Wellinger in V-Stellung in der Luft.
Andreas Wellinger fliegt zum Heimsieg.
IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Andreas Wellinger hat beim Auftaktspringen der 72. Vierschanzentournee am Freitag einen Heimsieg gefeiert. Der Deutsche gewann in Oberstdorf bei kniffligen Rückenwindverhältnissen mit drei Punkten Vorsprung auf Ryoyu Kobayashi (Japan) und 10,4 Punkte vor dem Österreicher Stefan Kraft.

Mannschaftlich sahen sich die zunächst topplatzierten ÖSV-Springer in der Entscheidung nicht vom Wind begünstigt. Mit Jan Hörl (8.), Michael Hayböck (10.) und Manuel Fettner (13.) landeten drei Österreicher in den Top-15, nachdem zur Halbzeit vier unter den ersten acht gelegen waren. Clemens Aigner klassierte sich unmittelbar vor Daniel Tschofenig auf Platz 19. Im prognostizierten Ländermatch Österreich vs. Deutschland stellten die Gastgeber des ersten Schanzenspektakels auf 1:0.

Kraft: "Super Auftakt"

Kraft war mit fünf Weltcupsiegen in acht Saisonbewerben nach Oberstdorf gereist. Zuletzt war wegen Rückenproblemen Schongang angesagt, beim Auftaktspringen wollte der Quali-Siebente wieder "die Handbremse lösen". Und hielt trotz tückischen Rückenwindes Wort. Zwar sprang Wellinger zunächst bei besserem Wind und Luken-Vorteil die Tageshöchstweite (139,5) und damit sieben Meter weiter als Kraft. Doch dieser war als Dritter hinter Kobayashi dank der Wind- und Gatepunkte in Schlagdistanz. Im Finale verteidigte Wellinger seine Führung erfolgreich.

Kraft landete bei 132,5 und 125 Metern und konnte mit seinem 106. Weltcup-Podium "auf alle Fälle" leben. "Super Auftakt würde ich sagen. Ich bin superglücklich über den dritten Platz. Die beiden waren heute einfach sehr schwer zu schlagen", sagte Kraft, dem auf der Schattenbergschanze keine perfekten Sprünge gelangen. "Es war kein Bombensprung dabei, vom Niveau waren sie aber sehr gut", betonte der 30-Jährige.

Im zweiten Durchgang sei er eine Nuance zu spät am Schanzentisch gewesen ("Wenn ich den Schanzentisch erwische, hupfe ich auch meine 128, 129"), im ersten eine Spur zu verkrampft. "Trotzdem bin ich sehr happy. Ich bin voll dabei und fahre megaglücklich von da weg."

Kraft bremst ab.
Stefan Kraft landete am Stockerl.
AP/Matthias Schrader

Der Triumphator von 2014/15 will dennoch mit viel Selbstvertrauen gegen seinen Neujahrs-Fluch in Garmisch-Partenkirchen anspringen. "Die gewisse Lockerheit wünsche ich mir noch, aber ich glaube, dass die von Sprung zu Sprung kommt", sagte Kraft, der auch 2018 als Dritter für das zuvor letzte österreichische Podium in Oberstdorf gesorgt hatte.

Kraft gratulierte dem Sieger: "Sicher eines von den schönsten Erlebnissen vom Andi zuhause vor so einer Kulisse zu gewinnen", sagte der Salzburger im ORF. "Es war fast wie in einem Fußballstadion oder einer Disco mit 26.000 Leuten. Es hätte fast wehgetan, wenn ich die Party da gecrasht hätte. Ich bin da sehr empathisch", sagte Kraft und lachte. "Hut ab vorm Andi, dass er es so runtergebracht hat."

