Die Geologie kennt Kohlenstoff in all seinen Erscheinungsformen. In Karbonatgesteinen, wie sie bei uns in den österreichischen Kalkalpen häufig auftreten, ist es zum Beispiel im Mineral Kalzit in oxidierter Form zu finden. Auch in Mineralwässern ist oxidierter Kohlenstoff als CO2 ein üblicher Bestandteil. Und natürlich kommt auch reduzierter Kohlenstoff in der Gesteinswelt vor: als schwarzer Grafit oder Kohle. Oder als Erdöl und Erdgas. Für den Menschen können alle diese Erscheinungsformen nützlich sein und wichtige Rohstoffe darstellen. Für die Wärme- und Energiegewinnung ist allerdings das fulminante Potenzial in der exothermen Reaktion von reduziertem Kohlenstoff (Kohle, Erdgas, Erdöl) zu oxidiertem Kohlenstoff (CO2) die vielleicht wichtigste chemische Grundlage der menschlichen Zivilisationsgeschichte, insbesondere seit Beginn der Industrialisierung.

Eines jener Projekte, die sich mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung beschäftigen, ist Carbfix. Das isländische Start-up will in Zukunft auch anderen Ländern CO2 abnehmen.
Eines jener Projekte, die sich mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung beschäftigen, ist Carbfix. Das isländische Start-up will in Zukunft auch anderen Ländern CO2 abnehmen.
REUTERS/MARKO DJURICA

Über die Jahrmillionen der Erdgeschichte gab es immer wieder dramatische Verschiebungen. Globale Warmzeiten mit hohen CO2-Gehalten in Luft und Meerwasser und hohen Meerwasserspiegeln sind als Gesteinsschichten mit reichlich Karbonatgestein überliefert. Diese geologische Fixierung von oxidiertem Kohlenstoff entzieht über lange Sicht das CO2 aus Atmo- und Hydrosphäre. Nur: Es dauert seine Zeit, bis sich die Erde von selbst reguliert.

Robuste Maßnahmen

Womit wir beim Thema wären. Das Phänomen stark steigender CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre seit dem Beginn der Industrialisierung und die grundsätzlichen Implikationen für die Entwicklung des Weltklimas sind spätestens seit den 1990er-Jahren bekannt. Das Kyoto-Protokoll (1997) hat die Notwendigkeit der Reduktion von "menschengemachten" CO2-Emissionen benannt.

Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, dieser Erkenntnis robuste Maßnahmen folgen zu lassen, waren und sind von diversen Schwierigkeiten begleitet. Die Definition von nationalen und überregionalen Klimazielen hatte bisher noch nicht den erforderlichen Effekt. Nun stehen wir vor der Situation, dass die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend messbar und vor allem spürbar werden. Wir bekommen eine Vorstellung davon, was Leben in einer zwei Grad Celsius wärmeren Welt in der Wirklichkeit bedeuten könnte.

Hin zur Nettonull

Wie man in Österreich die 77,5 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen pro Jahr (Stand 2021) auf netto null bringt, ist eine schwierige Frage, die sektorenspezifische Antworten benötigt. Für die Bereiche Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr (zusammen 50 Prozent der Emissionen) stellt eine geologische Speicherung von CO2 eher keinen praktikablen Weg dar, da hier die Emissionen an einer Vielzahl von Stellen entstehen.

Im Bereich Energie und Industrie ist die Situation anders: Es ist durchaus vorstellbar, dass CO2, das beispielsweise bei der Zementerzeugung prozessbedingt entsteht, an der entsprechenden Fabrik abgeschieden und damit am Eintritt in die Atmosphäre gehindert wird.

Realistische Projekte

Aus technischer Sicht ist die geologische Speicherung von CO2 im Untergrund realistisch. Länder wie Norwegen, die in den vergangenen 20 Jahren in Forschung und Entwicklung an diesem Thema investiert haben, sind in der Lage, Lösungen anzubieten.

Auch in Österreich gibt es die erforderlichen Erfahrungen und Expertisen im Untergrundmanagement aus der Kohlenwasserstoffförderung und der unterirdischen Erdgasspeicherung. Das CO2-Speicherpotenzial beispielsweise von ausgeförderten Kohlenwasserstofflagerstätten ist aus geologischer Sicht vorhanden. Allerdings: In Österreich sind seit 2011 Projekte zur Entwicklung einer dauerhaften geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid verboten. Entsprechend haben bei uns in diesem Bereich auch wenig Forschung und Entwicklung stattgefunden.

Wertvolle Option

Ist es sinnvoll, das Verbot der geologischen CO2-Speicherung nun aufzuheben, um auch diese Technologie auf dem Weg zu Klimaneutralität potenziell nutzen zu können? Diese technische Option im Kampf gegen die globale Erwärmung kann grundsätzlich genauso wertvoll sein wie die Umstellung auf Windenergie und Photovoltaik in der Stromerzeugung oder die Elektrifizierung der Mobilität. Oder Heizungsumstellungen auf Geothermie, energetische Gebäudesanierungen und Energieeinsparungen in der Industrie.

Tatsächlich wird eine Vielzahl von Maßnahmen gleichzeitig erforderlich sein, um den "menschengemachten" Beitrag an CO2 in der Atmosphäre auf ein verträgliches Maß zurückzuführen. Die Zeit drängt. (Holger Paulick, 8.1.2024)