Im Reich der Signa-Gruppe gibt es eine weitere Insolvenz.
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Angekündigte Ereignisse finden manchmal genau so statt wie vorhergesagt. Freitagvormittag wurde bekannt, dass René Benkos Signa-Konzern für die Signa Development Selection AG beim Handelsgericht Wien einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt hat. Das war schon Donnerstag von der Signa Gruppe angekündigt worden, Freitag vermeldete es zunächst die Austria Presse Agentur (APA). Die Signa Development sei "zahlungsunfähig und überschuldet", heißt es im Insolvenzantrag, der dem STANDARD vorliegt. Am Nachmittag wurde dann bekannt, dass das Handelsgericht Wien das beantragte Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet hat. Am 15. Jänner wird die erste Gläubigerversammlung stattfinden, zur Sanierungsverwalterin hat das Gericht die Rechtsanwältin Andrea Fruhstorfer bestellt.

Bereits am Donnerstag hatte die Signa Prime Selection AG Insolvenz angemeldet, die Passiva betragen rund 4,5 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um die Luxusimmobilientochter des Konzerns und die wichtigste ihrer Töchter. Die nunmehr insolvente Development ist die Entwicklungsgesellschaft der Signa und gilt als zweitwichtigste nach der Prime. Bereits Ende November hatte auch die darüberliegende Dachgesellschaft, die Signa Holding, Insolvenz angemeldet.

1,3 Milliarden Euro Schulden

"Bei der Signa Development Selection AG handelt es sich nach Signa Prime um die zweite wesentliche Gesellschaft der Signa-Gruppe aus dem Real-Estate-Bereich. Ihr Geschäftsmodell liegt in der Entwicklung von Immobilienprojekten in gut angebundenen Lagen urbaner Ballungsräume in Österreich, Deutschland und Italien", heißt es im Insolvenzantrag; mehrheitlich würden Quartiere mit gemischten Nutzungskonzepten im Wohn- und Gewerbesegment konzipiert und errichtet. Aktuell zählten 39 Projekte zum Portfolio der Development, ihren Vermögenswert gibt Signa mit rund 2,8 Milliarden Euro brutto (Ende 2022) an. Auch "Highlights" werden im Antrag genannt, darunter die Wiener Hochhäuser "Vienna Twentytwo" und "Donaumarina Tower", das "Andaz Vienna am Belvedere" oder die "Flüggerhhöfe" in Hamburg; die "Werft" in Korneuburg in Niederösterreich gehört ebenfalls dazu.

Die Verbindlichkeiten der Development betragen laut Insolvenzantrag knapp 1,3 Milliarden Euro. Dem stehen Aktiva von 296 Millionen gegenüber. Betroffen von der Insolvenz sind laut Creditreform rund 200 Gläubiger, für die es binnen zwei Jahren eine Quote von 30 Prozent geben soll. Bei der Signa Development sind laut Antrag nur 13 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer beschäftigt, wobei die zahlreichen Tochterunternehmen nicht in diese Zahl eingerechnet werden. Und Tochtergesellschaften hat die Prime viele, nämlich 290.

Von einem höheren Betrag an Schulden geht die US-Investmentbank JPMorgan in einem Papier von Mitte November aus, das dem STANDARD vorliegt. Darin ist von Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 2,3 Milliarden Euro die Rede, also knapp der doppelten Summe. Davon seien 1,1 Milliarden Anleihen (davon 40 Prozent variabel) und circa 0,4 Milliarden Hybridkapital.

Auch EZB-Recherchen laut Antrag ein Insolvenzgrund

Und wie begründet die Signa Development ihre Zahlungsunfähigkeit? Ganz ähnlich, wie das schon bei den bisherigen Insolvenzanträgen der Fall war. Die "hohe Inflation und erheblicher Kostendruck infolge anhaltend hoher Energiepreise und Lohnzuwächse" hätten "abrupt geänderte Rahmenbedingungen" zur Folge gehabt, die "letztlich auch die Signa Development hart getroffen" hätten.

