Signa-Gründer René Benko
René Benko hat sich mit der Signa ein imposantes Immobilienportfolio aufgebaut.
APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Wien – Der Aufstieg des Immobilientycoons René Benko klingt zunächst wie aus dem Bilderbuch: Aus einfachen Verhältnissen und ohne Schulabschluss schaffte es der Tiroler zu einem der reichsten Unternehmer Österreichs. Doch zuletzt wurde deutlich, dass er und seine Signa Holding tief in der Krise stecken. Die Unternehmen schrieben Verluste, Geldgeber wendeten sich ab und forderten den Rückzug von Benko. Am Ende stand die Insolvenz der Holding, den Bericht dazu gibt es hier. Wer ist der Mann, der hinter der Signa-Geschichte steht?

Video: Signa Holding reicht Insolvenzantrag am Handelsgericht Wien ein.
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Gestiegene Zinsen brachten Schieflage

Das Immo-Imperium hat der 46-Jährige aus Innsbruck bereits mit 22 Jahren aufzubauen begonnen. Jüngsten Angaben auf der Konzern-Homepage zufolge erreicht die Signa Real Estate AG einen Bruttovermögenswert von 27 Mrd. Euro. Hinzu komme ein Entwicklungsvolumen von 25 Mrd. Euro. Schätzungen des US-Magazins "Forbes" zufolge schrumpfte das Vermögen des Signa-Gründers heuer bis Ende November binnen weniger Monate um mehr als die Hälfte von rund sechs Milliarden auf 2,8 Milliarden Dollar (rund 2,6 Mrd. Euro). Der Milliardär rutschte damit auf der Liste der weltweit reichsten Menschen vom 425. auf den 1105 Platz ab. Ein Grund dafür ist auch, dass die Immobilien an den aktuellen Marktwert angepasst werden mussten. Weil der Immo-Markt sich verschlechtert hat, waren Abwertungen die Folge. Das schlägt freilich auch auf Benko zuzurechnende Immobilienwerte durch.

Laut dem "Wirtschafts-Compass" hält die Familie Benko Privatstiftung direkt und indirekt rund 66 Prozent an der nun insolventen Signa Holding GmbH. Weitere 15 Prozent hält die Familienstiftung um den Industriellen und Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Durch die im Herbst immer offensichtlicher gewordene Schieflage des Immobilienkonzerns sank auch der Wert von Benkos Signa-Anteil. Medienberichten zufolge gehörten ihm zuletzt auch privat Signa-Immobilien, wie etwa das Luxusresort Eden Reserve am Ufer des Gardasees. Vergangene Woche wurde bekannt, dass Bilder von Picasso und Basquiat, die sich im Eigentum von Benkos "Laura"-Privatstiftung befinden, zu Geld gemacht werden sollten. Auch für seine 62 Meter lange Yacht namens Roma fand sich bis Montag im Internet ein Inserat mit einem Verkaufspreis von 39,9 Millionen Euro.

Schneller Reichtum, guter Netzwerker

Schon als Schüler erregte der Sohn eines Gemeindebediensteten und einer Kindergärtnerin Mitte der 1990er-Jahre Aufsehen. Als 17-Jähriger organisierte er für einen befreundeten Innsbrucker Baumeister den Ausbau von Dachböden in bester Stadtlage. Dass er damit gutes Geld verdiente, stellte er auch zur Schau. Schulkollegen erinnerten sich vor einigen Jahren in der Zeitung "Falter" an Goldkettchen und einen geleasten Ferrari. Bereits mit 20 Jahren soll Benko seine erste Schilling-Million gehabt haben, mit 40 war er Euro-Milliardär, und seither ist er einer der vermögendsten Österreicher.

Benko galt in seinem Umfeld als "Blitzgneißer" mit gutem Geschäftsinstinkt, als "super Netzwerker" und vor allem als sehr arbeitswillig – nach eigenen Angaben stand er jeden Tag um halb fünf in der Früh auf und arbeitet bis kurz vor Mitternacht.

Nur die Schule hat Benko nicht so ernst genommen. "Das ist wahrlich so, ich war im letzten Schuljahr, im Maturajahr, so wenig in der Schule, dass ich dann aufgrund der vielen Fehlstunden nicht mehr zur Matura zugelassen wurde", erzählte er vor vielen Jahren in einem ORF-Interview.

Postsparkasse und Chrysler Building

Benko gelang es früh, Reiche und Prominente von seinen Geschäftsideen zu überzeugen. Kurz nach der Gründung der Immofina, aus der später die 1999 gegründete Signa-Gruppe hervorging, traf er auf den Stroh-Tankstellenerben Karl Kovarik, der sich 2001 in Benkos Unternehmen einkaufte. Mit Kovariks Geld, einem zweistelligen Millionenbetrag, wuchs die Signa Holding zu einem der größten österreichischen Immobilienunternehmen heran, das seine Fühler längst auch ins Ausland, vor allem nach Deutschland, ausgestreckt hat.

