Wer sich ins Firmengeflecht des René Benko begibt, der muss damit rechnen, dass es kompliziert wird. Rund tausend unterschiedliche Gesellschaften zählen zum intransparenten Reich des Immobilien- und Handelsmagnaten, dessen Signa Holding Ende November Insolvenz angemeldet hat. Das Konstrukt ufert sogar in Unternehmen aus, die gar nicht mehr zur Signa gehören, sondern zum privaten Eigentum von Benko. All die Signa- und Benko-Firmen machen emsig Geschäfte miteinander. Bei vielen fragt man sich: Was ist der Sinn dahinter?

Diskretion hinter alten Mauern: Luxemburg ist ein geschäftlicher Knotenpunkt des Benko-Imperiums.
Diskretion hinter alten Mauern: Luxemburg ist ein geschäftlicher Knotenpunkt des Benko-Imperiums.
IMAGO/BeckerBredel

Ein besonders rätselhafter Deal fand in den Jahren 2014 bis 2016 statt: Eine Signa-Firma wurde an eine private Stiftung Benkos verkauft – nur um sie bald danach wieder zurückzukaufen. Mutmaßlich floss beim Rückkauf viel mehr Geld als beim Verkauf zwei Jahre zuvor.

Video: Erste Gläubigerversammlung bei Signa Holding.
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"Geschäftsfälle werden überprüft"

Das Geschäft liegt zwar schon einige Zeit zurück, aber es wirft ein Schlaglicht auf das System Benko, seine Firmen und die schwer durchschaubaren Verflechtungen und Geldflüsse untereinander, die dem Sanierungsverwalter Christof Stapf heute Kopfzerbrechen bereiten.

"Mehrere historische Geschäftsfälle werden überprüft", gab Stapf nach der Gläubigerversammlung der Signa Holding am Dienstag bekannt. Damit sind wohl derartige Fälle gemeint, wie es sie im Reich des René Benko mutmaßlich zahlreich gibt.

Die Beteiligten

Wer die besagte Causa verstehen will, muss eine Firma mit Sitz in Luxemburg kennen: die "Ingbe Beteiligung Sárl" (das Kürzel "Sárl" steht für GmbH). Dieses Unternehmen gehört der Ingbe-Stiftung in Liechtenstein, die sich gewissermaßen im Privatbesitz von René Benko befindet. "Ingbe" steht dem Vernehmen nach für Ingeborg Benko, die Mutter des Unternehmensgründers. Die Stifter der Ingbe-Stiftung laut Dokumenten, die dem STANDARD vorliegen: René und seine Mutter Ingeborg. Einzige Begünstigte: René Benkos Tochter.

Die erste Gläubigerversammlung der insolventen Signa Holding am Dienstag in Wien:
Die erste Gläubigerversammlung der insolventen Signa Holding am Dienstag in Wien:"Mehrere historische Geschäftsfälle werden überprüft", teilte der Sanierungsverwalter mit.
APA/HELMUT FOHRINGER

Mitte Dezember 2014 kaufte diese Ingbe 21 Prozent der Anteile an einem luxemburgischen Unternehmen – dazu später mehr. Der Verkäufer: eine Tochter der luxemburgischen Signa Prime Selection AG (diese Tochter trägt den komplizierten Namen "Kaufhaus Immobilien Holding A Sárl"). Die Signa Prime ist die Luxusimmobilienschiene des Signa-Konzerns, die heute laut Medienberichten ebenfalls am Rand der Pleite steht.

Von welchem Unternehmen verkaufte die Prime-Tochter im Jahr 2014 Anteile an die Benko-Stiftung? Es handelt sich um eine luxemburgische Gesellschaft, die wertvolle Immobilien enthielt. Deren neuerlich komplizierter Name: "Premium Kaufhaus Immobilien Holding A Sárl". Welche Immobilien genau in der Gesellschaft steckten, erschließt sich aus den Firmenbüchern nicht – möglicherweise handelte es sich um Teile der deutschen Warenhauskette Galeria.

Kauf und Rückkauf

Die Prime-Tochter verkaufte also 21 Prozent der Immobiliengesellschaft an Benkos Ingbe – aber dort blieb die Beteiligung nur knapp zwei Jahre lang. Im Juli 2016 fand das exakt gleiche Geschäft mit umgekehrten Vorzeichen statt. Die Prime-Tochter kaufte ihre 21 Prozent an der Immobiliengesellschaft wieder zurück von der Benko-Stiftung.

Wie viel Geld floss bei den Deals? Es lässt sich aus den Firmenbüchern nicht vollständig herauslesen. Aber vieles deutet darauf hin, dass der Wert der verkauften Immobiliengesellschaft während ihrer zwei Jahre im Teilbesitz der Benko-Stiftung stark wuchs. Immerhin werden Immobilien jährlich in den Bilanzen neu bewertet – und in diesen Jahren ging es mit ihnen besonders steil nach oben.

Im Jahr 2014 taxierte die Ingbe den "Beteiligungsbuchwert" des Unternehmensanteils, den sie soeben von der Signa erworben hatte, laut Jahresabschluss auf knapp 23 Millionen Euro – genau 22.930.631,46 Euro.

