"Ich möchte Teil des Teams der Erbauer des europäischen Projekts sein und bewerbe mich, um ihm weiterhin zu dienen", so Ratspräsident Michel.
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Brüssel – EU-Ratspräsident Charles Michel will bei der anstehenden Europawahl antreten und in das Europäische Parlament einziehen. "Ich habe beschlossen, bei den Europawahlen im Juni 2024 zu kandidieren", sagte der Spitzenpolitiker am Samstag verschiedenen belgischen Medien. Das bedeute, dass er im Falle seiner Wahl sein Amt des Ratspräsidenten abgebe.

Nach den Wahlen – Ende Juni, Anfang Juli – könnten die EU-Staats- und Regierungschefs dann über eine Nachfolge für den Posten des Ratspräsidenten beraten, so der Belgier. Auch würden die Länderchefs über den Zeitpunkt des Amtsantritts eines Nachfolgers entscheiden müssen. "Es ist relativ einfach, die Nachfolge zu organisieren", sagte er unter anderem der Zeitung "Le Soir".

EU vor "Scheideweg"

Bei der Wahl am 9. Juni werde der 48-Jährige die Liste der liberalen belgischen Partei Mouvement Réformateur (MR) anführen, sagte Michel den Zeitungen. 2024 sei ein sehr wichtiges Wahljahr in Europa, aber auch in der übrigen Welt. "Vor allem steht das europäische Projekt an einem Scheideweg und es besteht die Notwendigkeit, die Legitimität der europäischen Demokratie zu stärken." Er wolle eine aktive Rolle spielen, sagte der ehemalige belgische Premierminister. "Ich möchte Teil des Teams der Erbauer des europäischen Projekts sein und bewerbe mich, um ihm weiterhin zu dienen."

Den Wahlkampf wolle er so führen, dass seine Verantwortung als Präsident des Europäischen Rates nicht beeinträchtigt werde. Aufgabe des EU-Ratspräsidenten ist es, die Zusammenarbeit und die Gipfeltreffen der EU-Länder zu koordinieren. Michel hatte den Posten im Dezember 2019 übernommen. Bis zur Vereidigung der Mitglieder des Parlaments, die für den 16. Juli geplant sei, wolle er das Amt ausführen.

Ungarn würde interimistisch übernehmen

Sollten die EU-Staats- und Regierungschefs im vorgeschriebenen Zeitraum keinen Nachfolger für den Posten des Ratspräsidenten benennen, so würde dem ungarischen rechtsnationalen Premier Viktor Orbán diese Rolle zukommen, berichteten ungarische Medien am Sonntag unter Berufung auf das Portal "Politico". Tatsächlich würde in dem sehr unwahrscheinlichen Fall, dass kein Nachfolger gefunden werden kann, das Amt des Ratspräsidenten interimistisch an jenen Regierungschef gehen, dessen Land gerade den EU-Ratsvorsitz führt. Von Juli bis Dezember 2024 wäre dies Ungarn.

Ein solches Drehbuch wolle die Mehrheit der EU-Staats- und Regierungschefs der 26 EU-Länder angesichts der zwischen ihnen und Orbán bestehenden Debatten "verzweifelt" verhindern, schrieb "Politico". (APA, red, 7.1.2024)