000, unter ihnen seien viele Expats, die in den Clubs und Studios der Stadt bei den Kursen und Workshops auch Kontakte und Anschluss suchen würden. 400 davon unterrichten die beiden zurzeit in ihrem Studio, Männer und Frauen zwischen 18 und 86 Jahren und aus allen gesellschaftlichen Schichten. "Bachata ist der 'ultimate equalizier'", sagt sie. "Vom Anwalt über den Zahnarzt bis hin zur TV-Moderatorin oder Verkäuferin kommen alle zu uns."

Vor allem nach der langen Zeit der Corona-Schließungen hatten viele wieder das starke Bedürfnis, neue Gesichter zu sehen und in diesen Gesichtern ein Lächeln zu entdecken – und was wäre dafür besser geeignet als Tanzen? Manche, sagt sie, fänden bei den Veranstaltungen einfach nette Freunde, andere Romantik und Erotik, und durchaus ein paar auch die große Liebe. "Es gibt sicher drei oder vier Bachata-Kinder, deren Eltern sich bei uns kennengelernt haben", lacht sie wieder, und diesmal durchaus ein wenig stolz.

Bachata macht glücklich

"Obwohl die Grundschritte relativ einfach sind, muss man Bachata schon lernen!", relativiert sie die gängige Vorstellung mancher, die früher ins Floridita gekommen sind und dachten, mit einer Cuba Libre im Blut wäre man schon der Salsakönig. "Harte Arbeit ist es aber auch nicht, es ist ein Hobby. Und nach zwei Monaten Kurs kann man schon große Fortschritte erkennen." Beinahe wichtiger als "die Technik" wäre aber ohnehin etwas anderes: "Man bewegt sich mit Freude, verliert vielleicht ein paar Kilos, lebt gesünder und strahlt das auch aus, kurz: Man ist einfach glücklicher, wenn man Bachata tanzt!"

Beispiele? Manche IT-Nerds kämen mit schlechter Haltung zu ihr oder Frauen in unscheinbarer Kleidung und ohne Make-up, so beschreibt sie typische Neueinsteiger. "Und nach ein paar Monaten gehen die Männer wieder aufrecht und sehen die Frauen vielleicht zehn Jahre jünger aus, kümmern sich um sich, kleiden sich schöner, strahlen und lächeln." Manchmal wünscht sie sich daher Vorher-nachher-Fotos ihrer Schüler, die sich anfangs verstecken und nach innen gekehrt sind, sich aber im Rhythmus des Bachata plötzlich wieder der Welt öffnen würden.

Tanzwettbewerb Bachata Congress im Palais Wertheim.
© Christian Fischer

"Der Österreicher“, lacht sie, sei zunächst natürlich kein "Natural Born Bachata-Tänzer", wobei es umgekehrt genauso ein Missverständnis wäre zu glauben, dass jeder Südamerikaner automatisch gut tanzen könne. Nur kämen diese Menschen meist aus Ländern mit viel Folklore, in denen man obendrein ständig Musik hören würde und einen stärkeren Hang zum Feiern hätte – was auch auf die meisten Menschen vom Balkan zuträfe. "Und die lernen dann vielleicht ein bisschen schneller!"

Sie selbst wähnt sich mit ihrem Sergio zusammen in der Beherrschung des Tanzes mittlerweile nahe an der Perfektion, "aber besser geht es natürlich immer!", lacht sie. Und sie freut sich ehrlich, wenn Studenten mit den Jahren gleich gut oder sogar "besser" werden als sie. Eine Frau, die sie seit sieben Jahren unterrichtet, wäre mittlerweile "top" und könne längst selbst auch international unterrichten.

Bachata ist ein weltweit umspannendes Netzwerk

Beim Bachata Congress im Palais Wertheim.
© Christian Fischer

So wie sie selbst, die als Lehrer und Veranstalter auf der ganzen Welt unterwegs sind und den Tanz in Singapur, Prag, Estland oder Indien, in Dubai oder China unterrichten. "Oder bei den Rovijn Summer Sensual Days in Kroatien", erzählt sie begeistert, "wo über 6000 Leute gleichzeitig auf dem zentralen Platz Bachata tanzten." Und in Wien richteten sie im zurückliegenden September "The 4th edition of Bachata Congress" im Palais Wertheim aus, was drei Tage Tanzen, Workshops und Partys bedeutete und überaus gut besucht war.

"Bachata ist auch ein weltumspannendes Netzwerk", sagt sie und erzählt von interessanten Erlebnissen in den verschiedenen Ländern. Etwa dass in China und Südkorea unzählige Frauen in langen Schlagen gewartet hätten, um mit Sergio tanzen zu können, "die Einheiten wurden sogar mit dem Läuten einer Glocke begrenzt!". Und über Europa muss sie leider sagen, dass hier der Drang zur Inszenierung leider auch schon beginne, das Tanzen zu stören. Mit dem Trend, für ein paar Likes auf Instagram möglichst "sexuell" anstatt "sensual" zu tanzen und sich dabei fotografieren zu lassen, hat sie jedenfalls überhaupt keine Freude. Darum herrscht während ihrer Unterrichtseinheiten auch striktes Handyverbot, und es soll nur das Herz auf die Musik hören und der Körper sich in ihrem Rhythmus wiegen: "Eins, zwei, drei, vier." (Manfred Rebhandl, 1.1.2024)