Ein Blick von Oben auf New York. Der Fokus liegt auf dem Chrysler Building
Das Chrysler Building gehört zum Immobilienportfolio der Signa. René Benko ist zur Hälfte an dem bekannten US-Gebäude beteiligt.
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Der erste große Deal, mit dem der Tiroler 2004 auf sich aufmerksam machte, war die Übernahme des Kaufhauses Tyrol in Innsbruck, des bekanntesten Warenhauses in dem westlichen Bundesland. Später kamen Immobilien in der Wiener Innenstadt wie das Goldene Quartier inklusive des Hotels Park Hyatt (Ex-Länderbank-Zentrale), das Bank-Austria-Kunstforum Wien und die vom Jugendstil-Architekten Otto Wagner konzipierte Österreichische Postsparkasse dazu. Auch prestigeträchtige Gebäude im Ausland gehören zum Signa-Reich. So etwa das Gebäude der Deutschen Börse in Eschborn und das Hotel Bauer Palazzo in Venedig.

Die Hälfte der Beteiligungen am Chrysler Building in New York sowie am Nobelkaufhaus Selfridges in London gehören Benko. Bei Selfridges hat zuletzt jedoch bereits der thailändische Handelsriese Central Group die Kontrolle über die bisher gemeinsam mit der Signa Holding gehaltene Luxus-Kaufhauskette übernommen. Die Central Group sicherte damit ihre Position bei der Kaufhauskette ab, Signa ist nur noch Minderheitsaktionär. Signa und Central hatten die Übernahme von Selfridges Ende 2021 gemeinsam verkündet. Sie übernahmen damals 18 der 25 Warenhäuser des Anfang des vergangenen Jahrhunderts von Harry Gordon Selfridge gegründeten Handelshauses. Die Central-Gruppe gehört der thailändischen Milliardärsfamilie Chirathivat. Die Central Group und Benko übernahmen Anfang 2020 je eine Hälfte des Warenhauses Globus in der Schweiz.

Zur Signa gehört auch der Elbtower in Hamburg, bei dem zuletzt die Bauarbeiten eingestellt werden mussten, weil die Signa nach Angaben der Baufirma nicht rechtzeitig zahlte. Das sind nur einige Beispiele für das milliardenschwere Immobilienimperium rund um Benko und seine Signa-Gruppe.

Bekannt und diskret

Benko ist auf Diskretion bedacht, wenn es um sein Privatleben geht. Der mit einem Ex-Model verheiratete mehrfache Familienvater beschränkte seine öffentlichen Äußerungen und Auftritte auf ein Minimum. Seine Verschwiegenheit galt auch für seine Geschäftsergebnisse – in die Bücher seiner bewusst nicht börsennotierten Beteilungsgesellschaft Signa Holding ließ er Außenstehende in der Regel nicht blicken, insbesondere Gewinn- und Reservezahlen behielt er lieber für sich.

Benko umgab sich gerne mit Prominenten aus Politik und Wirtschaft, die ihm immer wieder beträchtliche Summen anvertraut hatten. Zu seinem herbstlichen Törggelen, dem Südtiroler Brauch mit Maroni-Essen und jungem Wein, erschienen alljährlich Menschen von Rang und Namen aus Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur. Heuer entfiel der schillernde Event in Wien.

Der Unternehmer baute sich ein prominentes Netzwerk auf. In den Aufsichtsräten seiner Gesellschaften sitzen unter anderem Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, die Wüstenrot-Chefin und Ex-FPÖ-Vize-Kanzlerin Susanne Riess-Hahn, der frühere Bank-Austria-Creditanstalt-Chef Karl Samstag, Ex-RBI-Chef Karl Sevelda sowie der französische Geschäftsmann Robert Peugeot und der Finanzvorstand der deutschen RAG-Stiftung, Jürgen-Johann Rupp.

Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), René Benko und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Eröffnung des Park Hyatt Vienne im Juni 20134
In der Politik ist Benko bestens vernetzt: Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ, links) ist bei Signa in mehreren Funktionen tätig. Auch zur ÖVP werden Benko (Mitte) beste Kontakte nachgesagt. Im Bild feiert Benko mit Gusenbauer und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP, rechts).
imago/SKATA

2012 erlitt Benko einen Rückschlag, als er wegen versuchter verbotener Intervention vor Gericht stand. In der Folge zog sich Benko zwar operativ aus seiner Signa Holding zurück, verfügte aber über seine Familienstiftungen über die Mehrheit der Stimmrechte und galt weiterhin als zentraler Entscheidungsträger.

Berühmte Kaufhäuser

Der umtriebige Tiroler beließ es nicht beim Immobiliengeschäft, sondern baute nach und nach auch ein Handelsimperium mit teilweise recht attraktiven Immobilien in zentraler Lage auf. 2012 übernahm er gemeinsam mit dem israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz das berühmte Kaufhaus des Westens, das KaDeWe, in Berlin. Europaweit bekannt wurde er 2014 mit dem Kauf der angeschlagenen deutschen Warenhauskette Karstadt. Nachdem sich Benko 2019 auch den Karstadt-Konkurrenten Kaufhof einverleibt hatte, fusionierte er die beiden Kaufhäuser unter dem Dach der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH. Was folgte, waren Zahlungsschwierigkeiten, zwei Schutzschirmverfahren, Filialschließungen und die Kündigung tausender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der Wiener Mariahilfer Straße steht der Rohbau für das Luxuskaufhaus Lamarr, das 2025 eröffnet werden sollte.

