Der siebente Planet im Sonnensystem ist gewöhnlich und einzigartig zugleich. Fast jeder dritte der mehr als 5.500 bisher bekannten Exoplaneten ist Eisriesen wie Uranus und Neptun ähnlich. Solche Gasplaneten, die zu einem großen Teil aus schwereren Elementen als Wasserstoff und Helium bestehen, sind also recht häufig. Zugleich ist Uranus, der wissenschaftlich noch wenig erforscht ist, ausgesprochen ungewöhnlich: Seine Rotationsachse etwa steht in einem Winkel von fast 98 Grad zu seiner Bahnachse, Uranus' Pole zeigen zeitweise zur Sonne beziehungsweise von ihr weg. Der Planet "rollt" also gewissermaßen auf seiner Bahn um die Sonne, wofür er etwa 84 Erdenjahre braucht. Diese Neigung führt wiederum zu den extremsten Jahreszeiten im Sonnensystem.

Uranus, Uranusmonde, James Webb Weltraumteleskop
Eine neue Aufnahme des James-Webb-Weltraumteleskops zeigt Uranus und neun seiner 27 Monde. Die Trabanten im Uhrzeigersinn (ab 14 Uhr): Rosalind, Puck, Belinda, Desdemona, Cressida, Bianca, Portia, Juliet und Perdita.
NASA, ESA, CSA, STScI

Von gewaltigen Kollisionen geprägt

Als Ursache für Uranus' ungewöhnliche Lage, in der er alle 17 Stunden einmal um die eigene Achse rotiert, werden eine oder mehrere gigantische Kollisionen in der Frühgeschichte des Planeten vermutet. Simulationen zufolge dürfte mindestens ein Objekt in der Größe der Erde oder noch größer mit Uranus zusammengestoßen sein und den Planeten gekippt haben. Diese gewaltsame Episode würde auch andere Eigenschaften von Uranus, seinem Magnetfeld, dem Ringsystem und seinen Monden erklären.

Einzigartige Aufnahmen des Uranussystems lieferte vor einigen Tagen das James-Webb-Weltraumteleskop, sie zeigen den Gasplaneten in nie gesehener Pracht. Auf einer Aufnahme sind elf der 13 bekannten Ringe des Uranus und neun seiner 27 Monde zu erkennen, ein anderes Bild zeigt Uranus und fünf weitere Monde. Auf dem Bild sind auch Uranus' saisonale Polkappe und Stürme in der Planetenatmosphäre besser zu sehen als je zuvor. Auch die Polkappe selbst ist ein atmosphärisches Phänomen: Sie entsteht, wenn ein Pol dem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Durch die extreme Neigung des Planeten scheint die Sonne fast ein Viertel eines Uranusjahres über einem Pol und taucht die andere Hälfte des Planeten in einen dunklen, 21 Jahre währenden Winter. Die nächste Sonnenwende auf Uranus findet 2028 statt.

Uranus, Uranusmonde, James Webb Weltraumteleskop
Wie eine Perle im Sonnensystem zeigt sich Uranus auf den neuen Webb-Aufnahmen. Auf diesem Bild verstecken sich bei genauem Hinsehen gleich 14 Monde: Oberon, Titania, Umbriel, Juliet, Perdita, Rosalind, Puck, Belinda, Desdemona, Cressida, Ariel, Miranda, Bianca und Portia.
NASA, ESA, CSA, STScI

Kurzlebige Atmosphären

Interessante, teils saisonale Phänomene dürfte es auch auf den eisreichen Uranusmonden geben, von denen einige zudem verborgene Ozeane beherbergen könnten. Viele Uranusmonde zeigen Anzeichen für eine komplexe geologische Geschichte: Miranda etwa, der vierzehntinnerste Uranusmond, ist von bis zu 20 Kilometer tiefen Gräben zerfurcht. Titania und Oberon wiederum, die größten Uranusmonde, zeigen Spuren von tektonischer Aktivität. Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass diese und andere Uranusmonde auch kurzlebige Atmosphären besitzen könnten. Ein Forschungsteam um Ben Teolis vom Southwest Research Institute in Texas konnte kürzlich in Simulationen zeigen, dass die saisonale Sonneneinstrahlung bei einigen Monden stark genug sein dürfte, um Eis auf deren Oberflächen zu sublimieren. Daraus könnten sich vorübergehend dünne Exosphären speisen.

Doch auch die Atmosphäre des Gasplaneten selbst gibt viele Rätsel auf, die wissenschaftliche Erforschung des Planeten steht noch ziemlich am Anfang. Das liegt auch an seiner großen Entfernung, 2,9 Milliarden Kilometer liegen im Durchschnitt zwischen der Sonne und ihrem siebten Planeten. Besuch erhielt Uranus überhaupt erst einmal, 1986 schaute die Nasa-Sonde Voyager-2 vorbei und lieferte die ersten detaillierten Bilder und Daten. Im Vergleich zu den Gasriesen Jupiter und Saturn zeigte Uranus überraschend wenig Aktivität, später enthüllte das Weltraumteleskop Hubble aber, dass es auch in der Uranusatmosphäre dynamische Wetterphänomene und massive Stürme gibt.

Mehrere helle Stürme sind auch auf der neuen Webb-Aufnahme rund um die Polkappe zu sehen. Die Anzahl und Intensität dieser Stürme dürfte auf eine Kombination aus saisonalen und meteorologischen Effekten zurückzuführen sein, genauere Details sind aber unbekannt.

Besuch bei den äußeren Nachbarn?

In den vergangenen Jahren stieg das astronomische Interesse am weitgehend unerforschten Uranus und seinem äußeren Nachbarn Neptun. Die US-Weltraumbehörde Nasa und die europäische Weltraumorganisation Esa bekundeten grundsätzliches Interesse an Missionen ins äußere Planetensystem und haben bereits Pläne dafür entwickelt. Doch für eine Umsetzung fehlt bisher die Finanzierung, Fachleute beziffern die Kosten für eine umfangreichere Mission mit etwa vier Milliarden Euro. Da gibt es billigere Konkurrenz im Sonnensystem, die schnellere Ergebnisse verspricht. Zu erkunden gäbe es aber viel, sagt die US-amerikanische Planetologin Heidi Hammel, Vizepräsidentin der Planetary Society. "Wir betonen es seit Jahrzehnten, dass eine Rückkehr zu den Eisriesen aus wissenschaftlicher Sicht wirklich von Bedeutung ist." (David Rennert, 24.12.2023)