Sultan Al Jaber
Der Vorsitzende der diesjährigen Weltklimakonferenz, Sultan Al Jaber, feiert die Einigung als "historischen" Erfolg.
AP/Kamran Jebreili

Yalla! Mit diesen Worten, die auf Arabisch so etwas bedeuten wie "Kommt schon, los geht‘s!", drängten Aktivistinnen und Aktivisten während einer Aktion auf dem Konferenzgelände in Dubai auf ein starkes Ergebnis. Die Nerven lagen blank, schließlich sollte in Dubai nichts weniger als der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen eingeläutet werden – ausgerechnet in einer Stadt, deren Reichtum auf Erdöl fußt und einem Vorsitzenden, der gleichzeitig auch Chef eines der größten Ölkonzerne der Welt ist.

Heute wissen wir, was auf dem perfekt inszenierten Gipfel herausgekommen ist. Von der Logistik bis zur Dramaturgie der Verhandlungen wurde dort kaum etwas dem Zufall überlassen. Beobachterinnen und Beobachter attestieren Sultan Al Jaber: Er hat Verhandlungsgeschick bewiesen. Was hat die Klimakonferenz in Dubai also gebracht – und wo ist sie gescheitert?

Die Staaten haben vereinbart, die Kapazität der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen.
AP/Julia Nikhinson

TOPS 

Der Klimagipfel hat mehr erreicht, als viele erwarteten.

1. Abkehr von den Fossilen

In Dubai ist gelungen, was auf keiner Klimakonferenz zuvor geklappt hat: Die knapp 200 Staaten haben sich auf die "Abkehr" von Erdöl, Erdgas und Kohle geeinigt – und zwar "im Einklang mit der Klimaneutralität bis 2050". Das ist ein Durchbruch für die internationale Klimapolitik, wenngleich sich viele Staaten wünschten, einen "Ausstieg" zu beschließen.

Derzeit bewegt sich die Welt auf eine Erhitzung und fast drei Grad zu. Vermieden werden kann das nur, indem viel weniger Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt wird. "Wir haben den Anfang des Endes der fossilen Ära eingeläutet", so EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.

2. Rückenwind für Erneuerbare

Zusätzlich haben die Staaten beschlossen, dass sie die Kapazität von erneuerbaren Energien bis 2030 verdreifachen wollen – und sagen zu, die Energieeffizienz bis dahin zu verdoppeln, also Energie zu sparen. Das wird Kohle, Erdöl und Erdgas nach und nach verdrängen. Schon heute liefern Erneuerbare in vielen Ländern den günstigeren Strom.

3. Kampfansage an Methan

Auch das Treibhausgas Methan wird in dem Abschlusstext genannt – bis 2030 soll es stark reduziert werden. Genauere Ziele, die in einem früheren Entwurf auftauchten, sind zwar verschwunden, dennoch ist es ein Signal gerade an Ölkonzerne: Bei der Produktion von Erdöl entweicht häufig Erdgas, das fast komplett aus Methan besteht. Das ist ein großes Problem: Methan erhitzt die Welt über eine Zeitspanne von 20 Jahren rund 80 Mal stärker als CO2. Die Methan-Emissionen im Energiebereich würden sich relativ einfach vermeiden lassen, wie die Internationale Energieagentur betont. Der neue Beschluss drängt darauf, dies ernst zu nehmen.

4. Kleine Initiativen machen Tempo

Auf den Klimakonferenzen müssen die Staaten einen Konsens finden. Das heißt, das Ergebnis ist immer nur ein Kompromiss, den selbst Staaten wie Saudi-Arabien mittragen können. Einige Initiativen wollen weiter gehen, so wie die Allianz von Staaten des Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty. Sie fordert eine schnellere Energiewende.

Bisher waren dort vor allem kleine Inselstaaten vertreten, in Dubai ist auch Kolumbien beigetreten – das Land ist immerhin einer von Europas wichtigsten Kohlelieferanten und produziert selbst Erdöl. Kolumbien zeigt: Die COP-Einigung ist nur das Minimum. Mehr geht immer.

Allerdings reagierten die Finanzmärkte keineswegs unterstützend, betonte das kolumbianische Verhandlungsteam auf der Konferenz. Zinsen stiegen, Schulden wurden teurer zu bedienen. Entsprechend ist Kolumbien auch unter jenen Staaten, die nach einer Reform des Finanzsystems rufen.

Klimaaktivistinnen verzweifeln am schleppenden Fortschritt.
AP/Peter Dejong

FLOPS

Gleichzeitig geht der Fortschritt viel zu langsam.

1. Hintertüren bleiben offen

Die Klimakonferenz hat die Abkehr von Kohle, Erdöl und Erdgas beschlossen – doch etwas weiter unten im Text versteckt sich eine Lücke. Dort benennt er die Technologie zur CO2-Abspaltung und -Speicherung, kurz CCS, als Lösung. Das war wohl ein Zugeständnis an die erdölproduzierenden Staaten, die meinen, man könne verursachte Emissionen einfach wieder aus der Luft fangen. Allerdings ist die Technologie teuer und verbraucht viel Energie: Sie wird für einzelne Bereiche benötigt werden, die besonders schwer zu dekarbonisieren sind – mehr ist davon nicht zu erwarten.

2. Erdgas als Brücke

Auch weitere Lücken für Ölstaaten bleiben offen: So hat es etwa ein Satz in die Einigung geschafft, der Erdgas als Brückentechnologie definiert – also als einen Brennstoff, den wir im Übergang hin zu einem sauberen Energiesystem brauchen. Das ist irreführend. Denn ja, viele Länder – darunter Österreich – werden noch eine Zeitlang Erdgas brauchen. Doch Erdgas ist nicht "sauber", sondern erhitzt das Klima stark. Warum nicht gleich auf Erneuerbare umsteigen, statt einen Umweg zu machen?

3. USA versprechen Peanuts für Klimaschäden

Gleich am ersten Tag landete die Konferenz einen Durchbruch: Die Staaten einigten sich auf den Fonds für Klimaschäden, auf Englisch Loss and Damage Fund. Das war zunächst ein großer Erfolg. Im Laufe der Konferenz wurde dann aber klar, dass die Industriestaaten nur wenig Geld zusagen werden, insgesamt rund 700 Millionen Dollar. Im Vergleich zu den 400 Milliarden, die laut Schätzung jährlich benötigt werden, ist das verschwindend wenig

Die EU zählte dabei noch zu den größten Einzahlern – die USA hingegen blieben knausrig. Selbst Italien sagte fünfmal mehr Geld zu.

4. Viel zu langsam

"Es besteht eine völlige Diskrepanz zwischen dem, was hier geschieht, und den Folgen der Erhitzung", kritisierte die peruanische Klimaaktivistin Angie Flores. Besonders betroffene Staaten hatten auf ein sehr viel stärkeres Ergebnis gehofft – der langsame Fortschritt in der internationalen Klimapolitik werde dem Ausmaß der Krise nicht gerecht, sagen sie. Es gebe nichts zu feiern, machte eine Vertreterin von Samoa sofort nach der Einigung klar. (Alicia Prager, 16.12.2023)