Ein Atomkraftwerk, das zwar fertig gebaut wurde, dann aber nie Strom lieferte: Mit jener Geschichte ist Zwentendorf nicht allein. Knapp zehn Jahre nachdem Menschen in Österreich gegen die Atomkraft protestierten und den Stopp des Projekts erreichten, mobilisierten auch Menschen auf den Philippinen gegen ein Atomkraftwerk, dass der damalige Diktator Ferdinand Marcos in Auftrag gab. Das Kraftwerk auf der Halbinsel Bataan, rund 100 Kilometer westlich von der Hauptstadt Manila, steht bis heute still.

Eine Wache marschiert am Haupteingang des Atomkraftwerks von Bataan vorbei. Aufgrund von Sicherheitsrisiken und Korruptionsfällen wurde es nie in Betrieb genommen. Geht es nach der aktuellen Regierung, soll sich das bald ändern.
AFP/Ted Aljibe

Anders als Zwentendorf wurde das Kraftwerk allerdings in Schuss gehalten. Heute ist der Sohn des ehemaligen Diktators, "Bongbong" Marcos, Präsident des Inselstaats – und plant, das kontroverse Kraftwerk doch noch einzuschalten.

Unterstützung dafür kommt von außerhalb: Eine Allianz mehrerer Länder rund um die USA, Großbritannien und Frankreich gab zu Beginn der Klimakonferenz ihr Ziel bekannt, die globalen Atomkraftkapazitäten bis 2050 im Vergleich zu 2020 verdreifachen zu wollen. Im kommenden März soll dazu ein eigener Atomenergiegipfel in Brüssel veranstaltet werden.

Auch in den Philippinen könnte dieses Ziel auf offene Ohren stoßen. Die Regierung rechnet in ihrem Energieplan bereits mit vier Gigawatt, welche die Atomkraft liefern soll. "Wir können uns gut vorstellen, dass die Atomkraft bis 2032 Teil des philippinischen Energiemixes wird und wir sind überglücklich, diesen Weg zusammen mit den USA zu beschreiten", warb der Präsident Ferdinand Marcos Junior.

Kritik an den Plänen

Doch nicht alle stimmen dieser Linie der Regierung zu. "Atomenergie ist eine Ablenkung von der Energiewende. Die Erderhitzung wird als Argument genutzt, um wirtschaftliche Interessen durchzuboxen", kritisiert Gerry Arances, Direktor des philippinischen Center for Energy, Ecology and Development (CEED). Er nahm als Student an den Anti-Atom-Protesten gegen das Kraftwerk Bataan teil.

Dieser Tage ist Arances auf der Klimakonferenz in Dubai, um sich hier für eine schnelle und gerechte Energiewende einzusetzen. Die enormen Kosten, die ein Atomkraftwerk verursache – vor allem, wenn auch die Entsorgung des nuklearen Abfalls mit eingerechnet würde – würden sich für die Philippinen nicht rechnen, ist er überzeugt. Nicht zuletzt argumentieren die philippinischen Atomgegner auch mit einem Sicherheitsrisiko: Die Philippinen liegen im sogenannten pazifischen "Ring of Fire". Rund 90 Prozent der Erdbeben weltweit ereignen sich in dem weitläufigen Streifen.

Erdgas-Boom und Kohleexpansion

Anders als noch in den 1980ern und 1990ern sei der Fokus der Bewegung in den Philippinen aber auf viele verschiedene Themen aufgeteilt, meint Arances – dadurch gäbe es weniger Widerstand gegen die Atomkraft.

Da ist etwa der massive Ausbau an Erdgaskraftwerken: 28 neue Erdgaskraftwerke mit einer Kapazität von 39 Gigawatt sind geplant. Außerdem will die Regierung zwölf neue LNG-Terminals bauen – sie dienen dem Import von verflüssigtem Erdgas, das etwa die USA liefern will. Wie einige weitere Staaten in Südostasien sieht die philippinische Regierung eine Zukunft in dem fossilen Energieträger. Die Philippinen würden an der Spitze dieser Entwicklung stehen, meint die Organisation urgewald. Einige der Importterminals seien in besonders artenreichsten Ökosystemen geplant.

Ein weiteres Thema, mit dem die Klimabewegung beschäftigt sei, sei der weiterhin laufende Kohleausbau, so Arances. Aktuell sieht es so aus, als würden 1,6 Gigawatt an Kohlekraft zugebaut werden. Noch 2019 war allerdings ein weit größerer Ausbau geplant: Damals hätten 16 Gigawatt ergänzt werden sollen. Das machte die Philippinen zum Land mit der neuntgrößten Kohleexpansion. "Solar- und Windkraft sind viel günstiger. Sie werden die Kohlekraft über kurz oder lang verdrängen", ist sich Arances sicher.

Bis 2050 will eine neue Allianz mehrerer Staaten die Kapazität der Atomkraft im Vergleich zu 2020 verdreichfachen.
AP/Petr David Josek

Aufwind für die Atomkraft auf der COP

Wenige Gehminuten von dem Pavillon der Philippinen auf der COP entfernt, befindet sich ein Gebäude, in dem Energieorganisationen auf zwei Stockwerken dichtgedrängt ihre Stände und kleine Bühnen für Paneldiskussionen aufbaut haben. Darunter einer der World Nuclear Association, der European Nuclear Society, eine Jugendorganisation für Atomenergie sowie auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). In der Green Zone, dort, wo Besucherinnen und Besucher auch ohne Akkreditierung Zutritt haben, befinden sich zwei weitere Bühnen mit Atom-Fokus.

"Das Interesse an Atomenergie weltweit steigt deutlich", erklärt Wei Huang, Abteilungsleiter für Energieplanung und den Wissenstransfer zu Nuklearenergie der IAEA. Im vergangenen Jahr war seine Organisation mit dem "Atoms4Climate"-Pavillon zum ersten Mal auf der Klimakonferenz vertreten. Dieses Mal sind drei Pavillons weiterer Organisationen mit Fokus auf Atomenergie dazugekommen. "Es ist eben sehr schwierig, Net-Zero ohne Atomkraft zu erreichen." Das gelte umso mehr in Staaten, die – anders als Österreich – keine Wasserkraft nutzen können.

Anders sieht das Gerry Arances. Nach Angaben der philippinischen Regierung habe das Land ein Erneuerbaren-Potenzial von 807 Gigawatt. "Das ist viel mehr, als wir tatsächlich brauchen." (Alicia Prager aus Dubai, 10.12.2023)