Martin Sperr
Martin Sperr(1944–2002) gehört mit Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz zu den Volksstück-Erneuerern der Nachkriegszeit.
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Die Jagdszenen aus Niederbayern in Martin Sperrs gleichnamigem Theaterstück aus dem Jahr 1966 haben nichts mit Wildtieren und Flintengebrauch zu tun, sondern beschreiben eine Dorfgemeinschaft, die mit ängstlich-wertkonservativen Ansichten um sich ballert und dabei auch gegen ihre eigenen Nachbarn vorgeht. Der Krieg steckt den vom Elan des Wiederaufbaus noch nicht ganz erfassten Leuten tief in den Knochen. "Ich merk nichts vom Frieden, ich find, es ist viel wie im Krieg", sagt der traumatisierte Kriegsheimkehrer Rovo.

Jagdszenen aus Niederbayern
Probenfoto von "Jagdszenen aus Niederbayern", ab 11. Jänner am Stadttheater Klagenfurt - mit Petra Morzé (Mitte).
Arnold Pöschl

Autor Martin Sperr (1944–2002) zeigt in seinem zum Neuen Volkstheater zählenden Drama Menschen, die sich Außenseiterinnen und Außenseiter schaffen, um eine vermeintliche innere Gemeinschaft zu festigen. So wird die verwitwete Bäuerin Maria geschmäht, weil sie mit einem Knecht lebt. Ihr kriegsgeschädigter Sohn Rovo gilt als Dorftrottel. Der enthaftete Abram wird seiner Homosexualität wegen angefeindet und "rächt" sich, indem er – um sich als "echter Mann" zu beweisen – die Magd Tonka vergewaltigt. Diese wird umgehend als Hure diffamiert etc.

Sozialistische Heimatsaga

Als literarischer Nachfahre von Marieluise Fleißer und Ödön von Horváth schrieb Martin Sperr mit seiner "Bayrischen Trilogie", zu der Jagdszenen gehört, eine Art neue sozialistische Heimatsaga, die Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre Furore machte. Bereits als 17-Jähriger begann er an diesem zeitlos gültigen Gesellschaftsbefund zu schreiben und wurde spätestens mit der erfolgreichen Jagdszenen-Verfilmung durch Peter Fleischmann (mit Angela Winkler, Hannah Schygulla und Sperr selbst) berühmt.

Das Stadttheater Klagenfurt präsentiert nun eine Neuinszenierung von Martina Gredler. Auf Außenseiter zu zeigen kommt eben nie aus der Mode. (Margarete Affenzeller, 4.1.2024)