Es war schon länger darüber gemutmaßt worden, jetzt ist es so weit: Die Signa Prime Selection AG, die Luxusimmobilienschiene und das Herzstück des Konzerns von René Benko, meldet Insolvenz an. "Der Vorstand der Signa Prime Selection AG hat einen Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung für die Aktiengesellschaft beim Handelsgericht Wien eingebracht", heißt es in einer Presseaussendung des Konzerns von Donnerstagvormittag. "Zudem haben die Vorstände auch die Annahme eines Sanierungsplans beantragt. Ziel sind die geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Eigenverwaltung und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens." Die Insolvenz der Prime folgt auf jene der Signa Holding von Ende November.

Das Insolvenzverfahren wurde am Donnerstagnachmittag am Handelsgericht Wien eröffnet, teilte der Alpenländischer Kreditorenverband mit. Zum Insolvenzverwalter wurde die Rechtsanwaltskanzlei von Norbert Abel bestellt. Am 15. Jänner findet die erste Gläubigerversammlung am Handelsgericht Wien statt. Am 26. Februar erfolgt die Prüfungstagsatzung. Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 12. Februar einreichen.

In der Prime sind die bedeutendsten und luxuriösesten Immobilien des Signa-Reichs versammelt. Dazu zählen unter anderem das Goldene Quartier, die von Otto Wagner erbaute denkmalgeschützte Postsparkasse und das Hotel Park Hyatt (allesamt in der Wiener Innenstadt), das in Bau befindliche Kaufhaus und Hotel Lamarr an der Wiener Mariahilfer Straße, der Elbtower in Hamburg (bei dem derzeit ein Baustopp besteht), das Berliner Kaufhaus KaDeWe, das traditionsreiche Palazzo Hotel Bauer in Venedig und die britische Nobelkaufhauskette Selfridges. Insgesamt zählen 54 Top-Immobilien zur Prime.

Der Signa-Konzern versinkt in Insolvenzen.
Große Brocken: Der Signa-Konzern versinkt in Insolvenzen.
Lukas Friesenbichler, DER STANDARD

"Im Immobilienbereich haben sich in den vergangenen Monaten externe Faktoren negativ auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt", begründet die Signa den Schritt in ihrer Aussendung. "Trotz erheblicher Bemühungen in den vergangenen Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden." In dieser Struktur soll "eine Neuordnung der eigenen Aufgaben und der eigenen Verbindlichkeiten erreicht und dabei die Werthaltigkeit der Beteiligungen erhalten" werden. Ziel sei die "Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs".

"Wir werden diese wichtigen Aufgaben mit Bedacht und Vernunft angehen", wird Erhard Grossnigg, Vorstandssprecher der Prime, zitiert. Es gelte "langfristige Lösungen zu finden. Die Qualität des Signa-Prime-Portfolios ist hervorragend, die Entwicklungsperspektive der Development-Projekte, die in den Toplagen der deutschsprachigen Metropolen liegen, ist sehr gut."

Auf der Website der Signa wird die Prime als "eine der größten Immobiliengesellschaften Europas" bezeichnet. Das "Gross Asset Value", also die Summe der Immobilienwerte, wurde auf der Homepage zuletzt mit 20,4 Milliarden Euro angegeben. Als die Zeiten noch besser waren, soll René Benko gern gescherzt haben, dass nur der Papst und die britische Königsfamilie schönere Immobilien als die Signa besitzen würden – damit sind überwiegend die Objekte der Prime gemeint, die nun wohl verwertet werden müssen. "Ab jetzt stellt sich die Frage, wie es mit den Immobilien-Leuchttürmen der Signa-Gruppe weitergeht", sagt Karl-Heinz Götze, Leiter für Insolvenz beim Kreditschutzverband KSV 1870, per Aussendung. "Darunter fallen unter anderem das Goldenen Quartier in Wien oder der Elbtower in Hamburg".

Video: Signa Prime reichte Insolvenzantrag ein.
APA

Signa Development folgt Freitag

Wie Donnerstagvormittag überdies bekannt wurde, wird Freitag auch die Signa Development AG Insolvenz anmelden. Dabei handelt es sich um die zweite wichtige Immobiliengesellschaft von Benkos Signa. Die Prime ist für Luxusobjekte zuständig, die Development für Immobilienentwicklungen, etwa Büroprojekte.

Bereits Ende November hat die Dachgesellschaft der Signa, die Signa Holding, Insolvenz angemeldet, zwischenzeitlich folgten zahlreiche kleinere Signa-Unternehmen. Mit Verbindlichkeiten von rund fünf Milliarden Euro handelte es sich bei der Holding um die bisher größte Insolvenz der österreichischen Unternehmensgeschichte.

Möglicherweise wird dies von der Prime und der Development getoppt: Allein bei der Prime gibt es laut Alpenländischem Kreditorenverband (AKV) Gesamtforderungen von 4,5 Milliarden Euro. Betroffen sind laut AKV 349 Gläubiger und 28 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer. Die Aktiva der Signa Prime werden von ihr selbst mit 1,3 Milliarden Euro beziffert; es besteht eine Überschuldung von rund 3,2 Milliarden Euro.

