Peter Neumann ist regelmäßig als Experte zu Gast in ORF-Nachrichtensendungen. Zu Recht. Der Terrorismusforscher vom Kings's College in London schafft es, Themen wie den IS oder andere terroristische Organisationen eloquent und auch für Nichtauskenner verständlich zu erklären. So auch Sonntagabend in der "ZiB 2" bei Martin Thür, wo er über die jüngsten Entwicklungen rund um die Terrormiliz "Islamischer Staat", die Gefahr aus dem Libanon und Radikalisierung in Europa sprach.

Peter Neumann vom King's College war Sonntagabend zu Gast bei Martin Thür in der
Peter Neumann vom King's College war Sonntagabend zu Gast bei Martin Thür in der "ZiB 2".
Screenshot: ORF-TVThek

Wie konnte der selbsternannte "Islamische Staat" wieder so an Kraft gewinnen? Neumann erklärt die Gefahr, die vom regionalen IS-Ableger ISPK ausgeht, und die Frage, warum diese Terrororganisation in Tadschikistan Leute rekrutiert. "Tadschikistan ist schon immer ein Land gewesen, wo man aktiv war und wo man auch Leute gefunden hat wegen der turbulenten Geschichte des Landes, in dem es ebenfalls einen Bürgerkrieg gab." Dort habe man die Leute gefunden, die für den IS ansprechbar waren, "ganz besonders auch Leute im Westen, die möglicherweise geflüchtet sind und die sich in einer prekären Situation befinden". Das seien die "Zutaten, die die Radikalisierung in solchen Fällen zum Teil möglich machen".

Während der Flüchtlingsbewegung 2015/16 seien nur wenige Leute vom IS absichtlich nach Europa geschmuggelt worden, vielmehr hätten sich die Flüchtlinge in Europa radikalisiert. Neumann glaubt, dass das auch bei denen, die jetzt unter Terrorverdacht stehen, der Fall sei.

Ob die Szene in Europa gut genug beobachtet werde, um Terroranschläge zu verhindern? Vor dem 7. Oktober – also vor dem Angriff der Hamas auf Israel – hätten alle geglaubt, dass diese islamische Gefahr am Stagnieren, sogar am Abnehmen sei. "Aber seit dem 7. Oktober haben wir eine neue Situation", so Neumann. Die Ereignisse im Nahen Osten hätten zu einer "riesigen Mobilisierung geführt, zu einer riesigen Nachfrage nach Islamismus". Die Sicherheitsbehörden würden Unterstützung brauchen.

ZIB 2: Terrorismusforscher zum wiedererstarkten IS
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Er warnt in der "ZiB 2" vor der "zweiten Phase" des Konflikts im Nahen Osten, "was wir jetzt sehen, ist möglicherweise eine gefährliche Regionalisierung dieses Konflikts". Es gebe jetzt bereits verstärkt Aktivität im Süden des Libanon, er erwähnt blockierte Handelswege, Angriffe schiitischer Milizen auf amerikanische Basen im Irak. Der Iran spiele mit dem Feuer und probiere aus, wie weit man das ausreizen kann, bevor es eine Antwort aus den USA und auch Israel gibt. Neumann: "Eine ganz, ganz brenzlige Situation". (Astrid Ebenführer, 8.1.2024)