Im Jahr 2016 wiederum, kurz nachdem die Immo-Gesellschaft an die Signa Prime zurückverkauft worden war, gab die Ingbe im Jahresabschluss bekannt, knapp 82 Millionen lukriert zu haben – "aus der Veräußerung von Anteilen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis bestand".

82 Millionen Geldregen

Ob der Geldregen von 82 Millionen für die Benko-Stiftung tatsächlich ausschließlich aus dem Verkauf dieser Immobiliengesellschaft resultierte, muss offen bleiben – möglicherweise verkaufte die Ingbe im Jahr 2016 mehr als nur eine Beteiligung. Aber es ist davon auszugehen, dass die Immobilienbeteiligung, die zwischen 2014 und 2016 im Besitz der Ingbe war, erheblich an Wert zugelegt hat.

Geschäfte des Konzerns mit der Stiftung: Wo das Reich der Signa aufhört und wo jenes von René Benko beginnt, das ist nicht immer klar.
Geschäfte des Konzerns mit der Stiftung: Wo das Reich der Signa aufhört und wo jenes von René Benko beginnt, das ist nicht immer klar.
APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Bisheriges Fazit: Die Signa verkauft einen Anteil an einer Immobiliengesellschaft an die Benko-Stiftung, um ihn wenig später zurückzukaufen – wohl um deutlich mehr Geld. Warum?

An Aufwertungsgewinne herankommen

DER STANDARD hat mit Immobilienexperten gesprochen – und sie sind sich in ihrer Interpretation der Causa relativ einig. Der Zweck hinter dem Deal könnte gewesen sein, dass man Profite aus dem Konzern hinausbekommen möchte.

Wie ist das zu verstehen? Dazu muss man wissen, dass die Aufwertung von Immobilien – und der Firmen, in denen sie stecken – per se keine Auszahlungen von Profiten an Eigentümer ermöglicht. Die Immobilien werden zwar in den Bilanzen mehr wert, aber man darf dieses steigende Vermögen aus rechtlichen Gründen meist nicht als Gewinn an Eigentümer ausschütten. Weshalb? Weil es sich lediglich um Buchwerte in Bilanzen handelt, nicht um realisierte Gewinne.

Es gibt aber einen Trick, der es ermöglicht, Buchwerte in echte Profite zu verwandeln: Verkauft man eine Immobilienbeteiligung innerhalb eines Konzerns an eine Schwesterfirma und kauft sie danach wieder zurück, dann realisiert die Schwesterfirma im Moment des Rückkaufs einen echten Profit. Diesen darf sie an Eigentümer ausschütten.

Rätselhafter Deal

Eben das könnte laut Experteneinschätzung das Motiv hinter dem rätselhaften Deal zwischen Signa und Benko-Stiftung sein: das Bestreben, bei Aufwertungsgewinnen, die sonst rein buchhalterisch in Bilanzen schlummern würden, eine Dividendenauszahlung zu ermöglichen.

Der Jahresabschluss 2016 der Ingbe stützt diese Annahme. Im Jahr, in dem die Ingbe die Immobiliengesellschaft an die Signa Prime zurückverkaufte, schüttete sie zugleich äußerst hohe Profite an ihre Eigentümer aus, letztlich an die Familie Benko. Laut Bilanz floss in diesem Jahr eine Dividende von knapp 76 Millionen Euro.

Benko und die Investoren

So weit, so gut – ein wichtiger Aspekt bleibt allerdings bei all dem offen: Im Fall des Deals zwischen Signa und Ingbe machten nicht zwei gleichwertige Schwesterfirmen mit ein und demselben Eigentümer miteinander Geschäfte. Wäre das der Fall, dann würde der Profit, der mit dem Ver- und Rückkauf einer Immobiliengesellschaft realisiert wird, im Konzern verbleiben.

Bei dieser Causa aber lief das Geschäft zwischen der Signa und der privaten Stiftung des Konzerngründers. Hinter der Stiftung steckt ausschließlich die Familie Benko; in der Signa Prime hingegen hängen neben Benko noch zahlreiche weitere Investoren: Im Jahr 2016 waren das unter anderem Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner, Flugunternehmer Niki Lauda, Novomatic-Gründer Johann Graf und einige deutsche Versicherungen.

Diese Mitinvestoren sahen – nach derzeitigem Kenntnisstand – nichts von den hohen Dividenden, die aus dem Geschäft resultierten. Sie flossen ausschließlich an die Ingbe, also letztlich zu Benkos Familie.

Zur Illustration des Problems: Angenommen, die Signa Prime hätte die Immobiliengesellschaft niemals an Benkos Stiftung zwischenverkauft, sondern sie schlicht irgendwann an einen fremden Käufer von außerhalb des Konzerns veräußert – in diesem Fall wären die hohen Dividenden zur Prime und deren Investoren geflossen statt zur Ingbe. Darauf deuten zumindest die Angaben in den Firmenbüchern hin.

DER STANDARD hätte angesichts dieser Hypothese gerne von der Signa erfahren: Was war der Zweck dieses Deals? Und vor allem – welchen Vorteil zog die Signa Prime daraus? Allerdings gab es vom Konzernsprecher keine Antwort. (Joseph Gepp, 21.12.2023)