Ein aktuelles Papier der US-Investmentbank JPMorgan, das dem STANDARD vorliegt, beziffert die Schulden der Prime noch höher. Demnach liegen sie bei rund 10,7 Milliarden Euro – das wäre mehr als doppelt so viel wie bei der Holding. Bei rund zwei Drittel davon handelt es sich laut JPMorgan um ausstehende Anleihen. Bei der Development dürften die Verbindlichkeiten in einer ähnlichen Höhe liegen.

Laut JPMorgan zehn Milliarden Schulden

Wie kann das sein, dass die Konzerntöchter wichtiger sind als die Konzernmutter Holding? Bei der Holding handelte es sich nur um die Dachgesellschaft: zwar mit einer milliardenschweren Bilanzsumme, aber vergleichsweise geringem Umsatz und lediglich rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (von denen inzwischen der Großteil abgebaut wurde). Das Vermögen des Signa-Konzerns hingegen liegt vor allem bei den wichtigen Töchtern, insbesondere der Prime.

Grafik Struktur Signa
Der Signa-Konzern mit seinen beiden Hauptachsen, Immobilien und Handel.
DER STANDARD

Zu den wichtigsten Eigentümern der Prime zählen die insolvente Signa Holding (58 Prozent), der deutsche Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne (zehn Prozent) und die deutsche RAG-Stiftung, die mit der Abwicklung des deutschen Kohlebergbaus beschäftigt ist (6,5 Prozent). Die Prime ist neben der Signa Development AG die wichtigste Immobiliensparte im Benko-Konzern. Neben Prime und Development gibt es noch die Signa Retail, bei der das Handelsgeschäft gebündelt ist und bei der vorerst noch keine Insolvenz im Raum steht. Zu den Eigentümern der Development zählen neben der Signa Holding (59 Prozent) unter anderem der Schweizer Kaffeemaschinenunternehmer Arthur Eugster (7,2 Prozent) und die Familienstiftung des Strabag-Gründers Hans Peter Haselsteiner (9,2 Prozent).

Zurück zur Prime: Im Jahr 2021 (jüngere Zahlen sind nicht veröffentlicht) hatte die Signa Prime eine Bilanzsumme von rund 14 Milliarden Euro, das Eigenkapital betrug 3,7 Milliarden. Das Ergebnis nach Steuern machte rund 400 Millionen Euro aus, der Bilanzgewinn erreichte dank eines Gewinnvortrags beinahe eine Milliarde Euro. Zuletzt wurde bekannt, dass die Gesellschaft bis zum Halbjahr 2024 rund zwei Milliarden Euro brauchen würde, um eine Pleite zu verhindern.

Überprüfung "historischer Geschäftsfälle"

Was die Holding betrifft, hat der Sanierungsverwalter, der Wiener Rechtsanwalt Christof Stapf, angekündigt, zahlreiche "historische Geschäftsfälle" zu überprüfen. Ein ähnliches Prozedere steht nun wohl auch bei der Prime bevor. Im hochgradig intransparenten Signa-Imperium weiß man bei etlichen Geschäften nicht, was eigentlich der Zweck dahinter war und wer letztlich davon profitierte. Dies wird nun wohl auf Druck der Gläubiger aufzuarbeiten sein. Allein die Prime hat laut Kreditschutzverband KSV 1870 369 Gesellschaften, an denen sie mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. DER STANDARD berichtete etwa kürzlich über ein Geschäft in Luxemburg, das in den Jahren 2015 und 2016 abgewickelt wurde: Dividenden aus Geschäften mit der dortigen Prime-Tochter flossen mutmaßlich an eine private Stiftung im Einflussbereich von René Benko.

In den vergangenen Wochen waren noch hektische Schritte gesetzt worden, um eine Pleite der Prime zu verhindern. Teile wichtiger Objekte wie des Wiener Goldenen Quartiers wurde verkauften, Gespräche über weitere Veräußerungen laufen. Außerdem war Mitte Dezember der Vorstandschef der Signa Prime gefeuert worden–der deutsche Manager Timo Herzberg, der neben der Prime auch die Development verantwortet hat. Als Grund führte die Signa mutmaßliche Unregelmäßigkeiten an, angeblich im Zusammenhang mit privaten Mietgeschäften, was Herzberg zurückweist.

In den Vorstand aufgerückt ist dafür Erhard Grossnigg, ein österreichischer Sanierungsspezialist, der als Vertrauter des Strabag-Gründers Hans Peter Haselsteiner gilt – der wiederum als Mitinvestor im Signa-Imperium eine wichtige Rolle spielt. Diese Personalie und weitere Schritte in den vergangenen Wochen konnten die Insolvenz aber nicht mehr abwenden.

Platz eins, zwei und drei der größten Insolvenzen im Land

Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Freitag Platz eins, zwei und drei der größten Insolvenzen im Land an den Signa-Konzern gehen: konkret an Holding, Prime und Development. Die bisher größte Insolvenz im Land, der Baukonzern Alpine im Jahr 2013, landet nunmehr laut APA mit Passiva von 3,2 Milliarden Euro auf dem vierten Platz. Dahinter folgen unter anderem die Handelskette Konsum im Jahr 1995 und die A-Tec im Jahr 2010. (Joseph Gepp, 28.12.2023)