Bei Theatervorstellungen mit Audiodeskription wird das Bühnengeschehen über Funkkopfhörer live eingesprochen.
Bei Theatervorstellungen mit Audiodeskription wird das Bühnengeschehen über Funkkopfhörer live eingesprochen.
Lex Karelly/Schauspielhaus Graz

Der "European Accessibility Act" von 2019 verpflichtet Unternehmen und Institutionen EU-weit dazu, Barrieren abzubauen. Und damit Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zu Orten oder Aktivitäten zu erleichtern. Das umfasst alle Bereiche des alltäglichen Lebens, von den Stufen zur Toilettenanlage im Gastronomiebetrieb bis zu schwierig zu handhabenden digitalen Diensten.

Gemeint sind auch Schwellen beim Kulturkonsum. Viele Bühnen haben in den letzten Jahrzehnten bauliche Veränderungen vorgenommen, bieten Rollstuhlplätze an und haben Induktionsschleifen für hörbeeinträchtigtes Publikum installiert. Und doch ist noch Luft nach oben, sagt Hansjörg Nagelschmidt vom Bundesverband für Menschen mit Behinderungen im STANDARD-Gespräch.

Eigentlich sieht bereits das Behindertengleichstellungsgesetz von 2006 ein "Diskriminierungsverbot" im alltäglichen Leben vor. Die Theorie hat in der Praxis aber einen Haken. Denn, so Nagelschmidt, "Menschen mit Behinderungen haben kein Recht auf die Umsetzung der Barrierefreiheit. Betroffene können lediglich über ein Schlichtungsverfahren Anspruch auf Schadenersatz geltend machen. Aber wer macht das, wenn er oder sie doch nur eine Theatervorstellung besuchen will?"

Audiodeskriptionen

Insgesamt hätten Österreichs Bühnen aber doch gut nachgerüstet, besonders im Zuge von Generalsanierungen, findet Nagelschmidt.

Das vergangenen Sommer beschlossene Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) ist ein weiterer Anstoß, die Zugänglichkeit zu erhöhen. In den nächsten Jahren bzw. im nächsten Jahrzehnt wird sich dennoch viel verändern müssen. Denn Schranken gibt es vielerart. Sie fallen den Nichtbeeinträchtigten nur so gut wie nicht auf.

Besonders auf Theaterbühnen, wo mit vielen Sinnen Kunst erfahren wird, tut es not, sich Gedanken darüber zu machen, wie Menschen mit Sinneseinschränkungen eine Vorstellung rezipieren können. Das Schauspielhaus Graz ist schon gut aufgestellt und bietet seit dieser Spielzeit erstmals Vorstellungen mit Audiodeskription für Menschen mit Sehbehinderung an. Dabei können live eingesprochene Beschreibungen des Bühnengeschehens über Funkkopfhörer empfangen werden. Zudem bietet das Theater vor der Vorstellung taktile Einführungen an, bei denen ein Bühnenbildmodell, Stoffproben sowie Requisiten betastet werden können. So soll vorab ein Gespür für den Abend entstehen. Auch Assistenzhunde sind in Graz willkommen. Detto am Landestheater Niederösterreich.

Induktionsschleifen und Untertitel

Das Burgtheater hat ebenfalls Audiodeskriptionen im Angebot und bietet nun sogar erstmals mithilfe des Hauptsponsors Casinos Austria sowie in Kooperation mit dem Braillezentrum des Bundes-Blindeninstituts Wien ein Programmbuch in Brailleschrift an. Die betreffende Vorstellung von DieZauberflöte findet am 15. Jänner statt. Die Audiodeskription wird im Theater über ein mitgebrachtes Gerät empfangen, etwa ein Mobiltelefon oder einen MP3-Player mit UKW-Empfangsfunktion.

Menschen, die schlecht hören, können über Induktionsschleifen, die mit den eigenen Hörgeräten kompatibel sind, die Lautstärke regulieren. Außerdem besteht im Burgtheater neben der akustischen Verstärkung die Möglichkeit, mithilfe einer Übertitelungs-App den Text am eigenen Smartphone mitzulesen – am verdunkelten Bildschirm, versteht sich. Abrufbar ist der Text auf Englisch, Deutsch oder Russisch.

Das Landestheater Linz verfügt – zusätzlich zur Induktionsschleife in allen Bühnen – im Musiktheater über an den Sitzplätzen eingebaute Untertitelungs-Screens, wo der gesungene Text sowohl auf Deutsch als auch in der Originalsprache der Oper mitgelesen werden kann. Mehrsprachigkeit, die sich auch Sprechtheater hin und wieder leisten, dient dem Barriereabbau.

Schwierigkeit Kellerbühne

Apropos, die finanziellen Hürden für entsprechende Maßnahmen sind für kleine Bühnen natürlich umso größer. Dennoch bemühen sich auch Kellerbühnen um Adaptionen. So sollte man sich nicht scheuen, Treppenlifte zu beanspruchen, wie ihn beispielsweise das Theater an der Gumpendorfer Straße hat. In der Wiener Mittelbühne können auch Elektrorollstuhlfahrerinnen zu ihren Plätzen gebracht werden. Auf dem Plan steht derzeit der Einbau einer Induktionsanlage für hörbeeinträchtigte Zuschauer.

Über eine solche verfügt auch das Stadttheater Klagenfurt, das in der vergangenen Spielzeit 972 Karten an Personen mit einem Behindertenpass verkauft hat. Am Landestheater Linz waren es in Summe 959 Personen im Rollstuhl inklusive Begleitpersonen. Das Burgtheater verzeichnet für denselben Zeitraum insgesamt 1112 ermäßigte Tickets für Rollstuhlfahrer plus Begleitung und Personen mit Behindertenausweis. Am Landestheater Salzburg haben Rollis sogar gratis Eintritt.

Barrieren bergen oft auch schon die Websites sowie der Onlineticketkauf. Dahingehend ist das Schauspielhaus Wien sehr wach und bildet sich gerade in einfacher Sprache weiter, wie Co-Intendantin Martina Grohmann sagt, "um in unseren Ankündigungstexten zugänglicher zu werden". Neben Audiodeskriptionen und Tastführungen für wenige Vorstellungen gibt es im Schauspielhaus übrigens auch Nachmittagsvorstellungen mit Kinderbetreuung. (Margarete Affenzeller, 8.1.2024)