Es war ein Plan Herbert Kickls, als er unter Türkis-Blau Innenminister war. Die kostenlose Rechts- und die Rückkehrberatung von Asylwerbern müsse künftig "objektiv" sein, sagte der nunmehrige FPÖ-Chef im Jahr 2018. Der Staat werde diese Aufgaben übernehmen.

Der Verfassungsgerichtshof
Der Verfassungsgerichtshof prüfte die staatliche BBU-Rechtsberatung von Amts wegen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Bis dahin waren die Tätigkeiten ausgelagert. Sie oblagen der Arge Rechtsberatung, die aus Volkshilfe, Diakonie sowie dem inzwischen nicht mehr aktiven Verein Menschenrechte bestand. Die Absichten des türkisen Innenministers stießen vom ersten Tag an auf Kritik. Flüchtlingsunterstützer und Menschenrechtsfachleute monierten, dass Rechtsberatung in staatlicher Hand nicht unabhängig und daher rechtswidrig sei.

Dennoch: Am 16. Mai 2019 – einen Tag vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, das Türkis-Blau zu Fall bringen sollte – beschlossen beide Parteien die Gründung der Bundesbetreuungsagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) in Besitz des Bundes.

Kritiker bekamen nach viereinhalb Jahren recht

Nun, viereinhalb Jahre später, bekamen die damaligen Kritikerinnen und Kritiker recht. Laut dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylsuchende durch die BBU) nicht hinreichend gesetzlich abgesichert. Dadurch werde das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt, befand das Höchstgericht in einem am Freitag öffentlich gewordenen Spruch.

Dem Gesetzgeber wird bis 1. Juli 2025 Zeit für eine Reparatur der Bestimmung gegeben. Der VfGH hatte die Prüfung im Jahre 2022 von Amts wegen gestartet. Anlass waren mehrere Verfahren wegen Fristversäumnissen in Verfahren der BBU-Rechtsberatung.

Diese wurde nach Kickls Abgang als Innenminister von Schwarz-Grün zwar entsprechend den organisatorischen Vorgaben der BBU umgesetzt. Die Rechtsberatenden wurden jedoch weisungsfrei gestellt. Zum Leiter der BBU-Rechtsberatung wurde Stephan Klammer, davor Leiter des Diakonie-Flüchtlingsdienstes, erkoren.

Trotz Weisungsfreiheit vom Staat abhängig

Auch strichen Karl Nehammer als ÖVP-Innenminister und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) mehrfach die Unabhängigkeit der Beratung heraus. Strukturell vom Staat abhängig blieb sie trotzdem – ein Umstand, dem der VfGHnun ein Ende bereitet hat.

Bei der BBU selbst stößt diese Entscheidung auf Zustimmung. Es sei begrüßenswert, dass die Weisungsfreiheit der Beraterinnen und Berater nun auch auf gesetzlicher Ebene stärker abgesichert werden solle, kommentierte BBU-Geschäftsführer Andreas Achrainer den VfGH-Spruch.

Ablehnend hingegen zeigte sich FPÖ-Chef Kickl. Der VfGH-Spruch sei "zur Kenntnis zu nehmen", aber "unverständlich", da er "verfahrensverschleppende NGOs" mit "privaten Geschäftsinteressen" fördere, verkündete er. (Irene Brickner, 22.12.2023)