16 Seiten umfasst der Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung, den die Signa Prime Selection AG beim Handelsgericht Wien eingebracht hat. Dieses wurde am Donnerstagnachmittag am Handelsgericht Wien eröffnet, teilte der Alpenländische Kreditorenverband mit. Zum Insolvenzverwalter wurde die Rechtsanwaltskanzlei von Norbert Abel bestellt. Am 15. Jänner findet die erste Gläubigerversammlung am Handelsgericht Wien statt. Am 26. Februar erfolgt die Prüfungstagsatzung. Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 12. Februar einreichen.

Zu Rate gezogen hat die Signa die Insolvenzrechtsexperten der Kanzleien Graf Isola in Graz und Kosch & Partner in Wien – als Insolvenzgrund werden im Antrag ans Gericht, der dem STANDARD vorliegt, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung angegeben. Geführt wird die Signa Prime derzeit von drei Vorstandsmitgliedern, die auch künftig an Bord bleiben: von Sanierer Erhard Grossnigg, Manuel Pirolt und dem deutschen Bauingenieur und Immobilienökonomen Tobias Sauerbier – er arbeitet von Deutschland aus.

Das Gebäude der Österreichischen Postsparkasse in der Wiener Innenstadt 
Die denkmalgeschützte Österreichische Postsparkasse in der Wiener Innenstadt zählt zu den Perlen der insolventen Signa Prime.
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Signa Prime, bei der nun Aktiva von 1,3 Milliarden Euro Passiva von 4,5 Milliarden Euro gegenüberstehen, ist die größte Immobiliengesellschaft der Signa-Gruppe, laut Antrag ist sie einer der größten nicht börsennotierten Gewerbeimmobilienkonzerne Europas. 54 Immobilien gehören ihr, wobei sich 23 davon noch im Entwicklungsstadium befinden, der Vermögenswert lag zuletzt bei 19,3 Milliarden Euro brutto. Als Highlights zählt die Prime etwa das Goldene Quartier, die Postsparkasse, den Verfassungsgerichtshof in Wien oder das Innsbrucker Kaufhaus Tyrol, den Ku'damm und das KaDeWe in Berlin oder das Selfridges in London auf.

Video: Signa Prime reichte Insolvenzantrag ein – Passiva bei 4,5 Milliarden Euro.
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Komplizierte "Beteiligungskette"

Die Besitz- beziehungsweise Eigentumsverhältnisse sind, wie in der Signa-Gruppe üblich, hochkompliziert. Die Signa Prime ist eigentlich eine Holding, die jeweiligen Immobilien sind in eigenen Besitzgesellschaften untergebracht. An ihnen ist die Prime mittelbar über eine "in- und ausländische Beteiligungskette (großteils mehrheitlich oder allein) beteiligt", wie es im Antrag heißt. Eigentümer sind zu 20 Prozent die Signa Holding, zu 17 Prozent Kleinaktionäre, zu 13 Prozent die Signa Prime Holding GmbH, um nur die wichtigsten zu nennen.

Erwähnt sei, dass weitere zwölf Aktionäre größere Beteiligungen halten, darunter die deutsche RAG-Stiftung (fünf Prozent; sie ist für die Abwicklung des deutschen Steinkohlenbergbaus zuständig), zehn Prozent hält die Kühne Immobilia Austria GmbH des gleichnamigen deutschen Transportunternehmers.

Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Prime ist Alfred Gusenbauer, auch die Signa-Beiratsmitglieder Karl Sevelda, Susanne Riess-Hahn und Karl Samstag haben Sitz und Stimme im Kontrollgremium. Robert Peugeot und Karl Stoss sind jüngst zurückgetreten.

Die Signa Prime ihrerseits, die zuletzt 28 Leute beschäftigte, ist an 369 Gesellschaften beteiligt, an den bereits genannten Immobilienbesitzgesellschaften, an Finanzierungsgesellschaften, die Anleihen, Schuldverschreibungen und andere Finanzierungsinstrumente emittiert haben. Einen Wert stellen diese aber nicht dar.

