Euro-Scheine und Münzen liegen durcheinander auf einem Tisch.
Vorstandsvorsitzende der im ATX notierten Unternehmen verdienen das 75-Fache des Medianeinkommens. Der Bawag-Chef musste heuer nur 1,2 Tage arbeiten, um das Medianeinkommen von 35.952 Euro zu erreichen.
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Der 8. Jänner ist für viele Arbeitnehmer der Tag, an dem der Weihnachtsurlaub endet. Für die Chefs der im Wiener Leitindex ATX notierten Unternehmen ist es der Tag, an dem sie bereits das Median-Einkommen der Österreicher verdient haben. International wird dieser Tag auch "fat cat day" genannt. Die Berechnungen für die ATX-Vorstände hat die Arbeiterkammer Wien vorgenommen.

Als Einkommen der österreichischen Beschäftigten wird das Medianeinkommen laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger herangezogen, das bei 35.952 Euro liegt. Bei den Vorstandsbezügen wird die durchschnittliche Vergütung 2022 der 20 ATX-Vorstandsvorsitzenden verwendet. Zugrunde gelegt wird folgende Annahme: Ein Vorstandschef arbeitet zwölf Stunden am Tag, nimmt sich an einem von vier Wochenenden frei und kommt mit zehn Tagen Urlaub plus neun Feiertagen aus. Somit arbeitet ein Vorstandschef 320 Tage oder 3840 Stunden.

Bawag-Chef führt Ranking an

Am schnellsten, mit nur 1,2 Arbeitstagen, hat Bawag-Chef Anas Abuzaakouk das Medianeinkommen eingespielt. Der Bawag-Chef hat bereits nach einem 12-Stunden-Arbeitstag plus zwei weiteren Stunden des zweiten Arbeitstages 35.952 Euro verdient. Im Vorjahr kassierte Abuzaakouk 9,4 Millionen Euro.

Den zweiten Platz belegt Peter Oswald, Chef von Mayr Melnhof. Seine Jahresvergütung 2022 betrug 5,6 Millionen Euro. Er braucht zwei volle Arbeitstage für die Erreichung des Medianeinkommens. Den dritten Platz belegt Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner. Mit einer Jahresgage von 4,5 Millionen Euro für 2022 musste Eibensteiner heuer gerade einmal 2,5 Tage für das Medianeinkommen arbeiten.

Schlusslicht bildet Radka Doehring, die seit Mai die Immofinanz leitet. Obwohl sie 2022 nur acht Monate die Position als Vorsitzende inne hatte, verdient auch sie nach nur 24 Tagen und zehn Stunden das Medianeinkommen. Doehring verdiente 2022 in Summe 463.209 Euro.

Schere klafft auseinander

Durchschnittlich hat ein ATX-Vorstandschef im Vorjahr 2,7 Millionen Euro verdient. Die Vergütung liegt damit um ein 75-faches höher als das Medianeinkommen. Bei einem Stundenlohn von 699 Euro muss ein Vorstandschef durchschnittlich also nur 51 Stunden arbeiten, um das Jahres-Medianeinkommen zu erreichen. Bei einem zwölf-Stunden-Tag sind das genau vier volle Arbeitstage und 3 Stunden des folgenden Arbeitstages. Im Vorjahr lag die Vorstandsgabe noch um ein 80-faches höher als das Medianeinkommen.

Da der 1. und 6. Jänner Feiertage sind und sich eine Vorstandsvorsitzender das erste Wochenende im Jahr frei nimmt (Sonntag der 7. Jänner), wird ein ATX-Vorstandsvorsitzender bei Arbeitsbeginn um 8 Uhr im Schnitt am fünften Arbeitstag, also um 11 Uhr am Montag dem 8. Jänner 2024 das Medianeinkommen eines österreichischen Beschäftigten verdient haben.

Angemessenere Relation

Die AK Wien fordert aufgrund der Ergebnisse eine angemessenere Einkommensrelation zwischen Vorstandsvergütung und Belegschaft. "Die Schere zwischen mittlerem Jahreseinkommen eines Beschäftigten in Österreich und den ATX-Vorstandschefs klafft deutlich auseinander", sagt Simone Hudelist, Betriebswirtin in der Arbeiterkammer Wien. Der Aufsichtsrat sollte eine angemessene Relation zwischen Vorstandsvergütung und Belegschaft definieren (Manager to Worker Pay Ratio). Zusätzlich zu dem Angemessenheitsfaktor sollte die Vergütungspolitik Höchstgrenzen für die individuelle Vergütung der Vorstandsmitglieder (Maximalvergütung) sowie für einzelne Vergütungsbestandteile (beispielsweise variable Vergütung) vorsehen.

Nachhaltigkeitsaspekte sollten laut AK-Wien zudem fester Bestandteil in der Vorstandsvergütung werden: Statt einseitiger Orientierung an finanziellen Kennzahlen sind Nachhaltigkeitsleistungen des Managements – gemessen an Zielen in den Bereichen Umwelt, Soziales, Governance – verstärkt zu belohnen und als Kriterien für die kurzfristige und langfristige variable Vergütung einzubinden, hießt es in einer Aussendung der AK-Wien. Soziale Kriterien könnten sich beispielsweise auf die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die Aus- und Weiterbildung beziehen. Im Bereich Governance könnten etwa Bonuszahlungen an das Management an Ziele wie etwa mehr Frauen in Führungspositionen sowie ein Mindestfrauenanteil bei den Neuaufnahmen in männerdominierten Branchen gekoppelt werden. Nachhaltigkeitsziele könnten mehr Bedeutung erhalten, indem sie jeweils zu mindestens einem Drittel verpflichtend berücksichtigt werden, so die AK-Wien.

Eine Neiddebatte wolle die AK Wien nicht schüren, denn Vorstandsvorsitzende tragen auch viel Verantwortung. „Wir wollen aber aufzeigen, dass Berufsgruppen, die das tägliche Leben am Laufen halten, wie etwa Pfleger, Pädagogen, Reinigungskräfte und viele andere sich trotz ihrer großen Verantwortung, sorgen müssen wie sie mit ihrem Gehalt das Leben bestreiten, sagt Hudelist. (Bettina Pfluger, 8.1.2024)