Ölplattformen wie diese von BP könnte es in der Nordsee bald deutlich mehr geben.
AFP/POOL/ANDY BUCHANAN

Mit einem neuen Gesetz will die britische Regierung die Vergabe neuer Lizenzen für Öl- und Gasprojekte in der Nordsee ankurbeln. Am Montag stimmt das britische Unterhaus, wo die Regierungspartei der Tories die Mehrheit stellt, über die Reform ab. Die sozialdemokratische Labour-Partei ist gegen das Gesetz, doch auch innerhalb der konservativen Regierungspartei häuft sich die Kritik – allen voran seitens des frühere Energieministers und heutigen Abgeordneten Chris Skidmore.

"Ich kann keine Regierung unterstützen, die einen falschen Kurs fährt und künftigen Schaden anrichtet", erklärte Skidmore auf X, ehemals Twitter. "Wir müssen in Industrien und Geschäftsmodelle der Zukunft investieren, nicht in jene der Vergangenheit." Darauf habe sich die Welt schließlich auf der Klimakonferenz in Dubai geeinigt.

Auch Alok Sharma, ebenfalls ein Abgeordneter der konservativen Partei, ließ am Montag wissen, das er gegen das Gesetz stimmen werde. Sharma leitete 2021 die Klimakonferenz in Glasgow (COP 26). "Dieses Gesetz ist das Gegenteil davon, worauf wir uns international geeinigt haben. Deshalb lehne ich es ab."

Heute knapp 300 aktive Felder

Als Energieminister unterzeichnete Skidmore einst das Klimaneutralitätsziel für 2050 der damaligen Premierministerin Theresa May. Schon in den vergangenen Monaten kritisierte er den Kurs der derzeitigen Regierung immer wieder scharf, allen voran mit Blick auf ihre Klimapolitik sowie Desinformation.

Der frühere britische Energieminister Chris Skidmore tritt wegen der Öl- und Gaspläne aus seiner Partei aus.
AP/Chris McAndrew

In seiner Stellungnahme berief sich Skidmore auf die Internationale Energieagentur sowie auf den Weltklimarat. Beide hatten deutlich gemacht, dass die Klimaneutralität bis 2050 wohl nur erreichbar sei, wenn keine zusätzlichen Öl- und Gasprojekte mehr gestartet werden.

In der Nordsee befinden sich derzeit knapp 300 aktive Öl- und Gasbohranlagen, wobei mehr als die Hälfte von ihnen ihre Produktion bis 2030 einstellen werden. Der britische Premierminister Rishi Sunak kündigte daher an, die Planung neuer Projekte deutlich ausweiten zu wollen. Eine jährliche Vergabe von Lizenzen, die das neue Gesetz einführen will, soll es für Unternehmen einfacher machen, die fossilen Reserven unter der Nordsee an die Oberfläche zu fördern, wie die britische Zeitung "Guardian" schreibt. Das Argument dahinter ist vor allem die Energiesicherheit Großbritanniens.

Doch dieses Argument ist umstritten – nicht zuletzt, weil ein Großteil des Erdöls exportiert werden soll. "Wenn Rishi Sunak ernsthaft Energierechnungen senken und die Energiesicherheit heben wollte, würde er auf Haussanierungen und national erzeugte Erneuerbare setzen", kritisiert etwa Ed Matthew vom Thinktank E3G.

Das britische Medium "Carbon Brief" setzt die Debatte hingegen in Relation: Die Erdgasproduktion in der Nordsee sei seit 2000 bereits um zwei Drittel gesunken – und werde aus heutiger Sicht bis 2050 um weitere 97 Prozent fallen. Selbst mit einer stärkeren Lizenzvergabe werde die Produktion um 95 Prozent sinken, so "Carbon Brief". Die Richtung der weiteren Entwicklung hin zu Erneuerbaren sei klar.

Forderungen nach LNG-Bremse in den USA

Für den US-amerikanischen Klimaaktivisten und Autor Bill McKibben ist der Rücktritt von Skidmore ein Zeichen, dass die Erklärung der Staaten in Dubai möglicherweise doch so manches ins Rollen bringen könnte.

"Das ist so, als würde ein republikanischer Senator sagen: Ich ziehe mich zurück, weil meine Partei zu stark durch die fossile Industrie beeinflusst wird", schreibt McKibben. Das erhöhe den Druck auf das US-Energieministerium, bei der Vergabe neuer Exportlizenzen für verflüssigtes Erdgas – kurz LNG – auf die Bremse zu treten. Regierungen, so McKibben, müssten nun dafür einstehen, was sie in Dubai unterschrieben haben. (Alicia Prager, 8.1.2024)