EZB-Recherche als Insolvenzgrund genannt

Und was war die Insolvenzursache, was ist dazu im Antrag zu lesen? Laut Antrag sei Signa Prime ein begehrtes Investitionsobjekt vor allem für institutionelle Anleger gewesen und bisher auch stets in der Lage, auslaufende Finanzierungen pünktlich durch die Emission neuer Finanzinstrumente zu ersetzen oder dadurch sogar neue Projekte zu finanzieren. Allerdings habe die EZB dann nach jahrelanger Nullzinsphase zehnmal die Zinsen erhöht, zu Inflation und Kostendruck sei dann noch ein "De-facto-Stillstand" bei Immobilientransaktionen dazugekommen. Zudem habe sich die Anfrage der EZB an die Kreditinstitute nach ihrem Signa-Engagement äußerst negativ ausgewirkt. Insgesamt sei so ein – für jeden Immobilienentwickler – "toxischer Mix" entstanden.

In Zahlen ausgedrückt: Das Jahresergebnis hat sich per Ende 2022 extrem verschlechtert, auf minus eine Milliarde Euro, im Jahr davor war es noch bei plus 732 Millionen Euro gelegen.

Insgesamt geht man bei der Signa Prime aber davon aus, dass man den Gläubigern nach zwei Jahren eine 30-prozentige Quote bezahlen werde könne, konkret müssen dafür rund 1,4 Milliarden Euro aufgestellt werden. Später kämen dann noch Ansprüche von Genussscheininhabern dazu. Das freie Vermögen sollte gemäß Status bei 1,3 Milliarden Euro liegen; bei einer geordneten Abwicklung würde sich das buchmäßig positive Eigenkapital in eine Überschuldung von 3,2 Milliarden Euro drehen – bei einer Zerschlagung würde aber gemäß Insolvenzantrag sehr viel weniger für die Quotengläubiger herausschauen.

Die nötigen Abwertungen bei einer derartigen Zerschlagung wären enorm: Allein bei den unfertigen Projekten setzt die Prime den Abwertungsbedarf bei den Beteiligungsansätzen und internen Forderungen bei rund 6,6 Milliarden Euro an, zudem würden Haftungen schlagend werden für die Anleihen und Finanzierungen der Konzerngesellschaften.

Bis zu 500 Millionen Euro für Überbrückung

Deswegen wolle man im Interesse aller Stakeholder einen Firesale – also Notverkäufe – vermeiden (zumal man von einer Zinswende ausgeht). Plan der Gesellschaft, die laut Creditreform rund 300 Gläubiger hat, ist es, die Immobilien und Beteiligungen zu strukturieren und dann zu verwerten – Neugeschäft soll es keines mehr geben. Zu diesem Zweck wurde dem Handelsgericht ein 18-Wochen-Finanzplan vorgelegt – für diese rund vier Monate bräuchte die Prime rund 13,3 Millionen Euro Liquidität.

Um die Signa Prime Selection am Leben zu erhalten, müssen allerdings laufende Projekte fortgesetzt werden, das sehen selbst die Antragsteller als "enorm herausfordernd" an, man müsse rasch entscheiden, welche Projekte eingestellt und welche fortgesetzt werden sollen. Zudem müsse man Pakete schnüren, um die Immobilien(projekte) überhaupt verwerten zu können. Auch das wäre aber noch nicht genug, denn: Auch die einzelnen Immobilienbesitzgesellschaften müssen durchgefüttert werden, und laut Prime-Management braucht es dafür allein rund 300 bis 500 Millionen Euro an weiterer Überbrückungsfinanzierung.

Einer der Gründe, warum die Prime ihren Kopf per Eigenverwaltung aus der Schlinge ziehen möchte, ist übrigens die Change-of-Control-Klausel. Im Fall eines Insolvenzverfahrens ohne Eigenverwaltung würde diese Klausel, die Kreditgebern und anderen Gläubigern Ausstiegsrechte einräumt, schlagend werden – und sich gesellschafts- und steuerrechtlich "höchst nachteilig" auf die gesamte Gruppe auswirken, heißt es im Antrag an das Handelsgericht Wien. (Renate Graber, 28.12.2023)