Eine Person hält ein Sackerl vom KaDeWe in der Hand.
KaDeWe, Kika/Leiner, Galeria Kaufhof. Zu Benkos Signa gehören bzw. gehörten auch bekannte Warenhäuser.
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Mit dem Kauf der österreichischen Möbelketten Kika und Leiner verschaffte sich Benko den Eintritt in den heimischen Handel. Ebenfalls 2018 übernahm die Signa Holding vom deutschen Medienkonzern Funke einen Anteil von 49,5 Prozent an der WAZ Ausland Holding GmbH, die wiederum 50 Prozent an der "Kronen Zeitung" und knapp 50 Prozent am "Kurier" hält.

Der "Tiroler des Jahres 2011" war nicht unumstritten. Benko stand regelmäßig im Fokus der Öffentlichkeit wegen seiner Immobiliengeschäfte, des Geschäftsgebarens der Signa-Gruppe, seiner offenbaren Nähe zu Politikern und des Vorwurfs der politischen Einflussnahme in Österreich. Im Herbst 2022 hatte es Hausdurchsuchungen bei der Signa-Gruppe durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegeben. Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid warf Benko vor, dieser habe ihm einen Job im Signa-Konzern angeboten, wenn Schmid im Gegenzug millionenschwere Steuerangelegenheiten für ihn "auf Schiene" bringe. Benko bestritt sämtliche Vorwürfe.

Auch der Umgang mit Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland brachte Benko Kritik ein, weil Galeria insgesamt knapp 700 Millionen Euro Staatshilfen bekam, dann in großem Stil Leute kündigte und Filialen schloss. Für ähnliche Kritik sorgte das Vorgehen seiner Möbelhauskette Kika/Leiner in Österreich. Während der Corona-Pandemie unterstützte der österreichische Staat die Möbelhausgruppe mit Steuerstundungen in Höhe von 150 Millionen Euro, zudem schickte der Möbelhändler fast alle 4200 Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Ein Schild zeigt den Hinweis, dass das Möbelhaus Leiner eine Räumungsaktion hat.
Benko verkaufte die Immobilien von Kika/Leiner getrennt vom Handelsgeschäft. Der Immo-Deal war gewinnträchtig, die Möbelhändler mussten Insolvenz anmelden.
APA/EVA MANHART

Anfang Juni 2023 zog sich Benko aus der erst 2018 von der südafrikanischen Steinhoff-Gruppe übernommenen Kika/Leiner-Gruppe zurück. Seine Signa-Gruppe verkaufte die Immobilien der Möbelkette an die Grazer Supernova-Gruppe und das operative Geschäft an den Handelsmanager Hermann Wieser. Kurz nach dem Verkauf wurde bekannt, dass rund die Hälfte der Belegschaft gekündigt werden musste, wenige Tage später wurde die Insolvenz der Möbelkette angemeldet. Der Hergang und die Folgen der größten Insolvenz der vergangenen zehn Jahre brachten den Geschäftsmann erneut in die Schlagzeilen.

Der Wind dreht sich

2023 war kein gutes Jahr für Benko, denn die Probleme häufen sich. Die EU-Bankenaufsicht unterzog die Kredite von Banken an die Signa-Gruppe einer Sonderprüfung. Der Abschwung am Immobilienmarkt traf die Signa Holding hart. Hohe Abwertungen auf das Immobilienportfolio drückten das Ergebnis der Signa Prime Selection AG im vergangenen Jahr tief ins Minus. Die Signa Sports United, der Online-Sportartikelhändler rund um Benko, ist zahlungsunfähig und musste im Oktober Insolvenz anmelden, die deutsche Tochter Signa Real Estate Management Germany GmbH eröffnete den Pleiten-Auftakt im November.

Auf den wachsenden Druck von Gesellschaftern kündigte Benko heuer im November an, sich von der Spitze des Beirats der Signa Holding zurückzuziehen und die Position an den deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz zu übergeben. Geiwitz war zuvor schon als Restrukturierungsberater ins Boot geholt worden und kannte bereits die kriselnde Warenhauskette Galeria Kaufhof Kaufstadt als Sanierer im Signa-Reich. Ende November 2023 war die übergeordnete Beteiligungsgesellschaft Signa Holding zahlungsunfähig. Was folgte, war ein Insolvenzantrag beim Handelsgericht Wien. Angestrebt wird eine Sanierung mit Eigenverwaltung. Das Imperium, bestehend aus über 1000 ineinander verschachtelten Gesellschaften, Untergesellschaften und Einzelimmobilien, wankt nach einem knappen Vierteljahrhundert des Wachstums, das geprägt war von niedrigen Zinsen und steigenden Immobilienwerten. Der Milliardär hätte kurzfristig eine Finanzspritze von rund 500 Millionen Euro gebraucht, um das hochverschuldete Signa-Konstrukt in der bisherigen Form am Leben zu erhalten. (APA, bpf, 29.11.2023)