Corona-Tests
Für die großflächigen Corona-Tests wurden vom Bund alleine bis Ende 2022 mindestens 5,2 Milliarden Euro ausgegeben. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme wurde wissenschaftlich aber noch nicht untersucht.
APA/HANS PUNZ

Dass bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie im Rückspiegel gesehen Fehler gemacht wurden, räumte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Rahmen der Präsentation des wissenschaftlichen Endberichts zur Corona-Aufarbeitung am Donnerstag ein. Bei der Krisenkommunikation ortete er für künftige Krisen etwa massiven Verbesserungsbedarf.

Das wurde im Bericht vor allem beim Thema der umstrittenen Impfpflicht untermauert: Hier herrschte im Vorfeld der Entscheidung statt einer ergebnisoffenen Debatte eine "Rhetorik der Alternativlosigkeit", wie die Autoren schrieben. Die Moralisierung der Impfung habe demnach maßgeblich zur Polarisierung beigetragen, eine Spaltung in zwei Gruppen war die Folge.

Studienleiter des Berichts ist der Soziologe Alexander Bogner von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ziel des Projekts war es, Lehren aus der Pandemie zu ziehen, um für künftige Krisen besser gewappnet zu sein. Bearbeitet wurden fünf Themenfelder wie vorgesehen aus sozialwissenschaftlicher Perspektive: die Polarisierung von Corona in der Öffentlichkeit, die Impflicht, Schulschließungen, die wissenschaftliche Politikberatung sowie die Wissenschaftsskepsis.

Covid-Tests kein Thema

Kein Thema war aber die Aufarbeitung über die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit zahlreicher einschneidender Maßnahmen etwa in medizinischer, rechtlicher oder ökonomischer Hinsicht. Das war auch nicht die Aufgabe des sozialwissenschaftlichen Endberichts. Dass die Bundesregierung die Wirksamkeit der Maßnahmen wie Corona-Tests und Lockdowns aus verschiedenen Perspektiven nicht untersuchen lässt, verwundert Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS). "Es hat noch keine Aufarbeitung der Maßnahmen an sich gegeben", sagte er dem STANDARD.

Alleine die Covid-Tests kosteten mehr als 5,2 Milliarden Euro, die Ausgaben in diesem Jahr sind in dieser Zahl noch gar nicht enthalten. Laut Czypionka müsse man die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme als Lehre für künftige Pandemien "nüchtern analysieren". Immerhin habe es trotz der Milliardenausgaben für die Tests nicht weniger Lockdowns als in anderen Ländern gegeben.

Kanzler Nehammer führte am Donnerstag aus, dass alle Maßnahmen der Regierung ein hehres Motiv gehabt hätten: nämlich Menschenleben zu retten. Nicht erwiesen ist aber, ob Österreich mit den Tests und mehreren harten Lockdowns tatsächlich eine weniger hohe Übersterblichkeit im internationalen Vergleich erreicht hat. Dieser Vergleich sei durchaus komplex, räumte Czypionka ein. Einen Vergleich mit Italien würde Österreich etwa gewinnen: In Italien sei aber auch die Bevölkerung sehr alt, und Ältere seien von Covid-Todesfällen besonders betroffen. In Deutschland hingegen sei die Übersterblichkeit geringer ausgefallen.

Schulschließungen im Rückblick ein Fehler

Die Schulschließungen und das Umstellen auf Distance-Learning bezeichnete Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Freitag rückblickend als Fehler. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien würden noch jetzt mit Nachteilen zu kämpfen haben. In dem am Donnerstag präsentierten wissenschaftlichen Bericht wurde ebenfalls kritisch darauf Bezug genommen, dass die Perspektive der Schüler in den Corona-Expertengremien nachrangig behandelt wurde.

Auch die "vollständige Abschottung" von Älteren in Pflegeheimen würde es laut Rauch nicht mehr in diesem Ausmaß geben. In der Pandemie habe die Regierung aber entsprechend dem damaligen Wissensstand gehandelt, sagte er auf Ö1.

Warten auf Novelle des Epidemiegesetzes

Die geplante Novelle des Epidemiegesetzes lässt indes noch etwas auf sich warten. Rauch hatte im Sommer angekündigt, dass die Überarbeitung bis Jahresende in Begutachtung gehen könne. Das geht sich aber nicht mehr aus, räumte der Minister am Freitag ein. Der Entwurf liege im Gesundheitsressort vor, es seien aber noch Abstimmungen mit der ÖVP nötig.

Die Freiheitlichen kritisierten die ihrer Ansicht nach "scheinheiligen Rechtfertigungen" von Rauch. Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sprach von einer "Corona-Tyrannei" und einer Täter-Opfer-Umkehr, die Rauch und Nehammer mangels Schuldeingeständnis betreiben würden. (David Krutzler, 22.12.2023)