In der emotional vielfach aufgeheizten Diskussion über Flüchtlinge und Asyl wird ein Kritikpunkt regelmäßig wiederholt: Die Asylverfahren dauerten zu lange. Als Grund dafür vermuten asylkritische Kreise wie die FPÖ bewusstes Verschleppen von Entscheidungen durch Asylsuchende und ihre Vertretungen quer durch die Instanzen. Flüchtlingsunterstützerinnen und -unterstützer hingegen sehen vielmehr die schlechte Arbeit der Asylbehörden als verantwortlich.

Das Bundesverwaltungsgericht in Wien
Hat auch viel mit Asyl- und Fremdenrechtsverfahren zu tun: das Bundesverwaltungsgericht.
APA/HELMUT FOHRINGER

Nun stärkt die Auswertung mehrerer parlamentarischer Anfragebeantwortungen durch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) an Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper die Behördenthese sehr. Allein in den sieben Monaten zwischen Februar und August 2023 hätten oberflächliches und schlampiges Ermitteln des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), also der Asylbehörde erster Instanz, die öffentliche Hand über 20 Millionen Euro gekostet, rechnet Wolfgang Salm von der NGO Fairness Asyl vor.

Krisper sieht rechtsstaatliches Problem

Krisper ortet "enorme Steuergeldverschwendung" und ein rechtsstaatliches Problem: Bei Asylverfahren könne es "um Leib und Leben gehen".

Grundlage von Salms Kalkulation sind neue Erkenntnisse über die Gründe der Aufhebungen von negativen Asylbescheiden des BFA im genannten Zeitraum. Erfasst werden diese Begründungen bei dieser Asylbehörde durch ein Tool namens BERT, das noch nicht lange im Einsatz ist.

Stephanie Krisper
Will eine bessere Fehlerkultur bei Asylverfahren in erster Instanz: Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper.
APA/GEORG HOCHMUTH

BERT hält nicht nur den Umstand fest, dass ein Entscheid der Asylbehörde vom Gericht gehoben wurde – so, wie es vorher war. Sondern das Tool unterscheidet auch zwischen internen und externen Gründen für die Aufhebung. Externe Gründe sind sozusagen höhere Gewalt: Die neuerliche Machtübernahme der Taliban in Afghanistan etwa ist ein solcher; Flüchtlinge danach in dieses Land zurückzuschicken ist asylrechtlich und humanitär unmöglich.

Mangelnde Sorgfalt beim BFA

Interne Aufhebungsgründe hingegen wurzeln in Defiziten beim BFA: in unsorgfältigen Ermittlungen, Formal- und Interpretationsfehlern etwa. Laut einer der genannten Zadić-Anfragebeantwortungen wurden dortige interne Gründe im Gesamtjahr 2022 in 2.551 von 5.364 Spruchbehebungen, bei der gerichtlichen Berufungsinstanz, dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) als Ursache angeführt. Oder auch: in 39,94 Prozent.

Die Kosten für BVwG-Verfahren im Bereich Fremdenwesen und Asyl wiederum betrugen laut einer weiteren Anfragebeantwortung der Justizministerin zwischen Februar und August des heurigen Jahres 64.748.142,50 Euro. Unter der Annahme des gleichen Prozentsatzes aus internen Gründen gehobener Entscheide wie 2022 ergebe das Ausgaben in der Höhe von mehr als 25 Millionen Euro, rechnet Salm.

Wegen "möglicher Unschärfen" zieht er bei den Kosten schlussendlich rund zehn Prozent ab. Die Summe sei dennoch beträchtlich, sagt er und zieht einen Vergleich: Das Jahresbudget des BVwG, das bekanntlich nicht nur in Asylsachen, sondern in sämtlichen Verwaltungsangelegenheiten Berufungsinstanz ist, beträgt 88,594 Millionen Euro für das heurige Jahr.

Innenministerium kann keine Angaben machen

Das BFA untersteht dem Innenministerium. Auf Anfrage des STANDARD heißt es dort, man könne zu der von Salm und Krisper angestellten Kostenrechnung "keine Angaben machen. Die genannten Kosten sind im Einzelfall unterschiedlich und werden zudem nicht nur aus Budgetmitteln des Innenministeriums gedeckt."

Zudem zähle das BVwG auch Bescheid-Abänderungen als Aufhebungen mit: etwa wenn nur die Dauer eines Aufenthaltsverbots oder die Frist für eine freiwillige Ausreise geändert werde. Ziel des Innenministeriums sei, die Qualität der Entscheidungen in der ersten Asylinstanz zu verbessern. Dazu sei ein "gesamtheitliches Wissensmanagement" aufgesetzt worden. (Irene Brickner, 18.12.2023)