Ilkay Gündogan bekommt den Champions-League-Pokal von Aleksander Ceferin.
Die Champions League ist beileibe nicht perfekt, doch wenn sich die Super League als Konkurrenzprodukt durchsetzt, wäre nur den Allerreichsten geholfen.
AP/Francisco Seco

Nein, die Super League steht noch nicht vor der Tür. Der Europäische Gerichtshof hat nur entschieden, dass der europäische Verband Uefa etwaigen Teilnehmern der umstrittenen Milliardenliga nicht mehr mit dem Ausschluss aus sämtlichen anderen Bewerben drohen darf. Aber es ist möglich, dass die nun ausjudizierte Rechtssache C-333/21 eines Tages als Totengräber des Mittelklassefußballs gilt.

Der Fußballkosmos hat sich längst verändert, die Aufmerksamkeit der Fans gilt immer weniger einzelnen Teams. Finden Sie einmal einen minderjährigen Admira-Fan! Dafür sehen Sie unzählige Kids mit Shirts von Manchester City, PSG und Bayern München. Im Jahr 2023 ist jedes Spiel nur einen Klick und/oder ein Streaming-Abo weit entfernt, da schaut man eben lieber die Superstars als den heimischen Bundesligakick.

Die Fußballpyramide

Dass derzeit nicht nur die Allergrößten gut vom Ballsport leben können, liegt auch an den Strukturen des Klubfußballs: Einerseits werden Teile der Einnahmen umverteilt, andererseits dürfen auch die Kleineren hin und wieder gegen die Großen kicken. In den nationalen Ligen passiert das regelmäßig, im Europacup immer seltener. Es ist ein System, das trotz diverser Mängel funktioniert – allerdings nur solange äußere Zwänge die Gier der Mächtigsten im Zaum halten.

Einer dieser Zwänge ist nun gefallen. Es wird eine Verlockung für die Liverpools, Chelseas und Real Madrids dieser Welt bleiben, noch öfter gegeneinander zu spielen. Geld regiert die Fußballwelt, und diese Spiele bringen sowohl per Ticketverkauf als auch durch TV-Rechte mehr Geld als Ligapartien gegen UD Almeria oder ein Europa-League-Kick gegen Toulouse.

Duelle der immer gleichen Gegner ohne die Drohung einer verpassten Qualifikation oder gar eines Abstiegs könnten theoretisch schnell fad werden. Aber die großen nordamerikanischen Sportligen wie die Football-Liga NFL demonstrieren, dass die immer gleichen 32 Teams in Dauerrotation durchaus die Fans bei der Stange halten können. Kurz gesagt: Eine Super League könnte Fuß fassen. Insbesondere wenn sie, wie nun angekündigt, in einer deutlich offeneren, größeren Form als beim ersten Anlauf gegründet wird. Nun sollen es 64 Teams sein, die auch aus den Ligen fliegen könnten; beim ersten Anlauf im April 2021 hätten 15 von 20 Teilnehmern eine Dauerkarte besessen.

Fans gegen Super League?

Gut möglich, dass es letztlich an den Fans liegen wird, einen Super-League-Neustart zu verhindern. Der Aufschrei 2021 war groß und wohl ähnlich wichtig wie die Drohungen der Uefa, die nun für unrechtmäßig erklärt wurden.

Die Erfinder der Super League werden sich wohl nicht noch einmal einen derartigen PR-Bauchfleck erlauben. Das soll eine Fülle von Zuckerln verhindern: Die Super-League-Matches sollen gratis zu sehen sein, zudem sind hunderte Millionen Solidaritätszahlungen an den Unterbau des Fußballs geplant.

Das klingt alles sehr gut, aber es wird nicht ewig halten. Über kurz oder lang werden die Konsumenten auch von dieser Liga ausgepresst werden, und die Solidaritätszahlungen werden versiegen. Was mit Anschubfinanzierung einer Investmentbank passiert, ist selten ein Wohltätigkeitsprojekt. Fußballfans müssen freilich auch jetzt schon ordentlich zahlen, doch geht das Geld immerhin nicht nur in die Taschen einiger weniger. (Martin Schauhuber, 21.12.2023)