Es wird angestoßen. Zwei Menschen halten Champagner-Schalen in der Hand und prosten sich zu.
Champagner ist teuer – die Inflation treibt die Preise zusätzlich in die Höhe. Daher greifen viele Menschen auf billigere Varianten wie Prosecco zurück.
APA/dpa/Jens Kalaene

Die Champagne-Gegend, im Osten von Paris gelegen und geprägt von Rebbergen, Winzerdörfern und Kalksteinkellereien, hatte schon vor Beginn der Festtage einen Kater. Das Pariser Branchenbüro Nielsen IQ ließ verlauten, die Großverteiler hätten in Frankreich seit Jänner um 20,7 Prozent weniger Champagner verkauft. Die Zahlen der Supermärkte gelten als repräsentativ für die ganze Branche.

Die Champagner-Winzer sind umso beunruhigter, als die Festtagszeit keine Besserung verspricht. Die Inflation hat in Frankreich im Bereich Nahrungsmittel seit Jänner 2022 bereits 18 Prozent Kaufkraft gekostet. Das schlägt sich im Geldbörsel nieder. Die Champagnerflaschen, die im Schnitt für 32,10 Euro über die Ladentheke gehen, verbleiben daher in den Regalen; Konkurrenten wie der italienische Schaumwein Prosecco, der auf einen Durchschnittspreis von 6,46 Euro kommt, fünfmal tiefer als Champagner, verzeichneten dagegen vor den Festtagen bereits einen Zuwachs von drei Prozent. Auch Spumante, spanischer Cava oder qualitativ hochstehende französische Prickelweine wie Crémant d'Alsace profitieren vom Einbruch der Champagner-Verkäufe.

Falsche Preispolitik

Verantwortlich für diese Entwicklung sind zum einen die Winzer in der Champagne. "Der Erfolg ist ihnen zu Kopfe gestiegen", klagt Michel-Edouard Leclerc, Vorsteher des gleichnamigen Großverteilers. "Sie erhöhen noch die Preise, obwohl die Leute schwach bei Kasse sind."

Oder sie suchen ihr Heil im Export. Die großen Ausfuhrmärkte USA, Großbritannien, Deutschland oder China halten sich besser: Die Champagner-Verkäufe sind dort laut dem offiziellen Comité Champagne im ersten Halbjahr "nur" um 4,7 Prozent zurückgegangen. Das dürfte aufs Jahr gerechnet einen Umsatzrückgang von zehn Prozent bedeuten, also in etwa die Hälfte des Einbruchs in Frankreich.

Die Baisse der Champagner-Exporte hat auch damit zu tun, dass der französische Edelsprudel seit dem Krieg in der Ukraine den wichtigen russischen Markt verloren hat. Das bekommen selbst Prestigemarken wie Ruinard oder Dom Pérignon zu spüren.

Neue Zielgruppen

Die erschwinglicheren Schaumweine laufen der erfolgsgewohnten Champagnerbranche aber nicht nur preislich, sondern auch in Sachen Marketing den Rang ab. Prosecco erreicht zunehmend ein junges Publikum, weil er für modische Apéros und Drinks wie Spritz verwendet wird. Ein Kir Royal mit Schampus als Hauptzutat hat dagegen keinen Reiz des Neuen mehr. Champagner wird nur noch für sehr spezielle Anlässe oder fürs Neujahr gekauft. Viele Partyveranstalter kaufen den Nobelsprudel sogar erst am späten Nachmittag des 31. Dezembers, um von den Preisnachlässen buchstäblich in letzter Minute zu profitieren.

Dass in Inflationszeiten letztlich die Preisfrage den Ausschlag gibt, zeigt sich auch im allgemein veränderten Konsumverhalten an den Festtagen. Mehrere Luxusprodukte wie Gänsestopfleber verlieren ebenfalls an Boden. Ihre Verkäufe haben laut dem Konsumverhaltensbüro Circana in Frankreich seit zwei Jahren 31 Prozent an Absatz eingebüßt. Die Vogelgrippe oder ökologische Einwände erklären diesen Einbruch nur zum Teil. Denn auch andere typische Feiertagsgänge sind in Frankreich derzeit weniger gefragt. Die Branchenbüros machen im aktuellen Weihnachtsgeschäft eine klare Tendenz aus: "Foie gras wird durch Terrine ersetzt, Lachs durch geräucherte Forellen, Perlhuhn durch gewöhnliches Huhn, Confiserie- durch Tafelschokolade", sagt Emmanuel Fournet vom Büro Nielsen IQ. "Die Menschen kaufen sozusagen eine Stufe tiefer." (Stefan Brändle aus Paris, 28.12.2023)