Die Bostoner Anwältin Ally McBeal, hier mir ihrem heiß begehrten Ex Billy.
Die Bostoner Anwältin Ally McBeal, hier mir ihrem heiß begehrten Ex Billy.
imago images/Everett Collection

Ally McBeal ist jung, schön, beruflich erfolgreich und clever. Die Heldin der gleichnamigen US-Serie (1998–2002) lebt in Boston, wo sie sich mit ihrer engsten Freundin eine Wohnung teilt. Sie kann sich Calvin-Klein-Kostüme bis zum Abwinken leisten und Martinis nach Büroschluss sowieso.

Eigentlich ist alles perfekt. Wäre da nicht Allys Hauptthema, zumindest in den ersten Folgen und Staffeln: Sie ist Single – und das nimmt Allys Leben offenbar den Glanz. Und so trottet sie betrübt durch das Intro der Serie, die sich neben Ally um das Treiben im Anwaltsbüro dreht, in dem sie arbeitet.

Ally McBeal Intro - Opening Season 1
Das Intro von Ally McBeal für die erste Staffel der US-Serie.
abadi2009

Es war 1998, das Jahr der Lewinsky-Affäre, als die US-Serie "Ally McBeal" im deutschsprachigen Raum erstmals zu sehen war. 25 Jahre später ist die Parallele unübersehbar: Sowohl bei den realen Ereignissen in den USA als auch in der fiktiven Welt der jungen Anwältin geht der kritische Blick in erster Linie in Richtung der Frauen. So ging der Skandal der 1990er-Jahre schlechthin eben nicht als Clinton-Skandal in die Geschichte ein, sondern trägt allein den Namen von Monica Lewinsky. Auch bei Ally McBeal sind erstmal die Frauen das Problem. Die Frau ihres noch immer geliebten Verflossenen ist eines, weil er offenbar jetzt sie liebt. Ihre Sekretärin Elaine ist eines, weil Ally McBeal sie für eine Assistentin als zu vorlaut hält. Oder die neue Kollegin Nell, diese "Bitch". Warum das? Weil sie supergut in ihrem Job ist. Das reicht schon.

Währenddessen grapscht der Chef der Kanzlei Frauen an ihre "Kehllappen". Das ist halt so ein Fetisch von Richard Fisch, was soll man da machen. Es hat sich offenbar doch einiges bewegt: Derlei würden Zuschauerinnen heute wohl nur mäßig amüsant finden.

Nichts hatten wir

Soweit der erste – schlechte – Eindruck von der Anwaltsserie. Warum also war die Serie damals so ein Erfolg? Und vor allem, warum schaltete auch ich ein? Zur Ehrenrettung sei gesagt: Nichts hatten wir damals, gar nichts. Zwar lief im selben Jahr auch "Sex and the City" (1998–2004) an, worüber wir noch gesondert in einem weiterem Teil von "Wiedergesehen" reden müssen. Aber sonst? "Charmed – Zauberhafte Hexen" (1998–2006) und "Dawson's Creek" (1998–2003) trieben uns in die Arme von Ally McBeal. Noch dazu mit ständigen Werbeunterbrechungen. Unzählige Serien auf diversen Streamingplattformen, die auch gleich die politische Haltung ihrer Zielgruppe dank Algorithmen perfekt spiegeln, gab's noch nicht.

Deshalb war der Spagat auch noch ein deutlich größerer. Serien mussten sowohl die ersten zarten feministischen Pflänzchen ins Narrativ einbauen als auch noch unhinterfragte Traditionen und Stereotype bedienen. So darf Ally McBeal zwar eine Karriere haben, muss aber gleichzeitig ständig über ihr Singledasein schmollen und hoffen, dass das geklaute spermienhemmende Gel zum Einsatz kommt. Fragen Sie nicht, warum geklaut, es ist wie immer superchaotisch bei Ally. Neben der Frage, ob Heterofrauen Ende der 1990er tatsächlich zu einem derartig fragwürdigen Verhütungsmittel griffen, darf man sich auch über die beigefügte Geschichte wundern. Es könnte ihr völlig unerwartet der Mann ihres Lebens über den Weg laufen, einfach so. Davon träumen "Mädchen" manchmal, erklärt sie ihrem Ex Billy. Und wenn Träume in Erfüllung gehen wollen, darf Frau nicht ohne Spermizid-Gel dastehen.

Gefühle trotz Karriere

Dennoch gab es in "Ally McBeal" ein paar progressive Ansätze, die auch 25 Jahre später eine Würdigung verdienen. McBeal schien damals als die Antithese der in den 1980er-Jahren oft skizzierten eiskalten Karrierefrau Anklang zu finden. Denken wir an Sigourney Weaver als knallharte Börsenmaklerin Katharine Parker in "Die Waffen der Frauen" (1988). Zehn Jahre später darf Frau Gefühle zeigen und einen anspruchsvollen Job haben. Und wie einige Jahre später auch in "Grey's Anatomy" (seit 2005), werden auch in "Ally McBeal" anhand der Probleme der Klienten und Klientinnen gesellschaftspolitische Entwicklungen durchdekliniert. Von Transidentität über sexuelle Belästigung bis zu Fragen zu Schönheitsoperationen wird bei "Ally McBeal" vor Gericht gestritten, wenn auch teils etwas holpertatschig. Nicht zu vergessen die Unisextoilette, die es in der Kanzlei gibt. Die Toilette wird so zu einem gemeinsamen Ort des informellen Austauschs, unabhängig vom Geschlecht – eine schöne Idee. Nett sind auch die vielen Musikeinlagen, auch wenn es manchmal fast schon zu sehr in Richtung Musical geht.

Völlig ratlos lassen eine allerdings die zahlreichen Halluzinationen und Fantasien zurück, die Ally und auch andere Protagonisten der Serie haben und die mit plumpen Spezialeffekten dargestellt werden. So wird Ally etwa regelmäßig von einer Halluzination eines tanzenden, gruselig aussehenden Babys heimgesucht. Allys biologische Uhr tickt. Panik!

Mit der als natürlich dargestellten Konkurrenz zwischen Frauen wird es im Laufe der Serie viel besser. Auch die ewige Suche nach Mr. Right bekommt in den letzten Folgen der Serie eine Wendung. Wegen einer falsch eingesetzten Eizellenspende von McBeal steht die Anwältin plötzlich vor einem zehnjährigen Mädchen, das sich als ihre Tochter vorstellt. Sie dachte, dieses Gefühl der inneren Leere würde das Fehlen eines Mannes verursachen, sagt Ally. Jetzt wisse sie aber, nein – wahrscheinlich war es ihr Kind, das ihr fehlte. Ein Mann oder ein Kind macht eine Frau komplett. So dachte man, jedenfalls vor 25 Jahren. (Beate Hausbichler, 6.1.2024)