Wellinger: "Einfach grandios"

Wellinger, Sieger der Qualifikation, genoss indes seinen Triumph im schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer in vollen Zügen. "Es hat extrem viel Spaß gemacht. Die Emotionen sind wahnsinnig hoch und schön", sagte der 28-Jährige nach seinem sechsten Weltcupsieg und dem ersten bei der Tournee. "Es ist einfach grandios", sagte er nach Sprüngen auf 139,5 m und 128,0 m. "Es ist unfassbar, ich bin megaglücklich. Es war eine irre Leichtigkeit da. Vor diesem Publikum zu gewinnen, ist unglaublich", sagte Wellinger, der vor Freude kaum noch einzufangen war, während die Kulisse singend ankündigte: "Wir feiern die ganze Nacht!"

Für Wellinger ist der Sieg in Oberstdorf jedoch nur ein kleiner Schritt zum möglichen Tourneetriumph. Bei den vergangenen 25 Auflagen des Klassikers lag nicht einmal die Hälfte der Auftaktgewinner – zwölf – auch im Endklassement vorne. Noch schlimmer lief es für die DSV-Adler: Zehnmal gewannen sie seit 1992 am Schattenberg, nur Sven Hannawald brachte den Vorsprung ins Ziel.

Wellinger mit geballter Faust.
Andreas Wellinger bejubelt seinen Heimsieg.
APA/dpa/Angelika Warmuth

ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl sprach von einer erfüllten Mission. "Die Sprünge waren okay, nicht sehr gut, es passt einmal", sagte der Tiroler und prognostizierte: "Es wird ein heißer Fight werden." Auch Mario Stecher konnte mit dem Ergebnis gut leben. "Wir haben natürlich gewusst, dass es vor diesen fantastischen Fans ein richtiger Hexenkessel wird. Vielleicht hat das Quäntchen Glück gefehlt, aber das kommt wieder zurück", sagte der Sportliche Leiter der Skispringer im ÖSV.

Granerud verpasst zweiten Durchgang

Das Anwärterfeld auf den diesmaligen Tourneesieg hat sich bereits nach einem Viertel deutlich reduziert. So konnte der norwegische Vorjahressieger Halvor Egner Granerud (105,5 m) die Titelverteidigung bereits nach einem Sprung abschreiben. Er verpasste den zweiten Durchgang. "Ich bin sprachlos, das war ein schrecklicher Tag", sagte der Norweger.

Auch andere frühere Gewinner, etwa die Polen Kamil Stoch (17.) und Dawid Kubacki (27.), rissen erheblichen Rückstand auf.

Weiter geht es mit dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen (Deutschland). Am 3. Jänner folgt der Wettkampf in Innsbruck, am 6. in Bischofshofen. (red, APA, sid, 29.12.2023)

Ergebnis der Vierschanzentournee in Oberstdorf

1. Andreas Wellinger (GER) 309,3 Punkte (139,5 Meter/128)
2. Ryoyu Kobayashi (JPN) 306,3 (134,5/129)
3. Stefan Kraft (AUT) 298,9 (132,5/125)
4. Lovro Kos (SLO) 289,7 (123/139,5)
5. Marius Lindvik (NOR) 286,1 (132/127)
6. Philipp Raimund (GER) 286,0 (128,5/135)
7. Karl Geiger (GER) 285,4 (133,5/122,5)
8. Jan Hörl (AUT) 285,1 (123,5/127,5)
9. Peter Prevc (SLO) 282,0 (124,5/138)
10. Michael Hayböck (AUT) 281,4 (131,5/129).
Weiter: 13. Manuel Fettner 279,4 (124,5/123,5) - 19. Clemens Aigner 266,0 (118,5/130,5) - 20. Daniel Tschofenig (alle AUT) 265,8 (119/133,5)

Gesamtweltcup (nach 9 von 32 Bewerben):
1. Kraft 729 Punkte
2. Wellinger 547
3. Paschke (GER) 467.
Weiter: 5. Hörl 366 - 11. Hayböck 212 - 12. Tschofenig 209 - 14. Fettner 190

Nationencup:
1. Deutschland 1.884
2. Österreich 1.758
3. Slowenien 877

Adler-Trophäe der Vierschanzentournee.
Um diese Trophäe geht es bei der Vierschanzentournee.
AP/Matthias Schrader