Die "erheblichen Bau- und Zinskostensteigerungen" hätten zu einem "unerwarteten 'Cost Overrun' geführt", heißt es weiter. Außerdem wird seitens der Signa, wie schon am Donnerstag bei der Prime, der EZB die Mitschuld an der Lage gegeben. Die Europäische Zentralbank hat sich im Sommer bei Großbanken nach deren Engagement bei der Signa erkundigt. Dies habe sich "äußerst negativ auf die Refinanzierbarkeit von Signa ausgewirkt", heißt es im Insolvenzantrag. Die Bilanzsumme der Development lag Ende 2022 bei rund 3,9 Milliarden Euro, das waren um 15 Prozent weniger als im Jahr davor. Das Jahresergebnis hat sich in dem Zeitraum radikal verschlechtert: von plus 280 Millionen auf minus 316 Millionen Euro.

"Überbrückungsfinanzierung"

Das Ziel ist nun die Fortführung des Betriebs. Der Kreditschutzverband KSV 1870 rechnet mit einer raschen Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung. "Der vom Insolvenzgericht zu bestellende Sanierungsverwalter wird nunmehr zu prüfen haben, ob das Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung geführt werden kann", sagt Jürgen Gebauer vom KSV 1870 laut Aussendung. "Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können."

Wie geht es nun konkret weiter? Man plane "kein Neugeschäft" mehr, heißt es im Insolvenzantrag, vielmehr solle "das bestehende Immobilien- und Beteiligungsportfolio unter größtmöglichem Werterhalt verwertet werden" – also verkauft. Ein chaotischer "Firesale" solle im Interesse der Gläubiger verhindert werden, weil die Immobilien dann radikal an Wert verlieren würden. "Wenn viele Immobilien gleichzeitig auf den Markt kommen, zieht man Schnäppchenjäger an", erklärte dazu Gerhard Weinhofer von der Creditreform im Ö1-"Morgenjournal" von Freitag. Das könne einen "extremen Wertverfall" nach sich ziehen. Um im Gegensatz dazu kontrolliert abzuverkaufen, braucht die Development aber noch Geld, konkret ist im Insolvenzantrag von einer "Überbrückungsfinanzierung von 50 Millionen Euro" die Rede.

 Zerschlagung käme Gläubiger teurer

Allerdings muss nun alles schnell gehen, man müsse "kurzfristig Entscheidungen treffen über die Fortsetzung bzw. Einstellung der Projekte", um den Verlust des eingesetzten Kapitals zu verhindern, wie es im Antrag ans Handelsgericht heißt. Diese Entscheidungen seien vor allem von der Liquidität und der Gläubigerstruktur abhängig und ob es möglich sein wird, Stillhaltevereinbarungen mit den Gläubigern zu erreichen oder allenfalls auch neue Investoren für die Projekte zu finden.

Im Zerschlagungsfall rechnet die Signa Development jedenfalls mit einer Quote "deutlich" unter 25 Prozent (die sie für ein Abwicklungsszenario angesetzt hat), weil es bei einer Filetierung der Gesellschaft zu hohen Abwertungen kommen würde. Allein der Abwertungsbedarf der laufenden Entwicklungsprojekte wird im Insolvenzantrag mit 1,1 Milliarden Euro beziffert, jener der sonstigen Forderungen mit 627 Millionen Euro. Zudem würden dann auch Haftungen schlagend, die die Signa Development für Konzerngesellschaften übernommen hat. So garantiert sie für eine Schuldverschreibung in der Höhe von 300 Millionen Euro, die die Signa Development Finance S.C.S. im Jahr 2021 emittiert hat und die bis 2026 läuft. Für die Inhaber dieser Teilschuldverschreibung soll nun amtswegig ein Kurator bestellt werden.

Haselsteiner, Peugeot, Kohlestiftung

Die Eigentümerverhältnisse bei der Signa Development sind – wie im Signa-Konzern üblich – äußerst komplex. Die Mehrheitseigentümer sind unterschiedliche Signa- und Benko-Firmen; die Signa Holding hält durchgerechnet mehr als 50 Prozent der Anteile. Unter den weiteren Investoren befinden sich laut Insolvenzantrag die Familienstiftung des Strabag-Gründers Hans Peter Haselsteiner (neun Prozent), die deutsche RAG-Stiftung, die an sich mit der Abwicklung der Kohleindustrie befasst ist (vier Prozent), die französische Autodynastie Peugeot (fünf Prozent), die Schweizer Investmentgesellschaft Longbow (fünf Prozent) und Kleinanleger mit sieben Prozent. (Renate Graber, Joseph Gepp, 29.12.2023)