Am Freitag ist nach dem Start bei einem fast nagelneuen Jet der Alaska Airlines ein Rumpfteil herausgebrochen und hat ein türgroßes Loch auf Höhe der Sitzreihen gerissen. In erster Linie zwei glückliche Umstände führten dazu, dass der Zwischenfall für die 177 Menschen an Bord glimpflich ausgegangen ist. Erstens saßen neben dem Leck in der Reihe 26 keine Passagiere, da die Sitze 26A und 26B während dieses Fluges zufälligerweise frei geblieben waren. Zweitens passierte das Unglück schon gut sechs Minuten nach dem Start der Maschine. Die Boeing 737 Max 9 befand sich da erst auf weniger als 5.000 Meter Flughöhe, weshalb noch alle inklusive Besatzungsmitglieder angeschnallt auf ihren Sitzen saßen.

Sauerstoffmasken im Flugzeug
In großen Flughöhen bleiben Passagieren vor der Ohnmacht weniger als 20 Sekunden zum Aufsetzen der Sauerstoffmasken.
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Auf Reiseflughöhe hätte es vermutlich anders ausgesehen, viele Leute sind nicht angeschnallt, und die Flugbegleitenden bedienen die Passagiere. Dass der Sog des Lecks allerdings schon in der geringen Flughöhe Schaden anrichten kann, legen die Berichte von Augenzeugen nahe. Einem jungen Mann in Reihe 26 auf der anderen Seite des Ganges sei durch den Sog das T-Shirt über den Kopf und ins Freie gezogen worden, anderen Gästen wurden Kopfhörer aus den Ohren oder Handys aus den Händen gerissen. Dennoch gab es bei dem Zwischenfall keine Schwerverletzten, was die Frage nahelegt, ob und wie Fluggäste bei rapidem Druckabfall und Sog in der Kabine richtig reagieren können.

Entscheidend ist zunächst, wie schnell der Druckabfall eintritt und in welcher Höhe. Dieser kann langsam geschehen, zum Beispiel weil es ein kleines Leck oder technische Probleme gibt. Er kann aber auch plötzlich eintreten, wenn eine Tür geöffnet wurde oder eine Explosion die Ursache ist. In jedem Fall werden Pilotinnen und Piloten versuchen, auf eine sichere Flughöhe zu gelangen, die bei rund bei 3.000 Metern liegt. Wenn es einen Druckabfall in mehr als 4.000 Meter Höhe gibt, fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Deckenverkleidung. In großer Höhe und bei rapidem Druckabfall haben die Passagiere in Höhen über 4.000 Meter jedenfalls nur wenige Sekunden Zeit, um lebensrettende Maßnahmen vor der Ohnmacht durch Sauerstoffmangel zu treffen. Laut einer Aussage von Airbus sind die Passagiere noch etwa 18 Sekunden bei Bewusstsein, um handeln zu können. Deshalb ist es wichtig, erst sich selbst die Maske so rasch wie möglich aufzusetzen und erst danach Kindern oder Menschen, die Unterstützung benötigen, zu helfen.

Lebensrettende Maßnahmen

Nicht ohne Grund raten Airlines allen Passagieren, während des Fluges grundsätzlich angeschnallt zu bleiben. Neben Unfällen durch Turbulenzen kann so auch im Ernstfall eines Lecks im Rumpf dem Sog entgegengewirkt werden. Dass dies auch in großen Flughöhen lebensrettend sein kann, veranschaulicht eine Katastrophe aus dem Jahr 1988. Als der Flug 289 von Aloha Airlines damals auf Reiseflughöhe in 7.300 Metern über Hawaii durch Materialermüdung einen Teil des oberen Rumpfes einer Boeing 737 verlor, wurde eine Flugbegleiterin aufgrund der rapiden Dekompression aus der Maschine gesogen. Dennoch konnte die Boeing durch die Piloten ohne weitere Verluste sicher zu Boden gebracht werden. Bei einer rapiden Dekompression, die von einem Knall begleitet werden kann, entstehen aber noch weitere Gefahren. Denn auch die niedrige Umgebungstemperatur in Reiseflughöhe ist nicht zu unterschätzen. Sie beträgt bei einem Passagierflugzeug in 11.000 Meter rund minus 57 Grad Celsius. Auch deshalb werden Pilotinnen und Piloten immer versuchen, so rasch wie möglich die Flughöhe zu reduzieren. Durch den Sog in Richtung des Lecks werden zudem lose Gegenstände umhergewirbelt, die ein großes Verletzungsrisiko darstellen.

Gegen diese Gefahr hilft am besten die sogenannte Brace-Postion oder Klemmhaltung. Der Passagier soll dabei das Becken so weit wie möglich nach hinten schieben, seinen Hüftgurt straff ziehen, Füße und Kopf möglichst weit nach vorn bringen, die Stirn dabei gegebenenfalls an die Rückenlehne des Vordersitzes lehnen und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Bei senkrecht gestellter Rückenlehne strafft sich der Gurt um den Beckenknochen und reduziert die Gefahr von inneren Verletzungen im Bauchraum. Sinn dieser Haltung ist es, den Körper möglichst fest zwischen den Sitzreihen einzuklemmen, damit er nicht herumgeschleudert wird. Diese Position wird eigentlich bei möglichen Abstürzen empfohlen, sie ist aber auch gegen Verletzungen durch herumfliegende Gegenstände wirksam.

Der jüngste Vorfall mit Boeings meistverkauftem Modell ist nicht der einzige: Nach Abstürzen 2018 und 2019 in Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Toten durften Maschinen dieses Typs aus Sicherheitsgründen fast zwei Jahre lang nicht abheben. Es stellte sich heraus, dass eine mangelhafte Cockpit-Software für die Abstürze verantwortlich war. Vor wenigen Tagen hatte Boeing seine Kunden aufgefordert, alle 737-Max-Flugzeuge auf eine möglicherweise lose Schraube im System der Rudersteuerung zu überprüfen. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit Easa meldete unterdessen, dass keine europäische Fluglinie eine Boeing 737 Max in der Konfiguration der Unglücksmaschine im Einsatz habe. (red, 8.1.2024)